Am 17. September 1817 gaben sich Caroline Gräfin von Bohlen und Theodor von Bismarck nach vielen Irrungen und Wirrungen das Jawort.
Die 160. Wiederkehr von Carolines Geburtstag veranlasste mich schon 2018, zu einer Lesung über Carolines Leben in die Steinfurther Begräbniskapelle einzuladen, musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von Erich Raken.
Der große Anklang aus dem vorherigen Jahr bestärkte uns darin, am 24. Juli 2019 – zu Carolines Geburtstag – wiederum in die Kapelle einzuladen. Dieses Mal stand der romantische Briefwechsel zwischen Caroline und Theodor aus der Verlobungzeit im Mittelpunkt, im Nordkurier charmant angekündigt. Untermalt wurden die Texte mit musikalischen Variationen von Elisa Bartoszewski. Erfüllt von den anrührenden, liebevollen Briefen ließen wir, die Veranstalterinnen und einige der Gäste, den Abend in geselliger Runde ausklingen. Unsere Absicht, diese Veranstaltung einmal im Jahr zu wiederholen, wurde leider durch die Pandemie ausgebremst, aber nicht aufgegeben. Im folgenden kann man diesen Vortrag von 2019 nachlesen:
In der Steinfurther Begräbniskapelle befindet sich über dem Altar eine Tafel, die die Frau ehrt, zu deren Erinnerung die Kapelle errichtet wurde. Folgende Worte sind eingemeißelt:
Im Rückblick auf Ihr Leben beschreibt die 54jährige Caroline in ihrer „Selbstgeschriebene[n] Lebensgeschichte von Caroline erste Gräfin Bismarck-Bohlen“, chronologisch die Geschehnisse vom Kennenlernen bis zur Hochzeit, was für folgenden Beitrag als Gerüst diente, in welches sich der Briefwechsel aus der Brautzeit zwischen Caroline und Theodor nahtlos eingefügen ließ.
Wie Caroline Theodor bei der Großmutter in Stralsund kennengelernt hat, beschreibt sie so:
Da ist denn noch zum Schluß des Jahres die Hauptbegebenheit: die Bekanntschaft von Bismarck. Den 28ten, einen Sonnabend Abend, ward er durch den Lieutnant Bergman bei meiner Großmutter vorgestellt, u gefiel mir recht gut. Vom Sylvester Ball heißt es nur daß er „charmant“ gewesen sei.
Am 01.02.1817 erfährt Caroline von Theodors Werbung. Der Brief war an die Mutter gerichtet, ihrer Tochter später erzählte, dass sie von Stund an ganz verwandelt gewesen sei, so als ob sie geahnt, daß Theodor um ihre Hand angehalten habe.
Anfang Februar musste Theodor als Hauptmann zur Aushebung nach Greifswald, Wolgast, Lassan und Gützkow. Hier beginnt nun ein sehr anrührender und zu Herzen gehender Briefwechsel zwischen Caroline und Theodor zunächst innerhalb Vorpommerns, später dann zwischen Vorpommern und Schlesien.
Wolgast den 4ten Febr. 6 Uhr Abends
So eben mein geliebtes Linchen, erfahre ich, daß morgen Nachmittag die Post nach Stralsund von Greifswald abgehet, und ich werde daher diesen Brief mit Tages Anbruch durch einen Bothen nach Greifswald schicken. Wie unendlich glücklich hat mich heut bey meiner Ankunft ein Brief Ihres verehrten Vaters gemacht, welchen ich hier vorfand. Er willigt zwar noch nicht bestimmt in unser Glück, und behält sich vor, erst die Ankunft und Einwilligung meines Vaters abzuwarten, doch habe ich aus demselben viele und große Hoffnungen geschöpft. Mit diesem meinen Brief zugleich, erhalten Sie wahrscheinlich am Donnerstag die Antwort Ihres Herrn Vaters, und da dieselbe wohl eben das enthalten wird, als die meinige, so theile ich nichts weiter aus derselben mit. So scheinen sich denn endlich alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, die unserem Glück noch entgegen zu stehen schienen. Wird mir es dann aber auch gelingen mein liebes gutes Linchen Sie so glücklich zu machen, als Sie es verdienen? Werden alle Fähigkeiten meiner Seele dazu hinreichen? Doch wozu diese kleinmüthigen Betrachtungen; ich fühle, daß ein treues liebendes Herz Ihnen genügt, ich fühle, daß dieses Herz in meiner Brust schlägt und bin ruhig. Ich habe gestern Abend noch an meinen Vater geschrieben, und ihn noch einmahl dringend gebeten persönlich hier her zu kommen; er wird meinen Bitten gewiß nicht wiederstehen. Den 7ten als Freytag mein liebes theures Linchen gedenken Sie meiner dann bin ich um die Mittagszeit in Carlsburg! Ich strenge alle meine Kräfte an, um einen Tag zu erübrigen, und wenn es mir gelingt, so bin ich den 10ten gegen Mittag bey Ihnen, mein liebes gutes Linchen. Doch ist dies noch nicht ganz gewiß; ängstigen Sie sich also nicht, wenn ich etwa nicht kommen könnte. Wie soll ich die ewig langen Tage bis dahin ertragen! Meine Sehnsucht wird immer stärker! Ich habe heut wieder fast den ganzen Weg mit dem Mantel über den Kopf gemacht, um ungestörter mit meinen Gedanken um Sie mein liebes liebes Linchen zu seyn. Des Abends ist mein einziger Trost Ihnen zu schreiben. Freytag hoffe ich vielleicht einen Brief von Ihnen in Gützkow zu finden; o wenn mich doch meine Hoffnungen nicht täuschten. … Hier ist heut Abend eine Redoute, zu welcher eine Menge Leute vom Lande herein gekommen. Die guten Menschen hier, wollten mich auch durchaus bereden dahin zu kommen, und begriffen gar nicht wie man einem solchen Vergnügen aus dem Wege gehen könnte. Doch was sollte ich dort machen, mit meinem Kummervollen Herzen für welches es keinen Trost jetzt giebt, als Ihnen zu schreiben, und ungestört an Sie theures Linchen denken zu können. Jetzt ist mein Brief, den ich heut früh mit dem Fuhrmann schickte schon in Ihren Händen meine geliebte himmlische Freundin; o wie beneide ich das Papier um das Glück durch Sie berührt zu werden. Es ist jetzt 7 Uhr vorbey, die Spielparthien werden arrangirt, und Sie setzen sich mit Ihrer theuren verehrten Mutter und dem Schutzgeist unserer Liebe Fikeschen um den runden Tisch, und vielleicht ist, wenn niemand fremder zugegen, Ihr armer abwesender Freund der Gegenstand Ihres Gespräches. O mein theures, mein geliebtes Linchen, könnte ich doch nur 5 Minuten dort seyn, nur einmahl meine brennenden Lippen auf Ihre Hand drücken, nur einmahl von Ihnen das Wort ich liebe Dich hören, könnte ich nur einmahl Ihr liebevolles Auge sich fest an des meinigen haften sehen! Dann würde mein Muth wieder etwas wachsen, der mir jetzt fast ganz (zu) entfallen droht. Mann ruft mich zum Essen. Empfehlen Sie mich angelegentlich Ihrer würdigen Frau Großmutter, so wie Ihrer geliebten Frau Mutter, und Fikeschen nicht zu vergessen. Leben Sie wohl mein theures geliebtes Linchen, leben Sie recht wohl, bis in den Tod ihr treuer Theodor.
Der erste Brief von Theodor aus Wolgast, der leider nicht überliefert ist, wird von Caroline am 05.02. beantwortet.
Stralsund d. 5ten Februar
Wie könnte ich, mein liebster Bismark, Ihnen eine Antwort abschlagen, es ist mir nothwendig Ihnen doch einmal meine Gedanken mitzutheilen und besonders Ihnen für Ihren lieben theuren Brief zu danken welcher der erste Bewohner der neuen Brieftasche geworden ist, die ich auch nie aus den Augen verliere. Er hat mich recht glücklich gemacht, es ist ja die einzige Entschädigung für Ihre Gegenwart, ich habe nie so viel im Kalender studiert und nie mit so schlechtem Erfolg; Freytag schien mir schon der 10te zu seyn und es war der 7te. Es scheint mir je länger Sie ausbleiben. Je langsamer geht auch der Schritt der Zeit, sonst entfloh sie mir nur immer zu schnell, und jezt will sie gar nicht vorrücken. So haben Sie mich verändert mein lieber Bismark und doch kann ich Ihnen darum nicht böse seyn, im Gegentheil je mehr ich an Sie denke je lieber sind Sie mir ich kann Ihnen auch nur Rechenschaft von jenen Augenblicken geben wo es nicht geschieht ich möchte Sie fragen ob Sie nicht fühlen wie Sie mir beständig gegenwärtig sind? – Gestern Abend sah ich recht sehnsüchtig die Thüre an und dachte mir so lebhaft wenn mein guter Theodor sie öffnen würde. Wie gern hörte ich nicht Ihre Meinung bey so manchen Gesprächen, die wir diese beyden Tage geführt haben um unsren runden Tisch. … wie Sie mir aber fehlen daß kann ich Ihnen nicht sagen endlich wird ja der 10te kommen, ich bitte Sie geben Sie diesen Plan nicht auf, daß ich Sie morgen entbehre wo ich die Einwilligung meines Vaters bekommen soll ist schon hart genug. Ich bin doch dem Kreishauptmann gut, wenn er Sie zerstreut hat; so spreche ich gegen mein eigenes Interesse, lassen Sie sich aber ein wenig zerstreuen, mir ist bange es schadet Ihrer Gesundheit und Sie kommen krank wieder dann ist es noch schlimmer als wenn Sie bey der Aushebung wären, denken Sie daran daß es doch bestimmt die kürzeste Zeit unseres Lebens ist die wir nicht zusammen zubringen, wir werden schon für diese Trennung entschädigt werden.
… Es schlägt schon acht Uhr ich soll aufhören, die Post geht. Noch eins muß ich Ihnen doch sagen, mein bester Bismark, gerade so wie Sie mich nennen habe ich mich immer am liebsten nennen hören, sehen Sie wol wie Sie mir alles recht machen? – Nun leben Sie so wol wie Ihnen wünscht Ihre Sie herzlich liebende Caroline
Am 14.02.1817 findet die Verlobung der Beiden in Stralsund statt, anschließend kehrt Caroline mit ihrer Mutter nach Karlsburg zurück. Kaum ist Caroline abgereist, schreibt Theodor am gleichen Tag:
Wie langsam mein theures geliebtes Linchen vergeht mir die Zeit, seit ich Sie nicht mehr sehe, wie unerträglich langsam! Kaum sind es 9 Stunden daß Sie von hier abgereiset, und 9 Tage sind mir sonst nicht so lang geworden. Ach wäre nicht die reizende Aussicht auf den Sonabend, wo ich Sie wieder in meine Arme schließen kann mein geliebtes, mein einziges Linchen, ich müßte umkommen. Eine unbeschreibliche Beklommenheit ergreift mich, sobald ich allein und unbeschäftigt bin, und meine einzige Freude ist dann noch an Sie liebes gutes Linchen zu denken, in meiner Phantasie die vergangenen schönen, ach leider sobald entschwundenen Augenblicke noch einmahl durchzuleben, mir die Freude unseres Wiedersehens aus zumahlen, mir zu denken, wo Sie in diesem Augenblicke seyn werden, und die feste Überzeugung in meiner Brust zu haben, daß Sie sich auch nach Ihren zurückgebliebenen Freund sehnen. Sie hatten wohl recht Linchen als Sie letzthin sagten, der Zurückbleibende sey bey einer Trennung am meisten zu beklagen, allein doppelt ist es der allein zurückbleibende, der niemand hat, mit welchem er von dem Gegenstand seiner Sehnsucht sprechen kann. Doppelt zu beklagen bin ich allein hier unter allen den fremden gleichgültigen Menschen, wogegen Sie mein gutes Linchen doch noch Ihre Mutter haben, und in diesem Augenblick die Freude Ihren verehrten geliebten Vater wiederzusehen genießen. O möchte es immer in unserm ganzen Leben so seyn! Möchte immer die größere Hälfte des Kummers, die Sorgen und Schmerzen die uns beyden aufbewahrt seyn dürften, auf mein Theil fallen, der Schmerz würde aufhören Schmerz zu seyn, so bald ich ihn um Ihretwillen, mein geliebtes theures Linchen, meine süße holde Braut, erträge. Möchten alle Schläge des Schicksals, die uns beyden zugedacht sind, nur allein auf mein Haupt fallen, ohne Sie zu treffen, ohne Ihre Ruh zu trüben. – Doch wohin verliehre ich mich, wozu an Unglück, an Sorgen denken, da ich die gewisse Überzeugung habe, daß unsere Liebe und die Übereinstimmung unserer Herzen und Gefühle unser Glück gewiß fest begründen wird, …
Einen Tag nach ihrer Ankunft in Karlsburg, schreibt Caroline:
Um halb 5 Uhr,
gestern Nachmittag sind wir sehr glücklich hier angekommen, und wurden mit offenen Armen empfangen, mein Vater war unendlich gütig, und Ihr Lob aus seinem Munde zu hören, mein liebster Theodor, was konnte ich lieberes hören? Sie werden Sonnabend höchst willkommen seyn, es thut mir schon wol Ihnen aus dem väterlichen Hause zu schreiben, was wird es nicht seyn Sie da zu sehen, ich habe aber die Stuben die Sie betreten haben, darauf angesehen, Sie haben mir zwar nichts von Ihnen erzählt aber Sie haben doch Ihre Stimme gehört, und was das Beste ist, werden sie sehr bald wieder hören. Nehmen Sie es mir nicht übel ich habe mich beinahe gefreut wieder hier zu seyn, den nirgends fühle ich mich so zu Hause wie hier, ich hoffe daß mit der Zeit wir dieses Gefühl theilen werden. Jezt gehen Sie zur Parade! Ich kann mir Sie so lebhaft vorstellen daß es zuweilen ist als hörte ich Ihre Stimme, es scheint mir als wären wir noch in dem Vorzimmer; die Erinnerung ist noch das einzige worin man das Leben fest halten kann, mir entschlüpft die Zeit unter den Händen, und vergeht ich weiß nicht wie?
… Uebermorgen bekomme ich einen Brief von Ihnen, die ersten sind nun aus dem Souvenir heraus und haben schon einen Platz in meinem neuen Bureau. Mein Vater und meine Mutter grüßen Sie, leben Sie recht wol mein bester Bismark, bis Sonnabend leben Sie wol und denken Sie an Ihre Caroline
Vom 22. bis zum 26. Februar besucht Theodor zum ersten Mal Caroline in Karlsburg und Anfang März erfährt sie von der Marschorder für das Regiment nach Schlesien – die Füsiliere (leichte Infanterie), dem Theodor angehört, sollen nach Liegnitz verlegt werden.
Bemerkenswert ist, dass Caroline in den ersten Briefen die distanzierte Anrede „mein bester Bismarck“, Theodor jedoch von Beginn an das intimere “Linchen”, wählt. Im folgenden Brief geht sie nun zu dem vertraulicheren Theodor über:
Mein geliebter, mein guter Theodor, wie glücklich hat mich heute Ihr Brief gemacht, urtheilen Sie selbst was Ihre Gegenwart nicht thun wird; Berghmann, hatte mich gestern sehr erschrocken mit der Nachricht daß das Regiment nach Schlesien sollte, davor blieben meine Gedanken stehen, und ich vergaß meinen guten Grundsatz mich nie über etwas zu ängstigen was nicht da ist. Ihr Brief, der führte mir den holden Zauber des Trostes zu, nun habe ich wieder meinen alten Grundsatz. Könnte ich Ihnen sagen welche Gewalt Sie über mich haben! Wie entzückt ich bin, wenn ich sehe wie Sie mich verstehen, mein geliebter Theodor, und wenn Sie mir von Ihrer Liebe sprechen! Was ich schon weiß, und doch so unendlich gern wieder höre. Der Schöpfer ist sehr gut gegen uns beyde gewesen, glauben Sie mir daß ich das recht innig dankbar anerkenne; die Erde hat mir schon soviel Glück gegeben daß ich gar nicht weiß wie man glücklicher seyn kann als ich es Mittwochen seyn werde – jedesmal daß ich Sie sehe, Ihre lezten Briefe, alles macht Sie mir theurer; ich liebe Sie nicht allein Ihrer Liebe wegen, aber der Art wie Sie mich lieben, wie Sie mich verstehen, ich habe andere Lieben gesehen oder was man so nannte, das stieß mich zurück, da wurde ich Eis, aber Sie! Und Sie mein zu nennen mein geliebter Theodor, Sie begreifen das was ich dabey fühle, besser als ich es Ihnen sagen kann, weil Sie mich kennen.
In der Zeit vom 24. April bis zum 31.Mai zieht das Bataillon durch Carlsburg durch. Theodor bleibt den Mai über bei Caroline. Solange Theodor in Stralsund stationiert ist, sieht sich das Paar ziemlich regelmäßig, er ist 3mal in Karlsburg und vor seiner Abreise nach Schlesien fast 6 Wochen. Sie hält sich in Niederhof bei ihrer Großmutter auf, die ihnen aber das Leben schwer macht, da sie Theodors Versetzung nach Schlesien nicht akzeptieren will und alles versucht die Verbindung der beiden auseinanderzubringen. Auch hatte sie damit gerechnet, dass Theodor aus einem begüterten Elternhaus komme, dem war aber nicht so.
Am 01.06.1817 verläßt Theodor nach seinem 6wöchigem Aufenthalt Karlsburg, um nach Liegnitz zu reisen. Der Brief vom gleichen Tag scheint in Friedland auf dem Weg nach Neubrandenburg geschrieben worden zu sein.
So eben mein geliebtes, mein theures einziges Linchen, bin ich, zwar gesund am Körper, doch zerschlagen und gebeugt von dem Schmerz der Trennung von dem, was mir das theuerste und liebste auf der Welt ist, hier angekommen um zu füttern, welches 1 ½ St. dauert. Meine erste Frage war, wann von Brandenburg die Post abgehe, und ich erfuhr, daß die Briefe nach Anclam noch bis heut Abend 9 Uhr angenommen würden. Voller Freude darüber habe ich mir sogleich Papier und übrige Schreibmaterialien geben lassen, und eile Ihnen nun einige Zeilen zu schreiben, denen ich in Brandenburg noch die Nachricht meiner glücklichen Ankunft daselbst hinzu fügen werde, und dann den Brief sogleich der Post anvertrauen will, könnte ich Ihnen mein liebstes bestes Linchen doch nur einiges … schildern, welche Freude es mir verursacht, wenn ich daran denke, daß Sie vielleicht durch diesen nicht erwarteten Brief eine fröhliche Stunde am Mittwoch haben, wenn der Karl den Nachmittag mit den Briefen kömmt. Zugleich ist es eine ordentliche Beruhigung und Trost für mich, Ihnen zu schreiben, mich doch wenigstens auf diese Weise mit meinem geliebten besten Linchen unterhalten zu können, da mir leider die mündliche Unterhaltung, wo ich Ihr liebes reizendes Gesicht, Ihr liebevolles Auge sehe, die Himmels Musik Ihrer Worte hören kann, auf längere Zeit geraubt ist. Es ist gewiß eine rechte Wohlthat für mich, daß ich mich mit etwas bestimmten beschäftigen kann, denn ich bin bis jetzt in einer Art von Betäubung gewesen, seit ich Sie mein geliebtes Linchen nicht mehr sehe, und ich denke das Schreiben wird meinen Gedanken eine bestimmte Richtung geben. Solange ich das Haus auch sehen konnte, welches das liebste, das beste von der Welt besitzt unter seinem Dache hatte, dies Haus, wo ich durch Sie mein bestes Linchen so viele glückliche, und außer denen der Trennung auch keinen trüben Augenblick verlebt hatte. Betrachtete ich es mit stummer Wehmuth, und als der Berg es meinen Augen entzog, da glaubte ich das Herz sollte mir brechen, bis ein wohlthätiger Strom von Thränen meiner beklommen und gepreßten Brust Luft machte. …
Auch Caroline beginnt wenige Stunden nach dem Abschied einen Brief an Theodor:
Noch keine 5 Stunden sind es mein guter geliebter Theodor, daß ich Sie hier aus meinem Fenster verschwinden sah, daß das Liebste, Unersezlichste mich verließ – jeden Augenblick fühle ich Ihre Entfernung, und doch bringt Sie jeder Augenblick weiter, Sie trösten mich nicht mehr, wie wenig bedurfte ich auch des Trostes, so lange Sie da waren! Gestern um diese Zeit gingen wir noch zusammen spazieren, und heute habe ich nichts als die Feder die Ihnen ein Wort von mir bringen kann. Die ersten Worte konnte ich kaum vor Thränen sehen, denn je lebhafter ich an meinen liebsten Theodor denke, je heftiger wird meine Sehnsucht nach Ihnen, Neumarkt beruhigt mich etwas und die 5 Wochen werden wol auch vergehen, wie die glücklichsten vorhergehenden.
Am 01. Juli 1817 reist Caroline mit der Mutter und ihrem ehemaligen Kindermädchen Christine über Strelitz nach Berlin, wo sie die Familie Bismarck kennenlernen u.a. auch die Eltern von Otto von Bismarck, der da gerade mal zwei Jahre alt ist. Dann geht die Fahrt weiter über Frankfurt/Oder nach Lüben, welches sie am 08. Juli erreichen, wo Bismarck ihrer Ankunft schon ungeduldig entgegensieht und sie bis Breslau begleitet – am 12. endlich kommen sie in Neudeck/Schlesien an. Dort werden sie – Mutter und Schwester – von der schwangeren Julie – Gräfin Henckel von Donnersmarck – schon sehnsüchtig erwartet.
Vom 20. Juli bis zum 2. August besucht Theodor Neudeck, um Carolines Geburtstag im Kreise der Familie zu feiern. Nach diesem Wiedersehen steht ihnen allerdings eine längere Trennung bevor. Auch wenn es die letzte vor ihre Hochzeit sein sollte, ist die Ungewissheit für die Beiden, wann die Trauung stattfinden soll, außerordentlich zermürbend und wird in den Briefen immer wieder thematisiert.
D. 10ten August, Morgens früh.
Mein guter geliebter Theodor! wie glücklich haben Sie mich gestern gemacht durch Ihren lieben theuren Brief, unbeschreibliches Vergnügen hat er mir gemacht mein geliebter Theodor das größte was ich in Ihrer Abwesenheit haben kann, das allergrößte. Ich bin ganz eine andere Person den Morgen eines Posttages oder den Nachmittag, wenn ich den lieben ersehnten in meinen Händen halte, und nun wenn ich ihn aufbreche aus jeder Zeile die Liebe meines Theodors sehe, dann bin ich so glücklich wie ich es (trotz) Ihrer Entfernung seyn kann. Mein Gott wie soll das werden mein geliebter Theodor mit unserer Trennung, zuweilen denke ich es kömmt ein günstiger Zufall der sie verkürzt, ich weiß nur nicht welcher, und dann scheint es mir wieder als nähme sie kein Ende, sagen Sie mir irgend ein Mittel sie zu verkürzen? Ich weiß keins, ich hoffe auf den 20ten September aber das ist alles, Ende desselben Monats sind wir nun gewiß wieder vereinigt, mein guter geliebter Theodor und dann für immer um uns nie wieder zu trennen, und die Zeit muß ja doch auch kommen. Sonst vergingen mir 2 Monat so schnell, und jezt däucht mir der August schon reichlich lang. …
Im Garten erhielt ich gestern den lieben lieben Brief und habe ihn die ganze Zeit auf meinem Herzen getragen daß dem geliebten Verfasser doch ganz gehört. Ich habe Ihr Bild betrachtet aber weniger wie die Ähnlichkeit gefunden, das ist nicht mein Theodor der mich so kalt und ernst beinahe möchte ich sagen verdrießlich ansieht, ach Sie leben ganz anders in meiner Einbildungskraft, wenn Sie des Morgens mit meinem Schirm herein kamen, wir uns freuten uns diesen Tag auch zu sehen, dann sahen Sie ganz anders aus. Ich freue mich sehr mit Ihnen zu reisen, das ist ja natürlich daß mir alles angenehmer alles lieber mit Ihnen wird, und gewiß werden wir auch alle Proben ritterlich bestehen. …
So eben lese Ich noch einmal Ihren Brief durch, mein über alles geliebter Theodor, ich kann Ihnen nicht sagen wie ich Ihre Schmerzen theile auch mir ist unsere Trennung noch nie so schwer geworden, aber es ist das leztemal ganz gewiß, und wenn wir uns wiedersehen werde ich Ihnen ganz angehören, dann haben Sie Rechte mich immer zu behalten und wenn kein Unglück geschieht mich nie zu verlassen, ich glaube daß wenn wir erst ein Jahr zusammen gewesen wären, wir uns auch gar nicht mehr trennen könnten; denn jedesmal mein geliebter Theodor, werden Sie mir so unaussprechlich lieber, daß mir jede neue Trennung immer unerträglicher würde.
Und Theodor schreibt:
Den 15ten Morgens ¼ 9 Uhr.
Mein geliebtes, mein theures liebes Linchen, zitternd vor Freude über Ihren lieben guten Brief ergreife ich die Feder, Ihnen meinen Dank dafür zu sagen, ach leider wird es immer nur ein Versuch bleiben, denn so wie mein Herz ihn empfindet, kann keine Feder, kann vielleicht selbst der Mund ihn nicht ausdrücken. Wo soll ich anfangen Ihnen für alles das Liebe und Gute zu danken, was Sie mir schreiben mein geliebtes, mein über alles gutes Linchen! Mit welchem Entzücken habe ich nicht den ganz außerordentlichen vortrefflichen Plan gelesen, uns in Liegnitz, oder wo es ist in aller Stille trauen zu lassen. Auch ich hatte schon früher daran gedacht, doch nicht gewagt, es Ihnen mitzutheilen, weil ich befürchtete, daß er Ihnen nicht angenehm seyn würde, und Sie doch aus Liebe zu mir darin einwilligen möchten. Mir scheint dem Plan fehlt nichts an seiner Vollkommenheit, als die Ausführung, die leider noch so entfernt von uns ist. In Neudek unsere Verbindung zu feyern wäre wie wir beyde recht einstimmig urtheilten höchst unangenehm, und nach meinem Gefühl fast unmöglich, und die Unannehmlichkeiten in Carlsburg sind ebenfalls gewaltig. Dieser halb ist der neue Plan auf jeden Fall der aller beste. ….
5 Uhr Nachmittag. Es geht mir mein geliebtes bestes Linchen, wie einem der lange in tiefer Finsterniß gewesen, und plötzlich an das Tageslicht tritt. So wie jener geblendet durch den Glanz die ihn umgebende schöne Natur nicht deutlich erkennen und sehen kann, so kann auch ich überrascht, entzückt von dem Gedanken in 5 Wochen vielleicht schon Sie als meine liebe, meine über alles theure Frau in meine Arme zu schließen, mich noch gar nicht recht finden. In 5 Wochen Linchen Sie meine Frau! durch die heiligste unaußlöschlichste Gnade für ewig mit Ihnen verbunden! Mich nie wieder von Ihnen zu trennen! Ach es mag wohl recht gut seyn, daß ich mir das Glück gar nicht so recht vollkommen vorstellen, nicht ganz so wie es ist ausmahlen kann, sonst möchte ich wohl meinen jetzigen Zustand gar nicht ertragen können. 8 Uhr Abends. Je öfter ich Ihren lieben Brief durchlese mein allerbestes Linchen, je mehr Merkmahle Ihrer Liebe finde ich, und je größer und unaussprechlicher wird meine Sehnsucht nach der geliebten Verfasserin. Wie beneide ich dieses Papier, um die schöne Stelle an Ihrem Herzen, an diesem lieben, reinen, treuen Herzen, welches mein größter Schatz, mein einziger Stolz ist. Ich fühle mich gehoben, ich bin stolz, von einem Wesen geliebt zu seyn, was so über alles vortrefflich ist. Seyn Sie versichert, daß jeder Augenblick meines Daseyns dem Bestreben geweiht seyn wird, mich dieser Liebe würdig zu machen, von Ihnen zu lernen, wie man gut seyn soll, obgleich es mir nie gelingen wird Sie zu erreichen, mein geliebtes, mein einziges Linchen. Gewiß werden uns die Schwierigkeiten und Hindernisse mancherley Art, die wir bis jetzt gehabt haben, und uns vielleicht noch drohen auf unser künftiges Leben zu gut gerechnet werden. Um Ihrentwillen dächte ich müßte es uns gut gehen, mein liebes, himmlisches Linchen. Und hätten wir auch vielleicht in der Folge mit Wiederwärtigkeiten zu kämpfen, so tragen wir einen Schatz in unserer Brust, den uns keine Macht der Welt entreißen kann, und das uns alles leichter tragen lassen wird. Was gäbe es wohl für Ungemach auf der Erde, worüber eine Liebe wie wir sie fühlen nicht trösten könnte …
Um 6 Uhr morgen früh muß ich schon wieder zum Scheibenschießen gehen, und deshalb meinen Brief schon heut Abend siegeln. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Mutter und Frau Schwester. Ich möchte fast sagen, ich fühlte es, daß Ihre Gedanken in diesem Augenblick (9 Uhr) bey mir sind. Warum kann ich nicht nur eine viertel Stunde daseyn, wo die wenigen fortwährend sind? Nur einen Kuß, nur einmahl die liebe, liebe Hand an mein Herz gedrückt, dann wollte ich ruhig wieder gehen. Ich muß abbrechen von diesen Spielen meiner Einbildungskraft. Leben Sie wohl mein allerbestes, liebsten Linchen. Vielleicht morgen über 5 Wochen, dann trägt die Erde keinen glücklicheren als Ihren treuen Theodor.
Unmut entsteht bei Carolines Vater darüber, dass Henckel, der Schwiegersohn, die Hochzeit der Beiden in Neudeck ausrichten will. Dagegen sind nicht nur die Eltern, sondern auch das Brautpaar. Verschiedene Orte werden ins Auge gefasst: Frankfurt an der Oder, Berlin, Liegnitz usw. Favorit des Brautpaares wäre Karlsburg. Aber dann müsste man nochmals die beschwerliche Reise unternehmen: nach Karlsburg und zurück nach Liegnitz.
Die Geburt von Julies Sohn am 23. August macht den Zeitpunkt der Hochzeit noch ungewisser, da die Mutter ihre Tochter erst verlassen will, wenn sie sich vollständig von der Entbindung erholt hat.
Da ein Termin für die Hochzeit nicht feststeht, treten auch bei Theodor immer wieder Zweifel auf, ob er so spontan überhaupt Urlaub bekommt.
Immerhin trifft am 7. September das Schreiben ein, was ihm seitens seiner Vorgesetzten noch fehlt:
Brigade Befehl:
… dem Hauptmann vBismarck ist der Consens zu seiner Verheirathung mit der Gräfin Caroline von Bohlen ertheilt. Gez. vKrafft.
Neudeck d 2. 7ber 1817 Morgens.
Gestern Abend machte ich wieder einen langen Spaziergang, was wäre der Abend schön gewesen wäre ich mit Ihnen, mein geliebter Theodor, gegangen, so lebhaft dachte ich an Sie, wie wir auch den Weg zusammen gingen, wie Sie Ihrerseits vielleicht auch ganz einsam in L(iegnitz) wären, und bedauerte die schöne Jahreszeit die zusammen verlebt einen so großen Reiz für uns hätte, es nun so gar keinen Werth für uns hat, als den daß nur ein Tag recht rasch dem andern folgen möge um das Ende des Septembers zu erreichen. … Meine einzige Hoffnung ist daß unser Ehestand ruhiger und bestimmter seyn wird wie unser Brautstand.; …
Nachmittags. Was soll ich Ihnen sagen wie soll ich es Ihnen sagen, lesen Sie den Einschluß – Antwort kann ich vor Sonnabend in 8 Tagen nicht haben, den Montag darauf kommen Sie wahrscheinlich selbst. Theodor mein geliebter Theodor ich kann Ihnen nicht viel sagen, ich bin so überrascht so alterirt als wenn ich heute erst wüßte daß ich heyrathen soll. – Werden Sie auch unzufrieden seyn? Unangenehm ist es Ihnen daß weiß ich, aber ich wußte am Ende selber nicht mehr was ich anfangen sollte, die Hochzeit in S(schweidnitz) hätten mir weder die Großmutter) noch H(enckel) je verziehen und nach lezterem seinen vielen Anerbieten wäre es auch etwas choquant gewesen, was werden Sie aber sagen mein geliebter Theodor, wie schwankend, wie jeden Augenblick anderer Meinung werde ich Ihnen nicht erscheinen, …
Meine Mutter zweifelt nicht daß Sie kommen ich kann es mir auch nicht anders denken. Wenn wir nicht nach Pommern wollten blieb uns kein anderer Ausweg, und nun die günstigste Gelegenheit der Taufe. Eben war die Mutter bey mir sogar sie war eingenommen ich weiß nicht mehr was ich schreibe, ich will nur lieber aufhören, adieu mein bester geliebter Theodor was werden Sie von alle diesem denken daß muß ich immer vorstellen, übrigens wollte ich Ihnen sagen daß sogar die Mutter eingenommen von H. ist wegen der herzlichen Art wie er ihr seine Freude über diesen Entschluß bezeugt hat er ist mit Ihr schon in allen Stuben gewesen um eine Wohnung für uns auszusuchen. Aber adieu mein geliebter Theodor …
D. 5ten Morgen. Mein geliebter bester Theodor, Sie den 15ten also in 10 Tagen wieder zu sehen, Ihnen nur noch einen Brief zu schreiben, ist das nicht Glück? Mündlich werde ich Ihnen das alles noch mehr auseinander setzen, kommen Sie nur! H. ist so liebenswürdig wie er als Bräutigam war, er war wirklich sehr gut. Gottlob hat nun doch auf diese Weise alles ein glückliches Ende das ist gar zu gut. Wenn Sie durch Tarnowitz gehen so haben Sie wol die Güte den Pastor einen Besuch zu machen, mit unserm Anliegen daß er uns nach der Taufe traut. Jezt fühle ich nur die Freude Sie so bald wiederzusehen, gestern war ich ganz verwirrt was Sie meinem Brief wol ansehen werden. Ich denke mir daß Sie den Sonntag aus Schweidnitz reisen, den Montag, aber kommen Sie her, Julie hat mich schon gescholten, daß ich den Termin so spät angesezt habe, ich hoffe daß mein Theodor mir verzeihen wird adieu ich muß dem Vater noch diese Begebenheiten schreiben Ihre treue Caroline
Ich muß Sie bitten zu kommen, ich glaube nicht daß es jezt anders möglich ist. Die Kindstaufe ist d. 16ten, und denselben Tag nach der Taufe sollte unsre Trauung seyn mein großer Gott! … Wie fügt sich alles in der Welt! Ich hatte ihn gestern Abend so gebeten mir einen Ausweg zu zeigen, u nun hat e so meine Bitte erhört. – Montag in 8 Tagen werde ich Sie also erwarten – ich kann es mir noch gar nicht vorstellen, nie dachte ich Sie hier wiederzusehen, und nun so bald, so sehr bald, so daß ich Ihnen nur noch 2mal schreiben kann, mein geliebter Theodor!
Den 9ten Mittags.
Mein geliebtes einziges Linchen! Wo soll ich Worte finden Ihnen für Ihren heutigen Brief zu danken, Ihnen die Empfindungen zu schildern, die es bey mir erregt hat. Wie betäubt bin ich auf der Parade, wo ich den lieben guten Brief erhielt gewesen, mich dem Tage, welchem meinem Herzen so sehr verlangte nun so nahe zu sehen. Und wieder auf der anderen Seite, machte mich die Furcht, vielleicht keinen Urlaub zu erhalten wieder so bange, daß ich wirklich bis ich mit dem Major allein sprechen konnte recht peinliche Augenblicke verlebte. Er hat mir Muth eingesprochen, obgleich es noch keineswegs gewiß ist, ob ich kommen kann. Hören Sie meinen Plan. Morgen ganz früh gehe ich nach Liegnitz, wohin ich durchaus muß, und komme übermorgen wieder. An eben diesem Tage oder Freytag erwarten wir unsern neuen Reg(iments) Com(ann)d(eur). ich bitte diesen auf der Stelle um die Erlaubnis, mich mit der Bitte um Urlaub an den General Hünerbein wenden zu dürfen, denn seine Erlaubniß ist diesmahl nöthig. Sobald ich diese habe, reise ich sogleich über Breslau an, gehe zu Hünerbein, und von da direkte in den Wagen, um nach 30 Stunden in den Armen meines geliebten Linchens zu seyn. Mein geliebtes, mein einziges Linchen heut über 8 Tage bin ich schon bey Ihnen, vielleicht schon in wenigen Stunden sprechen wir dann den Schwur vor dem Angesicht des höchsten Wesens aus, der unser Schicksal für immer mit einander kettet. Wenn nur der Commandeur erst hier wäre, damit ich gewiß am Montag bey Ihnen bin. Linchen! Bey Ihnen – Ich kann mir das Glück noch gar nicht recht denken, sonst würde mir der Kopf genzlich wirbeln vor Freude. So ist denn dies der letzte Brief den ich Ihnen schreibe? Mein geliebtes Linchen, der letzte? O Gott sey ewig gedankt, daß ich endlich nun wieder Ihnen mündlich sagen kann, wie Sie mir theurer als alles andre auf der ganzen Welt sind. …
Wenn Sie diesen Brief in Ihrer Hand halten, dann bin ich schon im Wagen, und jeder Schritt bringt mich Ihnen näher. Wenn nur der Commandeur nicht zu spät kömmt, damit ich den Sonabend bey Zeiten fortkomme, denn über Breslau gebrauche ich 3 Tage. Sollte er erst später kommen, und ich also auch erst später abreisen können, so ängstigt sich mein geliebtes Linchen doch nicht, und ist überzeugt, daß ich wohl bin und nur die absolute Unmöglichkeit mich hindert zu Ihnen zu fliegen. Am Freytag mein theures liebes Linchen erhalte ich noch einen Brief von Ihnen, und der ist dann der letzte; Möchte doch unsere Correspondenz nie wieder anfangen, obgleich ich ihr zwar auch viele vergnügte Augenblicke verdanke. Heut habe ich hier noch sehr viel zu thun, denn erstlich wird noch exerzirt, und dann muß ich alle meine Sachen noch einpacken, indem ich mit Tages Anbruch morgen fort will, um bey guter Zeit in Liegnitz zu seyn. Ich habe aber ordentlich Mühe meine Gedanken etwas zu samlen, denn ein Gedanke scheint alle andern zu verschlingen, brauche ich Ihnen meinem Linchen noch näher zu sagen? Ich bin in einer solchen Unruhe, daß mir die Hände zittern, und das Herz fast hörbar schlägt. …
Finden Sie es angebracht, so bitte ich H(enckel) auch einige Höflichkeiten von Seiten meiner zu sagen. Leben Sie wohl mein theures Linchen, den glücklichsten Menschen der Welt schließen Sie, wenn alles wohl geht am Montag in Ihre Arme, in der Person Ihres treuen Theodors.
Sollte das wirklich der Endstrich unserer Correspondenz seyn?
Das letzte Wort soll am Ende nochmals Caroline haben, die im Rückblick auf Ihr Leben vermerkt:
jetzt nach 38 Jahren sage ich dem Allmächtigen meinen tief gerührten Dank, daß er in ihm einen Mann sendete, der ein Segen nicht allein mir u seiner Familie ward, sondern auch in weiterem Kreise, seiner Provinz, deren Angelegenheiten er sich besonders seit 1848 ausschließlich widmete.
Im Jahre 2023 erfuhr der Briefwechsel eine neue Qualität: in einer szenischen Lesung durch die beiden Protagonisten Caroline und Theodor wurde die Dramatik, die in den Briefen immer greifbar ist, auf die Bühne gebracht. Aufgelockert wurde die Lesung durch Szenen aus der Schlossküche. Bedienstete unterhalten sich über ihre Herrschaft auf Platt und Hochdeutsch und treiben so die Handlung auf witzig-heitere Weise voran. Die Wolgaster Vokalisten sangen Lieder von Mendelssohn Bartholdy und Brahms, die mit der Handlung wunderbar korrespondierten.