Die Angst vor Corona heute war im 19. Jahrhundert die vor der Cholera

Der Ausnahmezustand, in dem wir uns seit über einem Jahr befinden, ängstigt sicher nicht nur mich deshalb so stark, weil immer mehr Mutanten auftreten und die Impfung nur schleppend vorangeht. So ähnlich müssen sich die Menschen im 19. Jahrhundert bei vielen ansteckenden Krankheiten – sei es Tuberkulose oder Cholera – gefühlt haben, deren Lebensverhältnisse sowie das medizinische Wissen und natürlich auch die medizinische Versorgung unvergleichlich schlechter waren als heute.

In Carolines Briefen an ihren Sohn Fritz nehmen Krankheiten aller Art einen großen Raum ein, die eigenen und mit großer Anteilnahme die in ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis. Von Seuchen wie der Cholera, die die Menschen ebenfalls außerordentlich ängstigten und die sowohl in Anklam oder Stralsund aber auch in ganz Preußen bzw. in ganz Deutschland grassierten, ist des öfteren die Rede.

14.11.1848: Hier ist unterdessen, die Cholera u zwar ziemlich ernst aufgetreten: Sonnabend starb der Kuhhirt in Steinfurt daran, u den Sonntag die beiden jüngsten rüstigsten Tagelöhner – natürlich alle mit Hinterlassung von Wittwen u Kindern. Hier erkrankten 3 Frauen daran, die ich mit Erfolg behandelt habe, nach Angabe des Arztes der zum Glück kam, heut ist noch eine krank u einige auf dem Hof was aber wol nicht viel seyn wird, mit Ausnahme einer wo wir das Nervenfieber fürchten. Es ist nur ein gastrisches Fieber. Vater fuhr Sonntag Vormittag sogleich nach Greifswald u brachte einen jungen Arzt mit, den ihm Berndt empfohlen u den er auf einen Monat engagirt hat. Er gefällt mir recht gut, u ich glaube nicht daß er den liquor austrinken wird, wie der vor 17 Jahren es that mit H. Lauter in Compagnie. … Hier ist im Hause alles wohl, drüben liegen 3 Mädchen u 2 Jungen, die Stube der Wirthschaftslehrlinge u die Fremdenstube sind als Lazareth eingerichtet, im Dorf liegen 4 Frauen aber alle in der Besserung. In Steinfurt ebenso. –

10.08.1849: Eine schwere Sorge ist mir auf’s Herz gefallen mit Fritz [ihr erstgeborener Sohn], daß er die Cholera in seiner Schwadron hat! Gewiß geht er hin ihre Kranken zu sehen – mir schadet das nicht, aber für ihn bin ich besorgt u empfehle ihn dringender als je den Schutz des Himmels, das ist ja das Einzige was man in der Abwesenheit thun kann.

06.09.1849: Doch nun will ich Deine Geduld nicht länger auf die Probe setzen, sondern Dir sagen daß wir sehr glücklich hier eintrafen u Carl [ihr jüngster Sohn] hier vorfanden, da in Anklam Cholera u besonders ein sehr bösartiges Scharlachfieber herrschen, so daß Dr Buhtz ihm gerathen lieber hierher zu gehen. Auf wie lange ist noch unbestimmt. … Hier ist der Garten so frisch u hübsch u auch viel Obst darin, nur erlaubt die Nähe der Cholera nicht, daß man es roh genieße, bis jetzt ist aber noch alles gesund.

25.09.1849: In Stralsund haust die Cholera noch immer, u wenn auch nicht viele Opfer fordernd, so sucht sie sie recht empfindlich aus. Da sehe ich heut den Tod des Grafen Ranzow in der Zeitung ein Schwager von Haselbergs, der 1 Wittwe mit einem kleinen Kind hinterläßt, u der der ganzen Familie ein Stütze, der besten Bürger Einer der Stadt war. Da sind die Wege der Vorsehung sehr unerforschlich. – August Bluhm ist auch noch immer sehr krank seit 5 Wochen an einem nervösen Fieber, aber auf der Besserung dem Anschein nach. Die Cholera verbreitet sich auch wieder auf dem Lande, in Pamitz ist ein Mann daran erkrankt aber wieder geworden.

01.09.1850: Die Cholera ist schlimm in Stralsund u sterben viele daran, wir sprechen aber nicht davon in Juliens [Carolines Schwester] Gegenwart u werden auch nicht in die Stadt fahren, was mir sehr angenehm ist.

04.09.1850: Kein Besuch aus Stralsund stört unsere angenehme Vereinigung [in Niederhof] indem dort leider! die Cholera sehr herrscht, u meine Schwester sie etwas fürchtet.

17.10.1855: Wie dem auch sei so ist es hier auch gut wohnen, u wir sehen Euch um so lieber so gut im Winterquartier eingerichtet, als hier in der Nachbarschaft die Cholera spukt u ziemlich böse ist. In Züssow u Salchow. Gott bewahre uns in Gnaden davor! Dagegen ist in Stralsund seit d. 4ten keiner erkrankt, u freut es mich um so mehr, als die liebe Clementine in dieser Woche einziehen wollte u ich darauf hoffe, sie von Niederhof aus zu sehen … Die Majestäten [Königreich Hannover] sind aber so schwächlich gewesen, daß sie doch wol wenig Freude davon gehabt – an der Marschallstraße mit dem Gefolge zu essen – die Königin hat sich gleich nach der Tafel u der König bald nachher zurückgezogen, Alle haben an der Cholera gelitten!! Wenn sie sich nun doch etwas Ruhe gönnten!

Veröffentlicht von

Ursula

30 Jahre meines Lebens verbrachte ich in Leipzig, holte nach Abschluss der 10. Klasse und neben meiner Tätigkeit als Buchhändlerin in der Internationalen Buchhandlung Leipzig das Abitur an der Volkshochschule nach und studierte anschließend Germanistik an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Neun Semester später wurde ich als wissenschaftliche Assistentin in der Literaturwissenschaft der Universität Greifswald mit dem Ziel zu promovieren, eingestellt. Meine Dissertation über den Satiriker des 17. Jahrhunderts, Johann Michael Moscherosch, verteidigte ich 1987. Zu der Zeit arbeitete ich in der Fachbibliothek des Historischen Instituts. Von 1988 bis 1990 lebte ich mit meinem Mann in Vilnius und lehrte als Sprachlektorin an der Universität Vilnius. Nach unserer Rückkehr arbeitete ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Greifswald, ab 1993 dann als Leiterin des Zentralen Prüfungsamtes der Universität Greifswald. Seit einiger Zeit bin ich im Unruhestand und beschäftige mich mit verschiedenen Themen, zunächst mit dem Leben meines Großvaters mütterlicherseits, Franz van Himbergen, nun mit Caroline von Bismarck Bohlen. Aber auch das Leben in der Gemeinde Karlsburg, insbesondere aber das Steinfurther Dorfleben liegt mir in besonderer Weise am Herzen. Aus diesen Gründen habe ich diese Website eröffnet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert