1934 hatte sich Fritz Ulrich von Bismarck-Bohlen ob seiner angespannten wirtschaftlichen Lage entschlossen, seine Groß Jasedower und Steinfurther Ländereien an die Pommersche Siedlungsgesellschaft Stettin zu verkaufen und damit das Fideicomiss, welches seine Urgroßeltern begründet hatten, aufzulösen. Das bedeutete eine enorme Veränderung für das Steinfurther Rittergut.
Bestand das Dorf bis zur Aufsiedlung 1935 neben dem den Ort bestimmendem Ensemble von Kirchenruine und Grabkapelle,
aus wenigen strohgedeckten Katen,
dem Gutshaus, der linke Teil zerfällt leider zunehmend,
einem Gemeindehaus mit vier Wohnungen für Landarbeiter
sowie dem Forsthaus,
so wurden nun von einer Wolgaster Baufirma neue Siedlerstellen, alle in gleicher Art und Güte mit geringen auflockernden Variationen, errichtet.
Im Pommerschen Landesarchiv kann man Unterlagen über die Landvergabe unter dem Stichwort “Kulturamt Greifswald” einsehen, z. B. solche, die die Aufsiedlung Steinfurths und vieler anderer Ortschaften in der Umgebung dokumentieren.
Es findet sich neben der Baubeschreibung einer Siedlungsstelle auch Schilderungen der örtlichen Verhältnisse des Dorfes in Vorbereitung auf die geplante Besiedlung unter dem Titel “Kurze Beschreibung der örtlichen Verhältnisse zum Dorfbebauungsplan von Steinfurth, Kreis Greifswald”, verantwortet vom damaligen Kulturamt Greifswald. Einmal wird der Istzustand beschrieben, zum anderen werden detailliert die Pläne für die vorgesehenen Siedlerstellen und die weitere Entwicklung des Dorfes dargelegt. [LAG Rep 81a 329 Steinfurth]
Zunächst werden die im Dorf lebenden Bewohner genannt, welche im Einteilungsregister vom 5.11.1934 aufgelistet sind.
Vor der Besiedlung gab es in Steinfurth 8 Wohnhäuser mit 15 Wohnungen u. 16 Haushaltungen. 21 Häuser wurden neu gebaut.
- 1 Gutshaus mit 1 Wohnung mit 2 Haushaltungen
- 1 Arbeiterhaus mit 1 Wohnung mit 1 Haushaltung
- 1 Arbeiterhaus mit 2 Wohnungen mit 1 Haushaltung
- 1 Arbeiterhaus mit 2 Wohnungen mit 2 Haushaltungen
- 1 Arbeiterhaus mit 2 Wohnungen mit 2 Haushaltungen
- 1 Arbeiterhaus mit 2 Wohnungen mit 1 Haushaltung
- 1 Försterhaus mit 1 Wohnung Reichsforstverw. mit 1 Wohnung
- 1 Arbeiterhaus mit 4 Wohnungen die Landgem. mit 4 Wohnungen
In Steinfurth wohnhafte Familien:
- Fischer, Hans 3 Pers. Statthalter zieht voraussichtlich zum 1.7.35 fort
- Meyer, Ernst 2 Pers. Deputant, kommt als Siedler nicht in Frage
- Pieritz, Karl 3 Pers. dsgl.
- Hannemann, Karl 3 Pers. beabsichtigt zu siedeln
- Oestreich, Friedrich 2 Pers. kommt ins Gemeindehaus
- Fürst, Wilhelm 2 Pers. dsgl.
- Buggenhagen, Friedrich 1 Pers. bewohnen zus. 1 Wohnung
- Schreiber, Franz 5 Pers. Freiarbeiter zieht voraussichtlich fort
- Ladwig, Hermann 2 Pers. zieht zum 1.5.35 fort
- Albustin, Erwin 8 Pers. zieht voraussichtlich fort
- Schmidt, Ernst 4 Pers. dsgl.
- Riek, Ernst 5 Pers. zieht voraussichtlich zum 1.4.35 fort
- Rüberg, Friedrich 2 Pers. Rentner Ortsarmer
- Grösch, Johann 2 Pers.
- Podeswa, Paul 6 Pers. Vorschnitter wird wahrscheinlich Siedler
- Albustin, Erich 1 Pers. lediger Knecht 15 Jahre alt
- Verwalterhaus (früher Försterei)
Das Siedlungsgebiet liegt im östlichen Teil des Kreises Greifswald, ca. 2 km Landweg östlich der Hauptchaussee Anklam – Greifswald.
Die Verkehrs- und Absatzlage ist mittelgut. Die nächste Stadt Anklam ist 14 km, die Kreisstadt Greifswald 23 km, wovon 2 km auf einen Landweg entfallen, vom Objekt entfernt. Der Bahnhof Karlsburg an der Strecke Züssow – Wolgast liegt 3 km vom Objekt entfernt.
Die Schule für das Siedlungsgebiet befindet sich in Karlsburg. Sie ist einklassig, fasst etwa 60 Kinder und wird zurzeit von 32 Kindern besucht.
Die Kirche und Pfarre befinden sich in Zarnekow. Zum Kirchspiel gehören die Kirchengemeinden Karlsburg, Lühmannsdorf und Wrangelsburg.
An öffentlichen Wegen sind vorhanden:
- Die Dorfstrasse
- Der Landweg zum Bahnhof Karlsburg,
- Der Landweg durch die Karlsburg’er Forst zur Hauptchaussee Anklam – Greifswald
- Der Landweg nach Wahlendow,
- Der Landweg nach Buddenhagen,
- Der Landweg nach Giesekenhagen,
- Der Landweg von der Hauptchaussee Anklam – Greifswald abzweigend nach Giesekenhagen.
- Bodenverhältnisse: Das Ackerland ist meist eben und gehört der IV. bis VII. Bodenklasse an.
- Die Wiesen und Weiden sind nur mittelmässig, jedoch verbesserungsfähig. Das Verhältnis Grünland : Ackerland ist etwa 1:10.
Vorhandene Gebäude: Die Gebäude sind meist sehr alt und befinden sich mit wenigen Ausnahmen in einem sehr mässigen Bauzustande.
Baugrund: Der Baugrund für die Neubaustellen ist gut.
Wasserverhältnisse: Die Wasserverhältnisse sind günstig. Trinkwasser ist in etwa 10 bis 20 m Tiefe aufzufinden.
Aufteilung: Im Hinblick darauf, dass der Gutshof in der Südostecke des Siedlungsgebiets liegt, weiter im Norden und Süden hart an das alte Dorf ein umfangreiches Niederungsmoor grenzt, war eine unmittelbare Dorferweiterung nur nach Osten und Westen hin möglich. Unter den vorliegenden Verhältnissen musste somit für einen Teil der neu zu begründeten Bauernstellen ein neuer Ortsteil gebildet werden.
Mit Rücksicht auf die Verkehrslage, die Lage der Schule und die Geländeverhältnisse kam hierfür nur der Landweg zum Bahnhof Karlsburg als zweckentsprechende Aufbaustrasse in Frage.
Der neue Ortsteil beginnt etwa 200 m westlich des alten Dorfes. Er ist rund 550 m lang und liegt zu den bisher sehr entfernten Aussenschägen äusserst vorteilhaft. Hierbei konnte auch der Wirtschaftlichkeit der neuen Bauernhöfe in erhöhtem Masse Rechnung getragen werden. Ausserdem werden günstige Bauernhofstellen geschaffen, die trotz der weiträumigen Anlage in einem Jahrzehnt sicher den Eindruck eines geschlossenen Ortsteiles geben werden.
In Aussicht genommen ist die Begründung von 29 Stellen und zwar:
1 Grossbauerstelle 1 Bauernstelle 25 Bauernstellen 2 Handwerkerstellen Ausserdem ist am künftigen Gemeindehaus die Anlage eines Dorfplatzes geplant.
Von den Stellen werden 8 unter Verwendung der vorhandenen Gebäude hergestellt und für 21 Stellen werden sämtliche Gebäude neu errichtet.
Grösse des Siedlungsgebietes: Das Siedlungsgebiet setzt sich aus Teilen der Güter Steinfurth und Karlsburg zusammen und ist 659,9325 ha gross.
An Kulturarten sind vorhanden
- Acker 554,92 ha,
- Wiese 46,63 ” ,
- Koppel 10,78 ” ,
- Holzung 8,65 ” ,
- Ödland 13,94 ” ,
- Wasserstücke 0,82 ” ,
- Bruch 2,02 ” ,
- Hofraum und Garten 5,66 ” ,
- Wege 16,5125 ha
- zusammen: 659,9325 ha.
Art der Aufteilung des Siedlungsgebietes:
Die grundlegenden Gesichtspunkte der Plangestaltung sind entsprechend den mit Herrn Kreisobmann Mau – Dambeck getroffenen Vereinbarungen auf Grund des Planprüfungstermines vom 12. März 1935 wie folgt festgelegt worden:
- Stelle VII erhält ein Leutehaus als Wohnhaus,
- Stelle VIII wird Stellmacherei und erhält ein Leutehaus als Wohnhaus und Werkstatt,
- Stelle IX erhält ein Leutehaus als Wohnhaus,
- Stelle XV erhält 2/5 eines Viehstalles als Wirtschaftsgebäude,
- Stelle XVI erhält 3/5 des Gutshauses als Wohnhaus, 1/2 des Wirtschaftshauses als Leutehaus sowie Futterküche und einen Pferdestall mit Kornboden als Wirtschaftsgebäude, (Gutshaushälfte und Stall Ruine)
- Stelle XVII erhält ½ des Wirtschaftsgebäudes als Wohnhaus und 3/5 einer Scheune als Wirtschaftsgebäude,
- Stelle XVIII erhält 2/5 des Gutshauses als Wohnhaus und die Wagenremise als Stall,
- Stelle XIX und erhält 2/5 eines Viehstalles als Wirtschaftsgebäude,
- Die Landgemeinde Karlsburg erhält ein gutes Vierfamilienhaus sowie 3 Stallgebäude.
- Zur Unterbringung der Gutsarbeiter, die nicht angesiedelt werden können, stehen 2 alte Leutehäuser zur Verfügung. Es werden somit sämtliche vorhandenen Gebäude bei der Besiedlung verwendet.
Für 21 Stellen sind neue Gebäude zu errichten.
Wohnhaus und Stall werden unter einem Dach errichtet. Die Ausführung wird massiv und Zementfalzziegeldach. In der Bauart herrscht Abwechslung in den einzelnen Typen.
Der Wohnungsteil hat folgende Räume: 1 Flur mit Treppe, 1 Küche, 2 Stuben, 1 Futterküche, 1 Giebelstube, ausserdem ausreichenden Keller Schüttboden und Räucherkammer.
Im Stallteil ist Raum vorhanden für: 2 Pferde, 6 Stück Großvieh, 3 Schweinebuchten, Futterplatz, Hühnerstall und Abort.
Im Dachgeschoss Futterboden. Die Stalleinrichtung wird ausgeführt, eine Jauchegrube wird angelegt.
Scheune. Diese wird aus Holzfachwerk mit Bretterverkleidung hergestellt. Das Dach wird mit Zementfalzziegel eingedeckt.
Trinkwasserversorgung: Die Stellen sollen eigene Brunnen erhalten. Trinkwasser wird in etwa 10 bis 20 m Tiefe aufzufinden sein.
Elektronetz: Es ist beabsichtigt, die Siedlung an das Elektronetz anzuschliessen.
Finanzierungsplan und Rentenbemessung: Beim Ankauf des Gutes Steinfurth ist die Rente für eine 15 ha grosse Stelle unter Zugrundelegung eines Zins- und Tilgungssatzes von 4,5 v. H. auf 12,00 RM je ¼ ha landwirtschaftlicher Nutzfläche festgesetzt worden.
Nach den Absichten der Pommerschen Landgesellschaft sollen zur Sicherstellung der Siedler verschiedene Maßnahmen getroffen werden, die beim Ankauf des Gutes nicht berücksichtigt sind. Es handelt sich um folgende Mehraufwendungen, die gegen den vorläufigen Finanzierungsplan zur Durchführung kommen sollen:
- Die Vorflutregelung innerhalb der Pläne Nr. 215 bis 217 mit einem Kostenaufwande von 2000,– RM,
- Der Umbruch und die Neuansaat der Dorfkoppel in eine Größe von rd. 10 ha, mit einem Kostenaufwande von 2500,– RM,
- Die Vorratsdüngung der stark verhungerten Wiesenflächen in eine Grösse von rd. 43 ha mit einem Kostenaufwande von 1870,– RM,
- Der Ausbau und die Pflasterung der Aufbaustrasse sowie des Zufahrtweges zum Bahnhof Karlsburg in einer Länge von rd. 3,0 km, mit einem Kostenaufwande von 45000,– RM,
- Die Herstellung eines Wildgatters in einer Länge von 1,5 km, mit einem Kostenaufwande von 2000,– RM,
Bodenverbesserungen: Von den im Gebiet der Wassergenossenschaft Karlsburg liegenden Grünländereinen soll eine Fläche, die unter Nässe leidet, durch Ergänzung der Vorflut verbessert werden.
Die gleichfalls im Genossenschaftsgebiet liegende Dorfkoppel befindet sich in einem sehr mangelhaften Kulturzustand. Sie soll deshalb umgebrochen und neu angesät werden. Es handelt sich um eine Fläche von rund 10 ha. Weiter sollen sämtliche Wiesenflächen, die stark verhungert sind, eine Vorratsdüngung erhalten.
Die versumpften Feldwiesen innerhalb der Pläne Nr. 215 bis 217 werden durch Regulierung der Vorflut verbessert.
Der sogenannte „Sack“, ein Ackerstück an der Westgrenze der Steinfurther Forst, – Pläne Nr. 114 bis 161 – leidet sehr stark unter Rot- und Schwarzwildschaden. Um diesen Übelstand, der für die Siedler eine dauernde wirtschaftliche Schädigung bedeutet und zu grossen Unzuträglichkeiten führen kann, zu mildern, war es dringend erforderlich, die daselbst vorspringende Waldnase von der Forst abzutrennen und dem Siedlungsgebiet zuzuschlagen. Der erforderliche Tausch mit dem Deutschen Reich, vertreten durch den Herrn stellvertretenden Kommissar für die Osthilfe – Landstelle Stettin -, ist bereits durchgeführt.
Zur Verminderung des Wildschadens ist ferner der Abtrieb der eingetauschten Holzflächen erforderlich. Diese sind nur schwach mit Buchen bestanden. Es handelt sich um einen lehmigen Sandboden, der sich als Ackerland eignet.
Weiter ist die Errichtung eines Wildgatters vorlängs des in Frage kommenden Ackerstückes vorgesehen. Es kommt die Strecke von rund 1500 m in Frage.
Wegeverbesserungen: Der Landweg vom Bahnhof Karlsburg über Steinfurth nach Wahlendow befindet sich in einem sehr mässigen Zustande. Die Befestigung dieses Weges wird allseitig für erforderlich gehalten, da er die Lebensader für das neue Bauerndorf ist. Auf ausdrücklichen Wunsch der Kreisbauernschaft soll dieser Weg im Anschluss an den bahneigenen Schlackenweg am Bahnhof Karlsburg bis zum Hof der Stelle XII, also in einer Länge von rund 3,0 bis 3,5 , breit gepflastert werden. Nach erfolgtem Ausbau soll der Weg im Einvernehmen mit dem Herrn Landrat als Straße II. Ordnung vom Kreis unterhalten werden.
Gemeinwirtschaftliche Anlagen: a) Ausstattung sind für die Gemeinde Karlsburg vorgesehen:
- Der Ackerplan Nr. 139 in einer ungefähren Größe von 1,50 ha,
- Der Ackerplan Nr. 199 in einer ungefähren Größe von 0,75 ha,
- Der Ackerplan Nr. 200 in einer ungefähren Größe von 2,50 ha,
- Holzungsplan Nr. 226 in einer ungefähren Größe von 0,75 ha,
- Der Ackerplan Nr. 263 als Nutzungsland für die Bewohner des Gemeindehauses in einer ungefähren Größe von 0,60 ha,
- Der Plan Nr. 265 einschließlich des aufstehenden sogenannten Klosters, das als Gemeindehaus verwendet werden soll in einer ungefähren Größe von 0.39 ha,
- Der Ackerplan Nr. 273 in einer ungefähren Größe von 1,00 h zusammen: 11,59 ha.
b) An gemeinwirtschaftlichen Anlagen sind vorgesehen:
1.) der Plan Nr. 87 als Bullenhaltung, 2.) der Plan Nr. 140 als Sportplatz, 3.) der Plan Nr. 159 als Eberhaltung, 4.) der Plan Nr. 160 als Lehmgrube, 5.) der Plan Nr. 164 als Bullenhaltung, 6.) der Plan Nr. 198 als Sandgrube, 7.) der Plan Nr. 208 als Standplatz für das Transformatorenhaus, 8.) der Plan Nr. 264 als Dorfplatz, 9.) der Plan Nr. 266 als Dorfteich.
Als Ausstattung für die evangelische Kirchengemeinde Zarnekow ist der Plan Nr. 165 in einer ungefähren Größe von 0,50 ha als Begräbnisplatz vorgesehen. Ausserdem soll sie den Plan Nr. 66 in einer ungefähren Grösse von 4,25 ha als Hufenerleichterungsfonds erhalten.
Dieser Plan, eine weitere Begräbnisstätte zu einzurichten, wurde erst nach 1945 umgesetzt, da der Friedhof um die Kirchenruine herum voll belegt war.
Unten ist die Baubeschreibung der 1935 erbauten Siedlerhäuser mit Scheune eingestellt.
Der Kaufpreis für die Gebäude betrug ca. 10100 RM. Die Nutzflächen, die den einzelnen Höfen zugeordnet waren, bewegten sich zwischen 6 und 23 Hektar. Am wenigsten Land hatten die Handwerkerstellen, die größte Nutzfläche der Großbauer. Die meisten der Siedler besaßen zwischen 13 – 16 ha Land. Der Landpreis lag zwischen 10000 und 20000 RM.
3/5 des alten Gutshauses bekam der Besitzer des Resthofes. Als Resthof wurde die nach der Aufteilung übrig gebliebene landwirtschaftliche Fläche bezeichnet, die sich nicht nochmals teilen ließ oder wo die notwendigen Gebäude sich nicht ohne weiteres einfügen ließen. Er war in der Regel größer als die anderen Höfe. In Steinfurth gehörte dieser dem Großbauern Willi Fink, die andere Seite einem Mann namens Schulz, einem ehemaligen Gutsarbeiter des gräflichen Gutes, der später eine Tochter aus der Siedlerfamilie Schulz heiratete. Auch das Wirtschaftsgebäude daneben wurde geteilt: die vordere Hälfte gehörte Fink, die hintere Hälfte Beckmann. Auch Hahn und Möller waren ehemalige Gutsangestellte, die schon vorher in Steinfurth gewohnt hatten.
August Müller und seine Familie kam Ende des Jahres 1935 mit drei Söhnen aus der Gegend um Wolfsburg und Braunschweig nach Steinfurth. Der Großvater väterlicherseits besaß dort eine Tischlerei mit 16 Morgen, die er dem Ältesten, August Müller, vererbte. Da sie mehrere Geschwister waren, beschlossen sie, den Besitz zu verkaufen und das Geld untereinander aufzuteilen.
Es wurde damals im hannoverschen Raum Reklame dafür gemacht, dass man in Pommern ohne Startkapital siedeln könne. Später dann, das weisen die Unterlagen über die Steinfurther Siedlungsangelegenheiten aus, musste für die jeweiligen Hofstellen sowie für das Land ein Kredit aufgenommen werden. Da der Anteil des Erbes bescheiden war, auch einiges für den Umzug draufging, standen ihnen am Ende noch 500 Mark zur Verfügung.
So kamen die Interessenten mit einem Bus, der von den Behörden zur Verfügung gestellt worden war, nach Pommern. Sie wurden durch die Ortschaften gefahren, bis sich alle einen Hof ausgesucht hatten. Auch Kredite wurden bewilligt, damit die Landwirte die Wirtschaft in Betrieb nehmen konnten. Die in Steinfurth errichteten Häuser warteten darauf, in Besitz genommen zu werden. Sobald sich ein Siedler für einen Hof entschieden hatte und der Einzugstermin feststand, wurde in die Scheune eine Ladung mit Stroh und eine mit Heu vom Karlsburger Gut angefahren.
Der Vaddermann, wie August Müller seinen Vater liebevoll nennt, bestellte einen Umzugswagen mit Anhänger, auf dem neben dem Hausrat auch die landwirtschaftlichen Geräte Platz fanden, die zur Bearbeitung des großväterlichen Besitzes schon vorhanden waren. So musste man in Steinfurth nicht ganz von vorn anfangen.
Im Dezember machte die Familie sich morgens zeitig auf den Weg. Sie wollten bei Tageslicht ihr neues Zuhause in Besitz nehmen. Aber aufkommender Schneefall verhinderte, dass sie die Brücke über der Elbe zügig passieren konnten. Erst nach einigen Stunden, nachdem Sand gestreut worden war, konnten sie ihre Fahrt fortsetzen. Als sie fast ihr Ziel erreicht hatten, stellte sich heraus, dass der Lastwagen nicht nach Steinfurth durchfahren konnte, da ein solch schweres Gefährt auf dem unbefestigten Weg Richtung Dorf nicht – ohne Schaden zu nehmen – durchgekommen wäre. Von der damaligen F109 kommend Richtung Steinfurth, passiert man zwischen Kurve und Ortseingang linkerhand ein Wäldchen, dass bei den alten Dorfbewohnern als Küsters Kuhle bekannt war.
Der Name kam vom Besitzer der Felder dort – auch ein Siedler – namens Küster. Der Knüppeldamm von Steinfurth her war damals erst bis zu dieser Stelle mit Feldsteinen ausgebaut und zwar von der gleichen Firma verlegt, die auch die Siedlerhäuser gebaut hatte. Der Umzugswagen musste also am Karlsburger Bahnhof auf die Entladung warten. Die F109, eine Heeresstraße, war mit Granitsteinen gepflastert. An der Grenze zu Anklam war eine Jahreszahl aus Basaltsteinen eingelassen. Obwohl er tausende Mal darüber gefahren ist, kann August Müller sich nicht genau erinnern. 1929 meint er gelesen zu haben.
Der Hof der Müllers war der letzte linkerhand auf der Steinfurther Dorfstraße Richtung Pamitz, gegenüber dem Gehöft von Otto Pahlmann, der 14 Tage vorher mit seiner Familie eingezogen war. Schon erstaunlich, dass die Häuser innerhalb eines halben Jahres hochgezogen worden waren.
Mitten in einer Dezembernacht in Pommern angekommen, musste der Vater zu Fuß in den Ort laufen, um den Milchkutscher Hannemann, der links neben der Kapelle in einem der alten Strohkaten wohnte, aus dem Schlaf zu holen. Dieser würde, so war ihm gesagt worden, mit seinem Milchwagen Kinder, Frau und die nötigsten Utensilien, die für die erste Nacht in der neuen Heimat benötigt wurden, ins Dorf transportieren. Der Nachbar Pahlmann hatte schon Ofen und Küchenherd eingeheizt, sodass die Familie, durch die Reise und das lange Warten durchgefroren, ganz erfreut ihr neues warmes Zuhause in Besitz nehmen konnte.
Am Nachmittag des nächsten Tages hat der Milchkutscher nach seiner eigentlichen Arbeit dann die restlichen Möbel und Gerätschaften geholt.
Im Laufe der Jahre kamen vier weitere Kinder dazu. August war der jüngste der drei Söhne. Er musste für die nachkommenden Geschwister das Kindermädchen spielen, erzählt er augenzwinkernd. Das Steinfurther Wohnhaus war bald zu klein für eine so große Familie. Die Mutter wollte Steinfurth nicht schon wieder verlassen, auch wenn sie nur ins nächste Dorf umziehen sollten: Zieh du alleine, ich bleibe in Steinfurth. Sie hatte zu den Nachbarn, Seffers und Pahlmanns, guten Kontakt und wollte ihn nicht so schnell wieder aufgeben. Der Vater zunächst auch nicht. Aber als er anbauen wollte, wurde sein Antrag abgelehnt mit der Begründung, dass in Kriegszeiten Privatleute keine Baumaterialien bekommen könnten. Kein Mauerstein dürfe privat vermauert werden, bekam er von der Kreisverwaltung Bescheid. Wenn er mehr Wohnraum brauche, müsse er eine Wirtschaft mit einem größeren Wohnhaus übernehmen. Bedingung war, dass alles, d.h. Vieh, Arbeitsgeräte und was sonst auf einen Bauernhof gehörte, zurückgelassen werden musste; “schlicht auf schlicht” wie August Müller das nennt. Nur die persönliche Habe – wie die Möbel – durfte mitgenommen werden. Das war 1941. Die alte Wirtschaft wurde wieder von einem Schulz aus Krebsow besetzt, der ebenfalls kein Geld hatte.
Aus dem Hannoverschen hatte Familie Müller einen Hund mitgebracht, der, da zu Anfang um die Hofstellen keine Zäune gezogen waren, immer in den Wald ausbüchste und wilderte. Als der Förster ihn darauf ansprach und drohte den Hund zu erschießen, meinte der Vater nur: mein Hund macht so etwas nicht. Wenn du meinst, dass das mein Hund ist, musst du ihn erschießen. Kurz darauf teilte ihm Gaider mit, dass der Hund erschossen im Wald liege. Zunächst war danach, wie man sich denken kann, das Verhältnis der beiden Männer ziemlich angespannt, später dann wurden sie beste Freunde. So half August Müller dem Förster, der nach dem Verkauf der gräflichen Steinfurther Ländereien mit dem Steinfurther Wald auf sich allein gestellt war, das geschossene Wild zum Karlsburger Bahnhof zu transportieren, damit es im Wolgaster Schlachthaus weiterverarbeitet werden konnte. Er bekam dafür ab und an Wildfleisch und Holz z.B. für den Bau eines Zaunes. Nach dem Krieg wurde der Förster von den Russen nach Neubrandenburg in ein Lager gebracht. Ihm wurde Wilderei vorgeworfen. Dieses Schicksal hatte er nicht verdient. Er war ein guter Mensch, sagt August Müller.
Ein Jahr später zog Familie Müller mit ihren 7 Kindern nach Pamitz. Von der Kreisbauernschaft in Greifswald waren ihnen dort drei Höfe zur Auswahl angeboten worden: zwei mit 100 Morgen, der Resthof mit 200 Morgen. Der Vater entschied sich für den Resthof, weil mehr Land dazugehörte sowie eine große Feldsteinscheune. Der Umzug lief folgendermaßen ab: es waren auf dem Kleinbünzower Bahnhof Container abgestellt worden. Am Umzugstag musste der Vater die Möbel des Pamitzer Bauern, dessen Hof er übernehmen sollte, zum Bahnhof bringen. Dieser Bauer, der immer in brauner Uniform großkotzig auf dem Motorrad durch die Gegend fuhr, sollte in Polen eine Wirtschaft mit 600 Morgen übernehmen, von dem zuvor die dort ansässigen Polen vertrieben worden waren. Die Schulden, die auf dem Pamitzer Hof lasteten, wurden ihm von den Nationalsozialisten erlassen. Auf dem Pamitzer Hof mussten bei dem Vorbesitzer zwei polnische Arbeitskräfte und zwei französische bzw. belgische Gefangene arbeiten. Die hatte die Familie Müller zu übernehmen.
Die Geschichte der Kriegsgefangenen, die auf den Höfen arbeiten mussten, ist auch ein schlimmes Kapitel deutscher Geschichte. Zum Beispiel war es verboten, dass sie sich während des Essens im gleichen Raum aufhielten wie die Familie oder mit Schuhen bzw. Kleidungsstücken ausgestattet wurden. Die Mutter hat die Gefangenen dennoch in der großen Küche essen lassen. Morgens um sieben Uhr kamen diese aus Pamitz, wo sie in einem Wirtschaftsgebäude, eng zusammengepfercht, schlafen mussten. Um 20 Uhr abends hatten sie spätestens wieder in der Unterkunft zu sein. Gefangene lebten dort nur so viele, wie auf den Bauernhöfen der Umgebung an Arbeitskräften zugeteilt wurden. In der Regel waren dort, wo Polen oder Gefangene arbeiteten, die Bauern in die Armee eingezogen worden.
Während die Gefangenen sogenannte Liebesgaben – Kleidung oder Nahrungsmittel – aus ihren Heimatländern erhielten, bekamen die Polen nichts dergleichen. Sie mussten in Holzkloben laufen. Die Eltern haben für ihre zwei polnischen Arbeiter Stiefel bei einem Greifswalder Schuster machen lassen, weil die schwere Arbeit, die sie auf Feld und Hof leisten mussten, in solch einer Fußbekleidung fast unmöglich war. Dafür wäre der Vater beinahe abgeholt worden, als der Kreisbauernführer die nagelneuen Schuhe bemerkte. Er redete sich damit heraus, dass die Schuhe, für ein Familienmitglied angeschafft, leider nicht passten.
Dann wurde August Müller eingezogen und die Mutter war mit sieben Kindern, vier Ausländern – zwei Franzosen bzw. Belgiern, zwei Polen – und einem Dienstmädchen aus dem Pamitzer Landjahrlager allein auf dem Hof. Allerdings hatte er auch Glück im Unglück. Die Ausbildung als Soldat erhielten er und Hermann Mindermann – ebenfalls ein Steinfurther Siedler – in Kiel. Sie sollten an Flakgeschützen die amerikanische Armee daran hindern, weiter vorzurücken. August Müller war dieser Situation nicht gewachsen. Immer, wenn es ins Gefecht ging, wurde er ohnmächtig und fiel um. Nach einem halben Jahr wurde er ausgemustert und nach Hause geschickt, was für die Familie ein großes Glück war.
Im Mai 1945 kam der fünfzehnjährige Otto von Odessa am Schwarzen Meer aus einer deutschen Kolonie in ein Landjahrlager, wo 50-60 Jungen für die Front ausgebildet wurden. Im April/Mai 1945 sollten sie an die Front nach Norwegen gebracht werden. Sechs der Jungs hatten von dem Pamitzer Landjahrlager für Mädchen gehört und sprangen bei Ankam aus dem Zug. Einer davon war Otto, der bei der Müllerschen Familie Unterschlupf fand und für viele Jahre mit dieser zusammen lebte.
Ende des Krieges hatten sich die Russen in Pamitz im Gutshaus und auch im Karlsburger Schloss einquartiert. Sie zogen über die Dörfer und holten von den Bauern, was sie kriegen konnten. Die Soldaten hatten Hunger. Einmal saß die Familie abends zusammen. Da hörten sie, dass draußen Leute waren. Die Jungs wollten gleich nachsehen. Aber der Vater verbot es ihnen: lasst die Russen die Schweine erschießen. Wenn ihr rausgeht, erschießen sie euch. Die waren immer mit einem Ponywagen unterwegs. Das Vieh wurde dann auf den Wagen gezogen und weg waren sie. In der Zeit wurde auch viel gewildert, obwohl ja alle die Waffen abgeben mussten. Es gab aber immer noch welche, die ihre Schrotflinten versteckt hatten. Eines Tages wurde ein russischer Soldat im Wald gefunden, ein Wilderer hatte ihn wahrscheinlich erschossen.
Die Gefangenen, die auf den Bauernhöfen arbeiten mussten, waren mit Ende des Krieges verschwunden. Die polnischen Zwangsarbeiter organisierten von den Bauern Pferde und Wagen und kehrten damit nach Hause zurück. Allerdings nicht, ohne die Bauern, die sie übel behandelt hatten, vorher zu verprügeln. Dem Züssower Ortsbauernführer, der die Polen besonders drangsaliert und schlecht behandelt hatte – sie mussten immer für ihn Jauche fahren – zahlten sie es heim, indem sie ihm einen Strick um den Bauch banden und ihn immer wieder in die Jauchengrube tauchten, bis er tot war.
Die Schmiede in Steinfurth – für alle Bauern ein wichtiger Anlaufpunkt – wurde von einem älteren Mann namens Spandau betrieben, der bis zur Aufsiedlung noch für das Gut gearbeitet hatte.
Der Bruder von Augusts Mutter war ebenfalls Schmied. Als er eingezogen wurde, kam er nach Peenemünde und war dort als Schmiermaxe eingesetzt. Des öfteren, wenn er Kurzurlaub hatte, kam er zu seiner Schwester nach Steinfurth, weil die Zeit für eine Fahrt nach Hannover zu kurz war. Der Vater nutzte den Schwager gleich aus: Wenn du einmal hier bist, kannst du doch gleich die Pferde beschlagen, die Jungs können den Blasebalg ziehen. Er hat dann die Tochter des Schmieds geheiratet. Die Kinder freuten sich immer, wenn Onkel Walter kam. Er war kräftig, konnte gut anpacken, so dass die Kinder in der Zeit spielen durften. Als der Krieg zu Ende war, saß Onkel Walter eines Tages morgens um 5 Uhr vor der Pamitzer Haustür. Er kam aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft, war zunächst zu seinem Steinfurther Haus gegangen und hatte seine Frau rausgeklingelt. Er merkte aber schnell, dass da ein anderer Mann war und die Frau schwanger. So lief er weiter nach Pamitz zu seiner Schwester. Die Scheidung wurde eingereicht. Die Frau heiratete den Vater des Kindes namens Schulz und der Onkel ging nach Hannover zurück. Hier sei eingefügt, dass die Familien namens Schulz nicht miteinander verwandt waren.
August Müller hatte vier Pferde, die regelmäßig zum Schmied gebracht werden mussten. Damit es schneller ging, musste immer einer der Jungs mitfahren, um den Blasebalg zu bedienen. Bei einem dieser Besuche – das war schon in Pamitz – wollte der dortige Schmied den Vater überreden, doch nachts einmal mitzukommen. Da würden sie mit dem Lastwagen über Land ziehen und die Juden aus den Häusern holen. Der Lastwagen hatte eine Plane, da standen die SA-Leute drauf und drangen in die Wohnungen der Juden ein, prügelten sie auf den Lastwagen und ließen das eine oder andere mitgehen. Die Jungen verstanden nicht, was der Schmied da erzählte und wohin die Menschen gebracht wurden. Mit dem Vater durften sie darüber nicht reden. Der wies den Schmied nur ab mit den Worten: da will ich nix mit zu tun haben, da hab ich keine Zeit für. Die Mutter, als die Kinder ihr das erzählten, warnte sie: darüber dürft ihr nicht reden. Das ist etwas ganz Schlimmes.
Die Kinder mussten viel in der Wirtschaft mithelfen. Der Pamitzer Acker von August Müller grenzte an den Besitz des Großbauern Fink.
Der hat ganz oft mit seinem Nachbarn erzählt und die Jungs mussten derweil die Arbeiten erledigen: Der Alte steht dahinten und quasselt und wir müssen hier arbeiten. Das fanden sie ungerecht.
Die gängigste Art den Acker zu bearbeiten oder Erntegut, Mist usw. zu transportieren, wurde in der Landwirtschaft zur damaligen Zeit immer noch mit Pferdestärken bewerkstelligt. Auf dem Karlsburger Gutshof standen u. a. vier Hengste, die bei Bedarf auch den Bauern als Samenspender für ihre Stuten zur Verfügung standen. Müllers hatten zwei Stuten und so konnten sie auf diese Weise zu dem erwünschten Nachwuchs gelangen.
August Müller berichtete nicht nur über das Leben seiner Familie in Steinfurth, Pamitz und Moeckow, er erinnerte sich auch daran, dass, bevor in den 30er Jahren des 20ten Jahrhunderts in Karlsburg eine Feldbahn angeschafft wurde, auf dem Gut ein großer Dampfpflug existierte. Am Steinfurther Damm und in Karlsburg stand jeweils ein Dampfkessel, der mit Briketts und Holz beheizt wurde. Mit Hilfe von zwei Lokomotiven, Seilwinden und viel Personal wurden Pflug oder Egge über den Acker gezogen.
Die Feldbahn reichte vom Karlsburger Gut bis zum Karolinenhof, war neben dem Schlackedamm verlegt, und auch zur alten Gärtnerei führte ein Schienenstrang. Vom Wirtschaftsgebäude an Schloss und Schafstall vorbei gingen die Schienen entlang der Lindenallee Richtung Zarnekow bis an den Bahnhof heran, sodass die Loren direkt an die dort stehenden Waggons herangefahren und der jeweilige Inhalt verladen werden konnte. Vor dem Bahnübergang querten die Schienen die Straße, waren aber so gut in das Kopfsteinpflaster eingefügt, dass man sie beim Überfahren gar nicht bemerkte. Eine Lok holte die Waggons ab. Die Güterzüge wurden dann in Züssow zusammengestellt. Am Karlsburger Bahnhof war eine Drehscheibe eingelassen, von der aus die Schienen, wie sie gerade gebraucht wurden, verlegt werden konnten. Für das Aufsetzen der Loren waren mehrere Arbeiter angestellt. Es wurde ein Schienenstrang an der Seite des Ackers verlegt, Pferdewagen brachten die Ernte zu den Loren, die ebenfalls von Pferden gezogen wurden, oder auch Dung auf die Felder. Oder, wenn der Schienenstrang an einer Stelle nicht mehr gebraucht wurde, kamen speziell dafür eingestellte Arbeiter und bauten die Schienen ab und an einer anderen Stelle wieder auf.
Die Kinder setzten sich manchmal morgens in die leeren Loren und ließen sich mit Schwung in Richtung Schule rollen, trotzdem es jedes Mal Ärger gab. Denn die Loren wurden ja für die Feldarbeit benötigt.
Die Lindenallee Richtung Steinfurth von der heutigen B109 war ein gut ausgebauter Schlackenweg, der bis zum Karolinenhof führte, wo sich die Schweinezucht des Karlsburger Gutes seit den 30er Jahren mit zwei großen Ställen, einem Wirtschaftsgebäude sowie einem Wohnhaus befand. Die vorherige Schweinezuchtanlage bei der ehemaligen Mühle lag möglicherweise zu abseits.
Diese Straße durften die Steinfurther nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad benutzen, nicht aber mit Pferd und Wagen. Ihnen stand nur der Huckelweg zum Bahnhof zur Verfügung.
Die Felder, die zwischen den Bahnschienen Richtung Lühmannsdorf, Brüssow und Steinfurth lagen, wurden unter den Steinfurther Siedlern aufgeteilt. Nur der Schweinehof blieb beim Karlsburger Gut. Jeder der Siedler hatte ungefähr 2 ha Acker dort, weil die Entfernung zum Dorf so groß war. Der Müllersche Acker befand sich in der Nähe der Schweineställe, dadurch bekamen sie mit, was so auf dem Carolinenhof passierte.
Die Feldbahn wurde nach 1945 nicht mehr benutzt, überwucherte und wurde später abgebaut.
Der Bruder des Moeckower Gutsbesitzers Lagemann war als Inspektor auf dem Karlsburger Gut angestellt. Über diese Verbindung erhielt auch Moeckow eine Feldbahn. Die Schienen kann man heute noch in den Moeckower Häusern als Deckenträger im Keller finden, die nach 1945 im Rahmen der Bodenreform dort gebaut wurden. Die Schienen wurden so verlegt, dass jeweils ein Mauerstein dazwischenpasste. So sollen alle Kellerdecken in Moeckow gearbeitet worden sein – wie auch bei August Müller – die in dieser Zeit entstanden.
1956 baute August Müller mit seiner jungen Familie in Moeckow ein Haus und bekam im Rahmen der Bodenreform Land zugewiesen. Das Moeckower Gutshaus ist nach 1945 abgebrannt. Flüchtlinge haben darin gewohnt. Danach hat der Besitzer des Gutshauses sein Haus dort gebaut. Es war das erste, was nach dem Krieg entstand. In Moeckow wohnten in den 20er Jahren des 20ten Jahrhunderts nur einige Gutsarbeiter in alten Strohkaten, die später abgerissen wurden.
In der Moeckower großen Scheune wurden damals die Loren und die vier Meter langen Schienen über den Winter eingelagert und zu den Arbeiten auf den Feldern, wie man es brauchte, verlegt.
Zu der gräflichen Familie befragt, erzählte August Müller, dass der Graf und seine Familie viel auf Reisen gewesen seien. Der Park hätte deshalb so viele exotische Bäume in seinem Bestand gehabt, weil sie diese von ihren Reisen mitgebracht hätten. Einmal im Monat wanderten die Schulkinder mit Erlaubnis des Grafen unter Aufsicht des Lehrers, der gute Kontakte zum Inspektor hatte, durch den gepflegten Karlsburger Schlosspark, die Wege durften sie aber nicht verlassen. Viele der teils wertvollen Bäume existieren heute leider nicht mehr.
Bei einer gemeinsamen Fahrt durch Steinfurth rekapituliert August Müller nochmals die damals vorhandenen Häuser mit ihren Bewohnerinnen und Bewohnern. Dabei habe ich über mein Dorf noch so einiges erfahren:
Zum Beispiel teilten sich die Siedler in 3 Gruppen: die Gutsarbeiter, die schon in Steinfurth in den alten Strohkaten oder im Gemeindehaus gewohnt hatten. Der alte Möller, der alte Hahn, der alte Schulz, der wiederum eine Schulz geheiratet hat. Die vom Gut hatten einen gewissen Vorrang vor den anderen Interessenten. Dann die Zwölfender: das waren die Siedler, die 12 Jahre in Hitlers Armee gedient und soviel auf der hohen Kante hatten, dass sie ohne Kredite auskamen. Und nicht zuletzt die Siedler, die Kredite aufnehmen mussten, um siedeln zu können.
Hinter dem Hof von Lange war ein Obstgarten für die Steinfurther, von dem heute nichts mehr zu sehen ist. Die Wirtschaft der Müllers ging bis zu dem Weg, der in den Steinfurther Wald und nach Buddenhagen führt. Riesige Grundstücke waren das. Vor der Stellmacherei wurde gern gefeiert, Kinder- und Erntefeste. Der Mann betrieb die Stellmacherei und die Frau die Gastwirtschaft. Es gab des öfteren Freudenfeuer auf der Straße, über die, wenn sie bis auf die Glut abgebrannt waren, die Jugendlichen gesprungen sind. Für die Kinder gab es Lakritz und andere Bonbons in der Gastwirtschaft, die Türen standen immer offen. Man saß im Garten und trank etwas oder spielte Karten.
Geht man am Ende des Dorfes den Weg in Richtung Gutshaus sieht man linkerhand noch Reste der Gutsmauer.
Dahinter steht der ehemalige Kuhstall des Gutes (der vordere Teil wurde LPG-Zeiten angebaut), der zum Besitz des Großbauern Fink gehörte. Der hahnsche Besitz zeigt noch Reste des Schafstalles, der nach dem Krieg abgebrannt ist, auch die Toreinfahrten des Steinfurther Gutes sind noch zu besichtigen. Wo heute das blaue Haus steht, befand sich der Garten für die Bewohner des Gemeindehauses.
Für weitere Informationen und Hinweise, die Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, bei der Lektüre dieses Beitrags in den Sinn kommen, wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Mein Dank gilt August Müller und seiner Tochter Nicole für die wunderbaren Erinnerungen und für die Zeit, die sie sich für das Interview genommen haben.