Im 19. Jahrhundert gingen fortschrittliche schulische Veränderungen vor allem von Preußen aus. Da verwundert es nicht, dass auch die Bismarck-Bohlen, eng verbunden mit dem preußischen Königshaus und seiner Politik, den Schulbesuch der Dorfkinder förderten. Während einer verstärkten Bautätigkeit Anfang der 1830er Jahre in Carlsburg wurde 1832 auch ein Schulhaus – später alte Schule genannt – gebaut.
Der erste Schulmeister, der Erwähnung findet, ist ein gewisser Wotke. Für die Küsterschule in Zarnekow wird ein Meister Jakob Christoph Meyer erwähnt, der gleichzeitig Schuhmacher und Schulmeister war.
Hier ein Schreiben über die Anzahl der Familien in Karlsburg und Steinfurth um 1820:
Beantwortung der von Ew. Hochgeborn vorgelegten Fragen in Bezug auf die Anzahl der sich in den Gütern Carlsburg & Steinfurt incl. Mühle befindenden Familien, so wie auch, wie viele Kinder im vorigen und in diesem Winter die Schule besuchten, nebst Bemerkung des Schulgeldbetrages pro Woche für Ertheilung des Unterrichts im
Lesen, Schreiben und Rechnen. –
Was die in Carlsburg wohnenden betrifft, so beläuft sich die Anzahl auf 34, die in Steinfurt auf 19, die der Mühle auf 2 Familien.
Die Schule wurde im vorigen Winter von 40 Kindern besucht; gegenwärtig indeß beläuft sich die Zahl nur auf 31, jedoch steht zu Folge der Aussage des Lehrers zu erwarten, daß nach Anfang des neuen Jahres sie sich wieder bis auf 40 erhoehen werde. –
Für den Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen werden für das Kind auf die Woche 16 g gezahlt; für das Lehren des Lesens allein 8 Pfennige.
Hennig
Aber auch vor dieser Zeit waren in Karlsburg und Zarnekow Lehrer tätig. In der von Egon Brauns zum 700. Jahrestag der ersten urkundliche Erwähnung des Ortes Gnatzkow/Karlsburg erschienenen Broschüre: „KARLSBURG von der Vergangenheit eines Dorfes“ beschreibt der Autor die Entwicklung des Schulwesens in der Gemeinde, welches an dieser Stelle zitiert werden soll.
Die allgemeine Schulpflicht, 1825 im Regierungsbezirk Stralsund erneut verordnet, konnte selbst in der Stadt Wolgast erst 1828 mit einer Reorganisation der Schulen durchgesetzt werden. …
Wo die erste Schule gestanden hat, ist nicht bekannt. Das „neue Schulhaus, in welchem auch der Schafmeister wohnt,“ wird 1832 erbaut und 1845 durch einen Umbau vergrößert.
Nun zahlen die Eltern an Schulgeld für Lesen, Schreiben und Rechnen wöchentlich einen Silbergroschen und 4 Pfennige, für Lesen allein nur 8 Pfennig. Aus einer Aufrechnung ergibt sich, daß zwei Drittel der Kinder nur das Lesen erlernen. Ab 1834 erfolgt dann eine Regelung, die alle Familien ohne Berücksichtigung der Kinderzahl zur Zahlung eines jährlichen Schulgeldes von einem Taler verpflichtet. Dafür ist der Schullehrer „verbunden, sämmtliche Kinder ohne weitere Vergütung Lesen, Rechnen und Schreiben und Beten zu lehren und kann jedes Kind vom zurückgelegten 5ten Jahre an die Schule besuchen „. Aber: „während der Korn- und Kartoffel Erndte hört die Schule für 6 bis 7 Wochen auf.“
Um die Jahrhundertmitte war das Weberhandwerk in der Gegend sehr verbreitet, und in fast jedem Dorf beschäftigte ein Meister mehrere Gesellen.
Schon vor 1760 war der Damastweber Johann Worpitzky in Carlsburg tätig. Während Sohn und Enkel mit Hilfe von Gesellen das Handwerk bis Mitte des 19. Jahrhunderts weiterführen, kommt mit der Einstellung seines Enkelsohns Johann Samuel, geboren 1804, als Lehrer an der neuen Dorfschule Licht in die örtlichen Schulverhältnisse.
Nachdem zunächst auch dieser Spross der kinderreichen Familie wegen der kärglichen Verhältnisse in der väterlichen Weberei gearbeitet hat, „reist er als Webergesell“, berührt dabei auch „die Mecklenburgischen Staaten“ und bleibt für einige Zeit in Parchim, wo sein Bruder als „Lehrer in Gymnasio“ tätig ist. Diese Schule besuchte zur gleichen Zeit auch Fritz Reuter. Der „Rechen- und Schreiblehrer“ Worpitzky ohne akademische Bildung unterrichtete jedoch nur die unteren Klassen. Vor allem besteht hier eine Sonntagsschule die nun Johann Samuel nach dem Vorbild seines Bruders mit Eifer nutzt, um sich „in allerhand Wissenschaften“ fortzubilden, was er in seinem Lebenslauf als Lieblings-Neigung bezeichnet. Dennoch kehrt er nach 2 1/2 Jahren ins Heimatdorf und an den Webstuhl zurück. Als er erneut sein Glück in Parchim versuchen will, gelangt er in Stralsund (sicher nicht rein zufällig) in das Haus des Carlsburger Gutsherrn, des Grafen von Bismarck-Bohlen. Der möchte die Lehrerstelle in dem „zweckmäßige Schulgelände, das er gerade in Carlsburg errichten läßt, mit „einem andern fähigeren Subjekte“ besetzen, „da der bisherige Schulmeister… in keiner Art seinen Beruf ordentlich zu erfüllen imstande war“. Mit dem Wunsch diese Stelle einzunehmen, wendet sich Worpitzky Anfang September 1832 an die Königliche Preußische Regierung in Stralsund, und diese ersucht bereits sechs Wochen danach den Grafen, „nachdem der Schulamtskandidat Worpitzky geprüft ist … die Vacantien zu unsrer Bestätigung gefälligst einzusenden“, worauf sie die Einführung durch Pastor Schulz zu Zarnekow veranlassen werde. Das alles geschieht binnen kurzer Zeit, und der Graf fertigt die „Vocation zum Schulmeister“ aus für die von ihm dotierte Nebenschule zu Carlsburg und Steinfurth, nicht ohne diesen darin erneut zu verpflichten, „die seinem Unterrichte anvertrauten Kinder zur Ehrfurcht gegen Gott, zur Liebe und Anhänglichkeit zu seiner Majestät unserem Allergnädigsten König und unserem theuren Vaterlande, zur Achtung gegen die Gesetze, Gehorsam gegen die Ältern, die Obrigkeit und die Brodt Herrschaft“ zu erziehen und ihn selbst zu ermahnen, er möge „nicht allein mit einem moralischen und guten Wandel als Beyspiel voranleuchten, sondern auch in der Verträglichkeit mit den übrigen Bewohnern des Dorfes als Vorbild dienen“. Es scheint so, als hätte man gerade all diese Dinge bei dem Vorgänger besonders vermißt.
Der Graf beschränkte in ausführlichen Anweisungen nachdrücklich den Inhalt des Unterrichtes, weil er der Meinung war, „daß ein über ihren Stand hinausgehender Unterricht für die Kinder der unteren Volksklassen, welche darauf angewiesen, sich durch Dienen ihr Brodt zu erwerben, fast ebenso nachtheilig ist als völlige Unwissenheit…“. Er schließt mit der Bemerkung: „Wer mehr lernen will und wem also der Unterricht in unserer Schule nicht ausreichend ist, kann die Kirchspiel Schule zu Zarnekow besuchen, wenn dort mehr gelehrt wird.“
Diese Äußerung des Grafen ist wohlbegründet, denn an der dortigen Küsterschule herrschen über längere Zeit recht trostlose Zustände. Auch das erklärt die hohe Aufmerksamkeit, die der Graf als Schulpatron walten läßt.
Obwohl es sich an der Carlsburger Dorfschule um einen ausgesprochenen Neubeginn handelt, verrät auch das Inventarverzeichnis des Schulmeisters, daß es bereits an anderer Stelle ein wenigstens bescheidenes Schullokal gegeben haben muß, denn es wurde ganz offensichtlich neues Inventar mit altem vereinigt, das schon anderswo gedient hatte. Die Inneneinrichtung bestand nämlich aus „5 neuen und 4 kleinen alten Bänken, 2 großen neuen und einem alten kleinen Tisch“ und einer Wandtafel. An Lehrmitteln gab es 7 alte Landkarten, und der Buchbestand umfaßt 5 Bände mit biblischen Geschichten verschiedener Autoren, 12 Lesebücher, 2 Rechenbücher sowie 17 alte und 70[!] neue Vorschriften.
Aufschlußreich, aber dennoch mit Vorsicht zu behandeln sind die zahlreichen Visitationsberichte der vorgesetzten Schulbehörden.
Am 9. Februar 1837 erscheint in Zarnekow der Schulrat und Superintendent Wiesener aus Wolgast und fällt in seinem Bericht ein außerordentlich scharfes, aber, wie es scheinen will, ebenso ungerechtes Urteil über den Küster Johann Jacob Wegener.
„… Da er, obgleich ihm die Katechisation schon einige Tage vorher aufgegeben war, kaum Sätze bilden, geschweige denn irgendeine zusammenhängende Unterredung mit den Kindern zu führen vermochte, so setzte ich die Katechisation, so gut es mit den der hochdeutschen Sprache kaum mächtigen Kindern gehen wollte, fort.“
Nach einem Lob für die guten Leistungen der Kinder im Lesen, Kopfrechnen und Singen und für die Sauberkeit in den Heften schreibt er weiter: „Der Küster ist ein ganz unwissender und linkischer Mann, jedoch wird ihm vom Pfarrer Schultz das Zeugnis gegeben, daß er ordentlich, fleißig und treu seyn Amt verwaltet…“
Man erfährt in diesem Zusammenhang auch etwas über die äußeren Zustände an der Schule. Von 77 schulpflichtigen Kindern aus Zarnekow, Moekow und Wrangelsburg waren an diesem Tage 34 anwesend. „Der Lehrer klagte über den schlechten Schulbesuch während des Winters; im Sommer steht die Schule gewöhnlich leer. … Das Küster- und Schulhaus ist zwar neu, aber sehr ordinär gebaut, [Baujahr 1831, d.V.] die Schulstube ist klein und vermag kaum 50 Kinder zu fassen.“ Der Schulrat wundert sich, „daß sich weder Tische noch Bänke in der Schule befinden, außer denen, die der Küster selbst notdürftig herbeischafft“, und faßt zusammen: „Die Schule in Zarnekow befindet sich also in einem traurigen Zustand. …“
Noch am gleichen Tage besuchte der Schulrat auch Carlsburg, wo er offenbar zufriedener sein konnte.
„Es wurde mit einem vom Lehrer Worpitzky auf der Violine begleiteten Gesange angefangen. … Die Katechisation war nur unbeholfen und lahm, wie ich befürchtet hatte, eine ganz verkehrte Richtung. Besser ging es, als ich dem Lehrer auf den rechten Weg half …“
Über die äußeren Bedingungen erfährt man, daß auch hier der Schulbesuch besonders im Winter noch sehr unregelmäßig sei, „welches nach Aussagen des Lehrers in der Armut der mehrsten Eltern, welche Tagelöhner sind und im Winter ihren Kindern nicht die gehörige Kleidung verschaffen können, im Sommer aber in Dienst geben, sein Grund sein soll“.
In Carolines Briefen finden sich ebenfalls Passagen über die schulischen Belange.
In einem Brief an ihren Sohn Fritz ist zu lesen: Wir hatten Schulexamen, 3 Stunden lang, bei dem Dein lieber Vater vortrefflich ist, u gar nicht merkte[,] daß es schon so lange gedauert.
Dies kann ich nicht von mir rühmen, aber es war immer recht befriedigend u ließ ich allen noch 3 Aepfel geben, was die Kinder 67 von der Zahl, sehr zu erfreuen schien.
Im November 1851 berichtete Caroline an Theodor: Gestern gingen meine drei Fräulein u ich in die Schule, gleich nach dem Frühstück, u wohnten dem Unterricht bis zum Schluß bei. Da ungefähr nur 40 Kinder von 60 da waren, so kündigte ich ihnen an, daß ich das Weihnachtsfest mit ihnen feiern würde, aber nur diejenigen würden eingeladen werden zu kommen[,] die die Schule fleißig besuchen würden.
Und ein paar Tage darauf: Morgen werden wir Wind u Wetter dreuend wol nach Wolgast fahren, Besuch u Einkäufe für Weihnachten zu vereinigen, es macht mir Vergnügen, u freue ich mich auf alle die frohen Gesichter. Die Schule ist schon zahlreicher besucht seit meiner Erklärung.
Am 1. Januar 1857 wurden die Kinder des Gutes (87 an der Zahl) wie jedes Jahr nach Weihnachten in die weiße Galerie eingeladen und mit Pfefferkuchen, Nüssen, Äpfeln und kleineren nützlichen Gaben wie Wolle, Taschentücher o. ä. beschenkt. Süßigkeiten gab es, wie Caroline ausdrücklich betont, jedoch keine.
Ihre eigenen Kinder hatten allerdings Hauslehrer und Gouvernanten – wie sie selbst auch. Die Söhne wurden mit 14 Jahren in ein Berliner Kadettencorps bzw. auf ein Berliner Gymnasium gegeben.
Die Schule wurde von der gräflichen Familie auch instand gehalten. So ist für 1878 im Hausbuch vermerkt: neue Fenster in der Schule. Auch auf die Auswahl der Lehrer nahmen sie Einfluss, ebenso auf die schulischen Inhalte. Dieses Gebäude wurde 1986 abgerissen.
1911 entstand dann an der Greifswalder Chaussee ein neues Schulhaus nach genauen Angaben des letzten Grafen Fritz-Ulrich von Bismarck-Bohlen. Die Kosten des Neubaus beliefen sich auf 19000, -. Im Hausbuch wird erwähnt, dass die nunmehr verlassene alte Schule … als Diakonissenhaus eingerichtet [wird] u. enthält als solches außer Stall, Küche u. Bodenräume: 2 Zimmer f. die Diakonissin, 1 Krankenstube, 1 Mädchenzimmer, 1 klein Kinderschulstube. Das sich an die Wohnung unmittelbar anschließende alte Schulzimmer soll als Gemeindesaal Verwendung finden.
Nach dem Bau der neuen Schule im Dorf, wurde dieses Gebäude noch für den Sportunterricht genutzt wie auch der Schulgarten nebenan für den Unterricht, der zwischen der Lindenallee Richtung Zarnekow und der B109 gelegen war.
Die Schulklassen durften einmal im Monat den Schlosspark besuchen, erzählte August Müller, mussten sich aber auf den da noch gut gepflegten Wegen bewegen, herumtollen auf der Wiese war strengstens untersagt und wurde vom Lehrer entsprechend geahndet. Der Lehrer Krull, der alle Klassen unterrichtete, erklärte ihnen alles, was es im Park zu sehen gab. Interessant waren vor allem die ausländischen Bäume, die die gräfliche Familie von ihren Auslandsreisen mitbrachte.
Die faschistische Ideologie war den Kindern so eingetrichtert worden, dass sie bei Kriegsende gar nicht wussten, was falsch an dem war, was sie bisher gelernt hatten, so geschildert von August Müller. Denn einmal in der Woche wurde in der Schule ein Bildwerfer aufgebaut, um die deutsche Wochenschau zu zeigen. Da hatte sich der letzte Graf – Fritz-Ulrich von Bismarck-Bohlen – weitestgehend aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen.
Darstellung der Schulverhältnisse in der Landgemeinde Karlsburg nach 1945 (Aus Einteilungsregister)
- I. Der Schulverband wird gebildet aus den Ortsteilen Karlsburg, Steinfurth, Zarnekow und Moekow.
Der Schulverband hat 2 ständige verheiratete Lehrer.
Es sind 2 Schulgebäude vorhanden, Karlsburg und Zarnekow.
- II. Das Schulgebäude in Karlsburg ist erbaut im Jahre 1911, das in Zarnekow ist im Jahre 1930 erbaut.
Es besteht aus einer Wohnung für den verheirateten Lehrer, Schulküche mit Werkraum und Lehrmittelraum. 1 Klassenzimmer, in welchem insgesamt 60 Kinder und 1 Klassenzimmer, in welchem 54 Kinder unterrichtet werden können. Der Schulräume sind je 54 qm groß.
Schulbänke sind für 60 sowie 46 Kinder vorhanden.
An sonstigen Räumen bzw. Gebäuden sind vorhanden: 1 Stallgebäude mit eingebauten Aborten.
Der Bauzustand der Gebäude ist gut.
III. Das Schulgrundstück in Karlsburg ist Eigentum des Grafen von Bismarck-Bohlen (siehe Auseinandersetzungsvertrag)
Das Schulgrundstück in Zarnekow gehört der Landgemeinde Karlsburg und ist 0,4402 ha groß.
Annerose K. kam mit Mann und zwei Kindern 1960 nach Karlsburg. Der erste Eindruck von ihrem neuen Zuhause war denkbar schlecht, nur Schlamm, Gänse und Kühe auf der Straße, vor denen die Mädchen Angst hatten, wenn sie aus der Schule kamen. Vor dem Schloss lief die Jauche aus dem Kuhstall auf den Weg. Die Kinder waren furchtbar enttäuscht, dass ihr Vater, der als Buchhalter im Institut Arbeit angenommen, sie in eine so verlassene Gegend geschleppt hatte, und ihre Mutter ebenfalls. Viel geweint haben sie damals.
Annerose K. war leidenschaftliche Volkskorrespondentin und hat regelmäßig für verschiedene Zeitungen geschrieben. Über ihre Anfänge als Lehrerin berichtet sie in folgendem Beitrag:
Zu der Zeit waren die Schulräume auf vier Standorte verteilt: in Karlsburg einer,
am Bahnhof zwei, in Zarnekow drei und in Steinfurth ebenfalls einer.
Frau K. unterrichtete zunächst in den ersten drei Klassen der Unterstufe. Anfangs waren sogar noch zwei Altersstufen in einer Klasse. Außer in Steinfurth musste sie überall und alles außer Sport unterrichten. Also fuhr sie mit dem Fahrrad zwischen den Dörfern hin und her. Und die Schüler und Schülerinnen wanderten mit. Sport war z. B. an der einen Stelle und Biologie in einem mindestens einen Kilometer entfernten Raum. Anfang der 60er Jahre kamen auch mehrere Junglehrerinnen hinzu. Das brachte frischen Wind in den Schulalltag, erinnert sie sich.
Nach einem Fernstudium, welches sie von 1952 bis 1958 absolvierte, konnte Annerose K. als Lehrerin bis zur 4. Klasse Unterricht geben. Von 1962 bis 1966 schloss sie dann noch ein Fernstudium in Güstrow ab, was sie berechtigte, bis zur 10. Klasse zu unterrichten. Deutsch war ihre große Leidenschaft, sie schrieb gern, ihr Berufswunsch von Kindheit an war jedoch Schauspielerin zu werden. So sprach sie mit 14 am Theater vor, wurde aber als zu jung befunden, um ihr Talent abschließend beurteilen zu können. Dann kam der Krieg dazwischen, der solche Wünsche unmöglich machte. Und Geduld, sagt sie, war nie ihre Stärke.
Im August 1969 wurde dann in Karlsburg der Grundstein für die sogenannte Polytechnische Oberschule gelegt, die für Schülerinnen und Lehrer den Alltag sehr erleichterte.
Zunächst wohnte die Familie in einem größeren Haus östlich der B109. Nach der Scheidung 1968 hätte sie das Haus allein mit drei Kindern nicht halten können. Der Institutsdirektor, Prof. Bibergeil, wollte unbedingt dieses Haus kaufen. Unter der Bedingung, dass sie ein Haus bauen darf, willigte sie in den Verkauf ein. Mit einer Mietwohnung, mit der man sie zunächst abspeisen wollte, gab sie sich nicht zufrieden. Um 1970 begann sie mit dem Bau und zwei Jahre später konnte sie ihre „Villa“ beziehen.
Man stelle sich das Bauen in der DDR nicht so einfach vor; und noch dazu auf sich allein gestellt. An allen Ecken und Enden fehlte es an Material und Arbeitskräften. Die Ziegel z. B. erhielt sie aus dem Abriss von zwei Bahnwärterhäuschen aus der Umgebung. Ihr Anteil daran und der der älteren Töchter war das Abklopfen der Ziegelsteine, an denen noch der Mörtel klebte, und das Aufräumen des Geländes danach. Denn nur unter der Bedingung, dass sie die Abrissstelle der Bahnwärterhäuschen frei von Schutt und aufgeräumt hinterließ, hatte sie die Erlaubnis bekommen, die Steine abzuholen. Den Transport nach Karlsburg und Materialien, die zu einem Hausbau so nötig sind, wie Dachziegel oder eine Kellertreppe, bekam sie über Beziehungen. Davon hatte sie als Lehrerin reichlich. Holz für die Dachsparren u.ä. überließ ihr der Förster kostenlos. Einiges gab es natürlich auch regulär im Baustoffhandel zu kaufen, wie Fenster oder Türen, wenn auch nicht jederzeit. Das ganze Haus hat damals rund 50 000 Mark gekostet. Allerdings waren die Gehälter auch entsprechend niedrig.
Nachdem sie schon längere Zeit an der Karlsburger Schule gearbeitet hatte, inzwischen auch bis zur 10. Klasse unterrichtete, sollte sie zur Oberlehrerin befördert werden. Durch den Einspruch der damaligen Parteisekretärin wurde daraus jedoch nichts: Frau K. war einige Zeit zuvor für drei Tage in der BRD gewesen, um ihre kranke Mutter zu besuchen. Annerose K. war genauso wie so viele, die zu DDR-Zeiten sogenannte Westverwandte besuchten durften, von dem übergroßen Angebot in den Geschäften erschlagen. Auch wie kritisch sich die Leute z. B. auf der Straße über die Verhältnisse äußerten, fand sie erstaunlich. Von diesen Eindrücken muss sie wohl auch im Kollegium erzählt haben. Jedenfalls war die Parteisekretärin der Meinung, wer so über seine Eindrücke vom Klassenfenfeind erzählt, kann nicht Oberlehrerin werden. Erst zu ihrem 60. Geburtstag, mit ihrer Verabschiedung und dem Eintritt in die Rente, wurde ihr vom Kreisschulrat noch der Titel der Oberlehrerin verliehen.
Der Schuldirektor Gätke wurde in den 70er Jahren nach Züssow versetzt. Danach sollte Herr Brauns, der Karlsburger Chronist, Direktor werden, der aber nur unter der Bedingung seine Zustimmung gab, dass Frau K. zu seiner Stellvertreterin ernannt werde. Neben dem Direktor gab es zwei Stellvertreterinnen, eine für außerschulische Arbeit, die Frau K. übernahm, und einen zweiten, der für die Organisation der Lehre zuständig war. Ehrenamtlich war sie Pionierleiterin, Vorsitzende des DFD (Demokratischer Frauenbund Deutschlands) und in der Volkssolidarität, einer nach dem Krieg gegründeten Hilfsorganisation, aktiv. Sie gründete in der Schule Arbeitsgemeinschaften (AG), z. B. eine Theater AG, in der die Schülerinnen und Schüler Märchenstücke einstudierten und diese dann auch z. B. im Steinfurther Kulturhaus aufführten. Da sie gern schrieb, betätigte sie sich auch noch Volkskorrespondentin bei der NDBZ (Neue Deutsche Bauernzeitung), bei der Ostseezeitung u. a. Gazetten. 1986 wurde sie als Siegerin im Wettbewerb der Volkskorrespondenten der Lokalredaktion der Ostseezeitung ausgezeichnet. Sie war Mitglied im Zirkel Schreibender beim Kreiskabinett für Kulturarbeit, dem sie lange angehörte. Mehrere Jahre arbeitete sie auch in der Schiedskommission mit. Man kann sagen, sie hat überall mitgemischt.
Auch nach 1990 brachte sie sich in das Gemeindeleben ein. Sie war in der Gemeindevertretung aktiv, da vor allem im Sozialausschuss. Und auch als Zeitungsleserin meldete sie sich zu den verschiedensten Themen zu Wort. Ob schulisches Geschehen, eine Zeitreise durch die Karlsburger Geschichte, Konzerte im Barocksaal des Karlsburger Schlosses, Ereignisse in der Karlsburger Gemeinde wie das Dorffest, Kunst und Natur, Aktivitäten der Volkssolidarität, Deutschunterricht für Aussiedler: kein Ereignis in der Gemeinde blieb unkommentiert.
Auch Artikel über sie wurden veröffentlicht. So titelte die Ostseezeitung: „Freundlichkeit kostet kein Geld“. Annerose Könning ist zufrieden mit ihrem Leben, doch ein Wunsch bleibt unerfüllt“ oder „‚Unkraut‘ im Garten und Regenwasser für das Klo. Sie mag Salat aus Löwenzahn und ißt Hagebutten pur – Umweltengel Annerose Könning in Karlsburg“.
Nach dem Gemeindeleben in der DDR befragt, fiel Annerose K. zunächst wenig ein. Aber dann zählte sie doch auf: Tanzveranstaltungen in der Karlsburger Gaststätte oder auch im Steinfurther Kulturhaus, der Landfilm kam hin und wieder, auch an Lesungen erinnert sie sich.
Nach 1990 wurde das Gebäude der Polytechnischen Oberschule abgerissen. Die Grundschule befindet sich seither in Züssow, die Realschule sowie das Gymnasium in Gützkow. Einzig eine Kindertagesstätte wurde in Karlsburg neu errichtet. Der alte Kindergarten aus DDR-Zeiten ist heute Gemeindehaus und beherbergt neben Räumlichkeiten der Gemeindevertretung die Bibliothek, ein Fitnessstudio, eine Musikschule, Räume für die Volkssolidarität und für Vereine wie den Zeichen- und Keramikzirkel.