Das Gesicht der Steinfurther Begräbniskapelle hat sich im 20. Jahrhundert mehrmals verändert.
Betritt man die Kapelle, richtet sich das Hauptaugenmerk der Eintretenden auf den Altar und die Votivtafeln in der Absis.
Dann erst geraten die Fenster in den Blick. Die einschneidende Veränderung, die der Kapelle heute einen ganz anderen, ja freundlichen und lebensbejahenden Charakter verleiht, war der Austausch der Fenster 1907 und 1910, welche von Fritz Ulrichs Schwestern Theda und Paulina gestiftet worden waren zur großen Freude ihres Bruders, dem die dunkel gehaltenen Fenster so gar nicht gefallen wollten.
1907 hatten Theda und ihr Mann die Absis der Steinfurther Kapelle mit den schönen Glasfenstern und Widmung versehen lassen. Die Fenster sind nach Thedas eigenen Angaben gefertigt.
1910 folgten Pauline und ihr Mann dem Beispiele Thedas, indem sie Fritz Ulrich zur Freude die hohen Seitenfenster der Capelle zu Steinfurth, anläßlich ihrer Hochzeit mit bunten Fenstern versehen ließen.
Und vergleichsweise bescheiden haben sich Fritz Ulrich und seine Frau Auguste Victoria mit dem runden Fenster über der Kapellentür verewigt.
Zwei Holzkreuze, welche jeweils neben der Eingangstür angebracht sind, erinnern an die beiden Söhne von Fritz Ulrich u Auguste-Viktoria, geb. Gräfin von Falkenhayn. Theodor Karl August Friedrich, geb. am 11. Februar 1919, gest. am 20. März 1944, war verheiratet mit Barbara Franziska Dorothee von der Marwitz und im zweiten Weltkrieg im Rang eines Majors in Widzibor (Belaruss) umgekommen.
Sein jüngerer Bruder Achaz Albrecht Burchard Karl Jürgen, geb. am 26. September 1920, starb am 30. Oktober 1945 in Prokopjewsk, Sibirien in sowjetischer Gefangenschaft.
Wegen Baufälligkeit veränderte sich auch das Äußere der Kapelle. Ursprünglich befand sich oberhalb des Dachfirstes ein Glockenjoch, erzählt der langjährige Pfarrer Siegfried Barsch (1959-1996). Die Glocke war ursprünglich in einem gemauerten (türmchenartigen?) Gestell angebracht und konnte so frei schwingen.
Mit der Zeit war dieses aber baufällig geworden, sodass man sich eine andere Lösung einfallen lassen musste. Die Glocke wurde unterhalb des Dachfirstes installiert. Allerdings stellte sich im Nachhinein heraus, dass man die raumgreifenden Schwingungen der Glocke nicht bedacht hatte, da sie mehrmals aus dem Gebälk befreit werden musste, wo sie sich bei zu stürmischem Ziehen verhakt hatte. Dazu musste jeweils ein Steinfurther von hinten unterhalb des Kapellendaches durchklettern und die Glocke befreien.
Neben der Kapelle bietet auch der dahinter befindliche Friedhof interessante familiengeschichtliche Details.
1901 trägt Caroline von Malortie in das Hausbuch ein: ergreifend ist der Anblick der letzten Ruhestätten all der Treuen[,] die in 50 Jahren u darüber, der Bismarckschen Familie zur Seite standen u dienten. Die vortreffliche Louise Gessler[,] die als Bonne 1837 zu meinem Bruder Carl kam u 52 Jahre dem inneren Haushalt, in größter Gewissenhaftigkeit vorstand u uns Allen eine treue liebe Freundin war. Neben ihr ruht die treue Hedwig Münster[,] deren Nachruf beweist, wie Fr. Carl, treue Dienst zu schätzen wußte. Er lautet, heute entschlief sanft im 63ten Lebensjahr, die Wirthschafterin Hedwig Münster. Mehr als 44 Jahr hindurch hat sie in unermüdlicher Treue und selbstloser Hingabe, ihres Berufs gewaltet. Sie ist uns eine liebe Freundin gewesen, daran wir auch über das Grab hinaus, stets in Liebe u Dankbarkeit gedenken werden! Sie hat Liebe gesäet, Liebe geerntet u darf nun Oben in Frieden ruhen!“ – Die zwei alten Diener des Hauses[:] Carl Blum[,] der schon als Bursche zu meinem Vater kam, als er noch Lieutnant war[,] und der alte Holst[,] der nach dem Tode seines Herrn 1873, als Castellan in Niederhof walthete, endlich den alten Koch Julius Worpitzky, der sein 60jähriges Jubiläum in Carlsburg feiern konnte, sollen auch hier ehren u erwähnt werden.
Diese treuesten Angestellten, die fast ihr ganzes Leben bei der Herrschaft in Karlsburg oder Niederhof verbracht hatten, wurden dem Wunsch Theodors gemäß, linkerhand an der Längsseite der die Kapelle umgebenden Mauer begraben, wie noch heute die Grabsteine beweisen, deren Inschriften leider im Laufe der Zeit teilweise fast unlesbar geworden sind. Die Inschriften zeigen die tiefe Verbundenheit der Familie zu ihren langjährigen Angestellten.
Louise Gessler war für den inneren Bereich des Hauswesens zuständig. Sie begleitete Caroline und Theodor auch nach Italien und wurde vor allem von Fritz in den Briefen an seine Frau wiederholt als liebe Freundin bezeichnet, deren Gesundheit ihm immer wieder Sorgen bereitet.
Das gleiche gilt für Hedwig Münster, die in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts zu gleicher Zeit wie Louise das Bett hüten musste.
In der Woche vom 20. bis zum 24. September 2021 arbeiteten 15 Jugendliche der Jugendbauhütte Mecklenburg-Vorpommern auf dem Gelände von Kirchenruine und Kapelle. Schon am zweiten Tag wurde der Grabstein von Carl Bluhm gefunden. Er diente als Stütze für den Grabstein von Friedrich Carl von Bismarck-Bohlen. Jetzt wird er wieder in der Reihe der Angestellten seinen Platz finden.
Neben dem Grabstein von Julius Worpitzky, dem langjährigen Koch, steht der seiner Frau Sophie, der leider nur schwer lesbar ist.
Heinrich Holst begleitete Caroline und Theodor ebenfalls nach Italien. Sowohl Louise als auch er erwiesen sich als treue Stützen für das Ehepaar in dieser schweren Zeit.
Vor dem Granitkreuz befinden sich die Grabsteine von Friedrich Carl und von Fritz Ulrich
Die Anlage des Friedhofs hinter der Steinfurther Begräbniskapelle wurde 1894 durch Friedrich Carl veranlasst.
Den Anstoß dazu gab wahrscheinlich der frühe Tod seines Bruders Theodor, der in Semlow bei seinem Schwiegervater Graf Behr am 19. Juli starb, und am 24. Juli provisorisch in der Steinfurther Capelle beigesetzt [wurde], 1894 bis zur Vollendung des neuen Friedhofs, den Friedrich Carl gründete hinter der Capelle, in der Mitte ein herrliches großes Granitkreuz. Die Einweihung des Friedhofs u die Überführung von Theodors Sarg fand statt am 6ten Oktober 1896. (Hausbuch, Eintrag der Caroline von Malortie).
Westlich der Kapelle im hinteren Teil des Friedhofs befinden sich neben dem Grabstein des Enkels Theodor, der seiner Frau Elisabeth, geb. Gräfin Behr-Negendank – Mutter des letzten Gutsherrn in Karlsburg, dem Grafen Fritz Ulrich und der Töchter Theda und Paulina – die Grabsteine von Friedrich Carl und Hans sowie der des Urenkels Fritz Ulrich.
Mit Fritz Ulrich von Bismarck-Bohlen, der sich am 28.04.1945 erschossen hatte, und seinen beiden Söhnen, die im zweiten Weltkrieg geblieben waren, ist die männliche Linie der Bismarck-Bohlen erloschen.
In einem Bericht über die Auffindung des Herrn Grafen Fritz-Ulrich von Bismarck-Bohlen im Schloss Karlsburg am 29.04.1945 von dem praktischen Arzt Richard Deckert, der sich mit seiner Frau zu dem Zeitpunkt im Schloss aufhielt, verfasst, wird die Tragödie vom Freitod des Grafen detailliert beschrieben. Demnach sollte ein Herr Korte die Beerdigung übernehmen. Es wurde beschlossen, Fritz-Ulrich von Bismarck-Bohlen an der Gedenkstelle im Park möglichst unauffällig beizusetzen.
Möglicherweise befand sich diese Gedenkstätte bei einer Baumgruppe, die mit dem Schloss durch eine Sichtachse verbunden war – von den Dorfbewohnern wegen ihrer Form Regenschirm genannt. Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts stand dort ein großes Holzkreuz. 1946 ist er dann umgebettet worden und hat seine letzte Ruhe vor dem Granitkreuz auf dem Steinfurther Kapellenfriedhof gefunden. In die Chronik der Zarnekower Kirchengemeinde trägt im März 1946 Pfarrer Hugo Lembcke ein: 26.II.1946: Die Umbettung des Grafen v. Bismarck-Bohlen aus dem Karlsburger Park zum Steinfurther Friedhof vorbereitet. Mein Vater, Friedhofsinspektor Lembke aus Greifenhagen, wird die Umbettung leiten. Polizeiliche und gesundheitsamtliche Erlaubnis liegt vor. … 10.III.1946 Sonntag. 10 Uhr Gottesdienst in Steinfurth. Anschließend Funeralien [Feierlichkeiten bei einem Begräbnis] am neuen Grabe des Grafen Friedrich Ullrich von Bismarck-Bohlen.
Einige weitere Grabstellen befinden sich im Bereich hinter Kapelle und Granitkreuz.
Jürgen von Bismarck war der Lebensgefährte von Oriana von Bismarck-Bohlen.