Aus der Geschichte Carlsburgs: das Hausbuch: Theodors Eintragungen 1800-1872: das Kapitel über Holz

In den Jahren von 1800 bis zur Übernahme der Karlsburger Güter durch Theodor von Bismarck-Bohlen 1828 und auch später noch wurden – wie schon im vorigen Beitrag beschrieben – ausgelaugte Felder in Wald umgewandelt und umgekehrt. Fast jedes Jahr säte oder pflanzte man überdurchschnittlich viele Kiefern, ab und zu aber auch Laubbäume, da vor allem eine natürliche Besaamung von vermischtem Laubholz (Eichen, Buchen, Birken).

An der Wernereiche

Gleich zu Beginn seiner Karriere als Gutsbesitzer musste Theodor sich mit einem furchtbaren Baumschädling auseinandersetzen. Im Sommer 1827 und 1828 thaten die Kiefernraupen, und zwar die sogenannte Nonne, Phalena bomb. Monach sehr vielen Schaden im Steinfurter Revier, besonders in den jungen Beständen an der West Seite des Holzes, nach der Ziegeley zu,

Ehemalige Ziegelei

und an der Nord West Seite, nach der Gränze von Giesekenhagen. Durch mehr Aufmerksamkeit der Jäger hätte vielleicht im Jahre 1827 dem Übel etwas vorgebeugt werden können. Ich that im Jahre 1828 während des Frühjahrs und Sommers, so viel in meinen Kräften stand, um durch Aufsuchen und Zerquetschen des Eger und Aufsammlen der Raupen, (gegen 7 Berl. Sch.) der Plage einiger maßen ein Ziel zu setzen. Allein das Hauptmittel zu ihrer Zerstörung schickte der Himmel in der ungewöhnlich kalten und naßen Witterung des Sommers von 1828, denn die schädliche Menge, welche in der ganzen Provinz, besonders in den königlichen Waldungen große Verheerungen angerichtet hatte, kam nicht zum Verpuppen, und man fand fast gar keine Schmetterlinge, und im folgenden Jahre 1829 mithin auch fast gar keine Raupen.

War die oben beschriebene Witterung sicher kein Anlass zur Freude für den Landwirt, so gab es wenigstens eine ausgleichende Gerechtigkeit bezüglich des Waldbesitzes. Theodors Fazit über den Zustand des Waldes bei seiner Übernahme 1828 lautet: Die vorstehende Übersicht der Holzanlagen von 1810 bis 1824, zeigt wie umsichtig und weise mein Schwiegervater auch bey den Holz Anlagen verfahren, indem er einen so bedeutenden Theil schlechten und nicht kulturfähigen Acker besaamte und dadurch den Gütern für künftige Zeiten einen großen Schatz hinterließ, der vielleicht einmahl als Nothpfennig dienen kann.

Für die Waldarbeiten engagierten die Grafen Forstarbeiter je nach Bedarf, später auch bei regelmäßiger Bezahlung über das Jahr. Bis heute erinnert der Zimmermanns-Weg im Steinfurther Wald an den langjährigen hochgeschätzten Förster Zimmermann, der zu Theodors Zeiten in Carlsburg angestellt war.

Karte um 1900

1831 vergrößerte Theodor den Waldbesitz, indem er im Schlatkower Gebiet von einem Herrn von Wolffradt aus Schmatzin dessen Anteil am Holz für 2000 Taler kaufte, um diese ganze sehr lästige und leicht Streit herbeyführende Gemeinschaft, über deren Umfang und Entstehen nirgend etwas schriftliches aufzufinden war, zu beenden.

Die schnellwachsenden Kiefern machten es dringend nöthig eine regelmäßige Bewirthschaftung dieses ansehnlichen Kiefern Holzes anzufangen, sollte nicht am Ende alles brauchbare Holz ausgehen, da der Bedarf an Bauholz, sowohl zum Verkauf als eignen Gebrauch immer da genommen wurde, wo es am besten zu finden war, und trotz vieler von meinem Schwiegervater gemachter Anlagen, doch die Bestände sehr verhauen waren. Es werde, um die Sache im Gang zu bringen, gewiß noch Opfer mancher Art machen müßen, da natürlich manches Holze zum Abholzen auch nicht benutzbare Holz, wenn der Jahres Schlag daran kömmt, übersprungen werden muß, indeßen hoffe ich, daß alle meine Nachkommen, besonders aber mein lieber Sohn Fritz, den großen Werth eines, in einer gut geregelten Bewirthschaftung befindlichen Waldung einsehen, und von diesem regelmäßigen Betrieb nicht wieder abgehen, sondern dabey beharren werde. Eingedenk, daß sonst alle Mühe und Kosten der Vorfahren unnütz waren. Besonders nöthig ist es, daß die Schlagordnung genau befolgt, und uns aus dem Jahres Schlag, dem nächstfolgenden, und dem Reserve Heu, der etwaige Bedarf an Bauholz entnommen, die Wieder Ansaamung aber regelmäßig und gut erfolge, sollte auch das Ausroden und Ausbauen mit Getreide, was wegen des vielen Grases und Brachfelder unumgänglich nöthig auch viele Mühe und Kosten machen. Ich habe, da zuerst das Holz abgetrieben wurde, wo viel Unterholz war, für 300 R. 10-12 rmd für das Ausroden geben müßen, allein dies Opfer nicht gescheuet, da ich gewiß hoffe, daß meine lieben Nachkommen, mein Andenken ehrend, auch eben so fortfahren werden, wie ich begonnen habe.

Zur Taufe seines jüngsten Sohnes Carl, der am 3. Juli 1832 als Zwilling geboren worden war, schoss Theodor einen sehr starken 16 Ender Hirsch, der 530 Pf. wog, am Paradies.

Nadelwald beim Paradies

Zu der Zeit wurde das Gehölz noch als Hutewald genutzt. Aber die Schäden, die die Tiere verursachten, veranlasste Theodor die zeitlichen Abstände, in denen das Vieh aufgetrieben wurde, zu vergrößern. Den Kiefernspanner versuchte er wiederum zu bekämpfen, indem er veranlasste, durch das Ausharken des Mooses und der Nadeln und Eintreiben der Schweine dagegen zu wirken.

Was heute kaum mehr vorstellbar ist, berichtet Theodor Mitte des 19. Jahrhunderts an mehreren Stellen von ungeheuer vielen Maykäfern.

1852 findet sich der Eintrag: 21000 Stämmchen, Buchen, Eichen, Eschen, Ahorn, Birken, Lärchen, Rothtannen gepflanzt. Brücken werden erneuert und, was Ornithologen heute empören wird, wurden Krammetvögel zuhauf mit Dohnen gefangen, an manchen Tagen bis zu 300 Stück. Wacholderdrosseln galten als Delikatesse und sie wurden z. B. nach Berlin verkauft. In einem Brief an ihren Mann schrieb Caroline am 8. Oktober 1840: hier sind auch dies Jahr viele Krammetsvögel, ich brachte eine ganze Menge mit u. lasse die andern einbraten.

Auch im folgenden Jahr wurde aufgeforstet: 16000 Stämmchen Laubholz und in den darauffolgenden Jahren jeweils 22-24000 Stämmchen Laub- und Nadelholz.

Im Frühling 1859 wurden von Theodor 1 Spießer, 2 Schmalthiere, 1 Wildkalb Damwild von Herrn von Arnim auf Neuensund gekauft, bis im Sommer im Gatter, unweit der Bollbrücke und dann ausgelaßen. Herr Homeyer – Ranzin erhielt ebenfalls 3 St. und bei Pinnow wurden 9 St. ausgesetzt, so wie 2 Jahr früher 6 St. bei Carbow und denke ich, daß sich das Wild gut vermehren soll. Es ist davon auszugehen, dass die heutige Population auf diese Aktion Theodors zurückzuführen ist. Denn schon ein paar Jahre später mußten 4 Schaufler abgeschoßen werden, da sich das Damwild sehr vermehrt hatte und viel Schaden that. Ich schoß 1 sehr starken. 16 Rehböcke und Ricken wurden abgeschoßen.

Neugierige Rehe

In ähnlicher Weise wurden Fasan Hähne und 7 Hühner von dem Landrath Humbert zu Hohen Kränig bei Schwedt, durch Herrn Homeyer – Ranzin erhalten und ausgesetzt, hinter dem Pretzkower Berg, unweit der Friedrich Carl Höhe in der Kiefern Schonung.

Der letzte Eintrag Theodors erfolgte 1872: Der Sturm vom 12ten und 13ten Nov., durch welchen so erhebliche Überschwemmungen an der Ostseeküste entstanden, hat im Walde im Holze 3171 Stämme umgeworfen oder abgebrochen und 1405 St. Bauholz und 1720 St. Lattstämme. Mit Ausnahme von etwa 550 der Letzteren, wurde das übrige Holz doch auch zu den Taxpreise großen Theils durch einen Holzhändler Zimmermann für Berliner Rechnung verkauft und durch große Anstrengung es möglich dasselbe so mit anzubereiten, daß demselben die Betilgung gemacht werden konnte, alles Holz aus den Steinfurther Wäldern, bis 1ten July 73 und aus den Carlsburger bis 1ten Aug., abgefahren zu haben. Den 1ten Febr. 71/72 wurden erlegt 9 Säue, 1 Rothhirsch, 13 St. Damwild, 14 Hasen.

Bei der großen Biberburg
Nach einem Sturm im letzten Jahr
Pilzwald

Aus der Geschichte Carlsburgs: das Hausbuch: Theodors Eintragungen 1815-1872: das Kapitel über Ökonomie

Theodor von Bismarck-Bohlen beginnt dieses Kapitel mit der Schilderung der ökonomischen Situation in Ackerbau und Viehzucht, wie sie sein Schwiegervater vorgefunden hatte, als er mit seiner Familie im Frühjahr 1809 in Karlsburg anlangte. Und die war denkbar schlecht infolge einer unvorstellbaren Misswirtschaft. Unter der Verwaltung des General Lieutnants Gr. Bohlen, des Großvaters meiner Frau, war Carlsburg in 3 Feldern, Gr. Jasedow und Steinfurt aber in 10 Schlägen [einheitlich bewirtschafteter Teil eines Feldes] bewirthschaftet worden. In den früheren Zeiten scheint der Ertrag der Güter an Korn, nach einzelnen alten Rechnungen, oft sehr bedeutend gewesen zu seyn, besonders während zwey tüchtige Männer Nahmens Dämlow und Kruse, als Inspektoren an der Spitze standen. Als aber allmählich alles durch Mangel an Aufsicht und Betriebskapital mehr und mehr zurückkam, ein Augendiener [Schmeichler] und eben so schlechter, als wahrscheinlich auch betrügerischer Inspektor Nahmens Kulow, der Wirthschaft vorstand, zwey natürliche Söhne des Gen. Lt. [Generallieutnant], beyde gleich unwißend und träge als Wirthschafter in Crentzow und Carlsburg (der eine sogar an letzterm Orte nach Kulows Abgang als Inspektor) gesetzt wurden, der Herr selbst aber bey zunehmenden Jahren und mangelhaften Kenntnißen der Landwirthschaft, sich nicht mehr darum bekümmerte, als im Jahre 1806 seine zweite Frau eine geb. vStrantz, welche durch Ordnung noch einigermaßen alles etwas zusammen gehalten hatte, plötzlich starb, und er nun gänzlich in die Hände einer Mätresse [siehe Lebensbeschreibung Carolines] fiel, gerieth die ganze Wirthschaft in einen beispiellosen Verfall. Der Abgang an Spann= und anderem Vieh wurde aus Geldmangel nicht wieder ersetzt, wegen Mangel an Arbeitskräften wurde bey Carlsburg nur noch unmittelbar um den Hof, der beßere Boden, einigermaßen ordentlich bestellt, der Mangel an Dünger und den geringen Viehstapel und verminderte Streumaterial, bewirkte das Aussaugen des Bodens, besonders bei Carlsb. immer mehr, besonders da fast gar keine Brache gehalten, sondern immer nur eine möglichst große Fläche schlecht und oberflächlich bestellt wurde, so daß am Ende selbst die Bauern in Zarnekow sich durch einen Grenzgraben gegen das überhandnehmende Unkraut haben schützen wollen. Ähnlich ging es auch den andern Gütern, und das nicht regelmäßig gelehete Gesinde, verrichtete natürlich seinen Dienst mit der aller größten Nachläßigkeit. Nichts desto weniger wurden dem Herrn von den schönsten und ergiebigsten Erndten lügenhafte Berichte gemacht um ihn zu andern Zwecken bey guter Laune zu erhalten. Ohne alle Rücksicht wurde alles Vorhandene angewandt, dem Bedürfniße des Augenblickes abzuhelfen, und (fast klingt es unglaublich, allein es ist buchstäblich wahr, und mir oft von dem Inspektor Lösewitz versichert und an Ort und Stelle gezeigt worden) auf diese Weise z. B. nicht allein die Diehlen Bedeckung des Kornbodens, über dem maßivem Pferdestall verbraucht, sondern auch sogar die eisernen Bänder und Klammern, welche die Art von Gängewerk über der Reitbahn in diesem Gebäude hielten und verbanden, aus Mangel an Eisen abgerißen, wodurch natürlich das Gebäude binnen kurzem bedeutend gelitten haben würde, wenn nicht mein Schwiegervater bald darauf alles wieder in Ordnung gesetzt, und so dasselbe vom baldigen Verfall errettet hätte. In welchem Zustand die übrigen, auf ähnliche Weise vernachläßigten Gebäude geriethen, wie die dringendsten und unentbehrlichsten Reparaturen und Ergänzungen der Acker Instrumente, Wagen, Geschirre etc. unterblieben, läßt sich denken. In diesem traurigen Zustande übernahm mein Schwiegervater 1809 die erschöpften Güter, wo es an allem mangelte. Er hatte das Glück in der Person des Inspektor Lösewitz einen treuen, umsichtigen und sehr thätigen Mann zu bekommen, sowie deßen nachherige Frau die Dem. Döhn die innere Wirthschaft mit größter Thätigkeit und Ausdauer übernahm und vorstand. Carlsburg welches in 3 Feldern bewirthschaftet worden, wurde 1811 regelmäßig in 6 Binnen und 9 Außenschläge getheilt, und welcher Eintheilung es jedoch 1827 in 7 Binnen = und 5 Außenschläge überging. Gr. Jasedow blieb wie es war in 10 Schlägen, Steinfurth hingegen, ging 1817 von 10 Schlägen in 7 über.
Indem ich mich gern von dem traurigen und beklagenswerthen Zustand der Güter abwende, welches ich oben von dem Zustande der Güter entworfen, als sie mein Schwiegervater übernahm, gebe ich mich gern der Hoffnung hin, daß dasselbe wenigstens dazu dinen möge, allen meinen lieben Nachkommen es lebhaft vor Augen zu stellen, wie Sorglosigkeit, unmäßiger prahlerischer Aufwand, Unordnung und Mätreßenwesen, jeden Wohlstand und jedes Glück zerstöhren. Zugleich aber mag auch diese traurige Schilderung dazu dinen, die Größe der Verdienste welche mein Schwiegervater um den jetzigen großen Flor der Güter hat, in das gehörige Licht zu stellen, da ohne seinen wirklich großen Entschluß, die Güter in diesem verzweifelten Zustand anzunehmen, und sein und seiner Frau Vermögen daran zu wagen, ohne sein folgerechtes und fortwährendes Streben, allmählich und nach Maaßgabe der Anfangs sehr beschränkten Mittel, alles wieder in Stand zu setzen, ohne seine große Sparsamkeit und Ordnung, ohne das Vertrauen, welches ihm diese, so wie seine Redlichkeit bey seinen Gläubigern erworben, er entweder dies ganze Unternehmen nicht hätte beginnen können, oder doch dabey gescheitert wäre, und also in beyden Fällen, seinen Nachkommen nicht ein so trefflich geordnetes Vermögen hätte hinterlaßen können. –

Nach dem Tod seines Schwiegervaters, im Frühjahr 1828, übernahm Theodor also ein schuldenfreies und wohlgeordnetes Anwesen, nicht zuletzt, weil tüchtige Inspektoren ihm zur Seite standen.

Um gute Ernteergebnisse zu erzielen spielte damals wie heute das Wetter eine wichtige Rolle und war entscheidend dafür, ob eine gute, mittelprächtige oder schlechte Ernte eingefahren werden konnte. Damals wie heute waren die Landwirte kaum oder gar nicht mit dem Wetter und den daraus folgenden Ernteergebnissen zufrieden. Etwas störte immer: entweder war es zu nass, zu trocken oder Hagel und Schnee führte zu Missernten. Einzig die Jahre 1829 waren sehr (darüber werden kaum Worte verloren) und 1842 ziemlich gut: günstiges Frühjahr, allein eine fürchterliche Dürre im Sommer. Danach eine höchst gesegnete Erndte hier im Sommerkorn und Erbsen. Das schlecht bestellte Winterkorn war nur mittelmäßig ausgezeichnet in Qualität. Die Erndte auch nicht einen Tag durch Regen unterbrochen. Klee mittelmäßig und so auch die Wiesen, welche im Anfang des Herbstes schon dem Rindvieh eingegeben werden mußte, da es so sehr an Weide fehlte.

Oft wird berichtet, daß Hagel ganze Schläge verwüstete oder große Hitze und Dürre die Ernte vernichtete und die Brunnen austrocknen ließ. 1858 schreibt Theodor: Hagelschlag unglaubliche Dürre so daß im Herbst fast alle Brunnen leer und fast den ganzen Winter das Waßer für das Vieh gefahren werden muß und alle Sölle fast austrocknen.

Zwei Einträge bleiben dem Leser des Hausbuches in Erinnerung, da in diesen zwei besonders schwere Jahre für die Karlsburger Güter und darüber hinaus beschrieben werden.

1841: Ungewöhnlich kühler und naßer Sommer und Herbst. Es regnete von Johannis bis gegen Ende 8ber[Oktober], fast alle Tage, oft in Strömen, so daß das Heu und Korn Erndte nur mit den aller größten Anstrengungen und Kosten und auch nur schlecht eingebracht wurde. Ein Theil der Nachmath blieb draußen und verdarb. An vielen Orten war dies mit einem Theil der Vormath und dem ganzen 2ten Schnitt des Heu. Noch fast 8ber wurde auf einzelnen Gütern z. B. Ranzin geerndet. An vielen Orten konnte gar nicht zu Winter bestellt werden, und auch hier und in Jasedow blieb etwas vom Winterschlag liegen.

1867: Außerordentlich kalter und naßer Frühling und Sommer. Mangelhafte Frühjahrssbestellung. Späte und durch den fortwährenden Regen, einfach gestörte, sehr schlecht wie wir sie seit 37 Jahren nicht hatten. Fast völliger Mißwuchs. Zum Glück vieler und vortrefflicher Klee und anderes Heu, welches theilweise auch gut ward. Kartoffeln an vielen Stellen nicht die Aussaat neu … Fast der ganze Kr. Grimmen und ein Theil des Franzb. und Rügenschen, total verhagelt, auch Niederhof. Ich muß an 1200 rm Hagelschadenbeitrag zahlen. Großer Mangel theilweise auch hier, allein ein entsetzlicher Zustand in Ostpreußen. In Folge der großen Noth der Typhus an vielen Orten, woran viele Menschen sterben. Millionen vom Staat gegeben, angeblich reiche Beiträge aus unserm Vaterlande, und ganz Deutschland, England, Frankreich, Amerika. Noch weit größere Noth im nördlichen Schweden, Finnland, den ruß. Ostsee Provinzen, einem Theil von Sibirien. Sehr hohe Kornpreise natürlich Weitzen über 100 rm, Roggen bis 75 rm. Allein wer hat nichts zu verkaufen. Etwa 1000 Sch. Weitzen wird alles seyn, was ich verkaufe. In diesem, wie auch im vorigen Jahr hat sich der sogenannte Johannisroggen vor allen anderen Winterroggen ausgezeichnet.

Neben der Witterung, die oftmals Missernten zur Folge hatten, wirkten sich die katastrophalen Ernteergebnisse auch negativ auf die Tierhaltung aus. In Folge der Näße im Sommer bekamen die Lämmer die Fadenwürmer und trotz aller angewandten Mittel, starben im Herbst und Winter, von 700, 236 St. daran.

Weitere Ausfälle und unvorhersehbare Ereignisse machten Theodor das Leben schwer: Rost am Weizen, Lupinen- und Kartoffelernte vernichtet, wiederholt Mäuse und Ratten im Saatkorn, Maul- und Klauenseuche bei Rindern und Schweinen, Schwankungen bei den Wollpreisen.

Auf den Gütern hatte Theodor Anfang der 1830er Jahre 26 Rindvieh und 300 Schaafe anschaffen können, und danach 30 Mastochsen gehalten. Auch für diese musste entsprechend Futter wie z. B. Klee angebaut werden. Mit der Zeit wurden die Ochsengespanne durch Pferde ersetzt. Neben den Reitpferden wurden Bau- und Ackerpferde gehalten, für die wiederum Roggen angebaut werden musste.

Den schlechten Bodenwerten versuchte Theodor mit dem Düngen der Felder zu begegnen. Jedes Jahr wurde ein Teil der Felder gemergelt, was zwar zunächst eine Steigerung der Erträge bewirkte, jedoch mit der Zeit die Böden auszehrte. Später experimentierte Theodor mit Guano und Schneiderschem künstlichem Dünger. Besonders unfruchtbaren Boden – z. B. am Hof bei der Mühle zwischen Mühlencamp und Paradies – ließ er mit Kiefern aufforsten bzw. ausäen. An anderer Stelle – am Hundewinkel, östlich von Steinfurth gelegen – wurde eine etwa gleiche Fläche in Ackerland umgewandelt. Moore wurden trockengelegt, mehrere Brüche gerodet. Auch technischen Neuerungen stand Theodor aufgeschlossen gegenüber. 1869- 1872 wurde eine Dampfmaschine für 2550 M angeschafft und da die Erndte, wenigstens an Fudern, überreichlich war, gleich tüchtig gebraucht. Von diesem Dampfpflug erzählte mir auch August Müller im Beitrag über die Aufsiedlung Steinfurths 1935.

Nachdem die Brauerei zunächst Gewinne abgeworfen hatte, musste sie zeitweise wieder stillgelegt werden, da die Ernte der dazu notwendigen Kartoffeln des öfteren zu gering war oder die Ernte völlig ausfiel. 1833 ließ Theodor zum ersten Mal im großen Stil Saatkartoffeln aus dem Oderbruch kommen und legte diese auf einer bedeutenden Fläche zwei Fuß tief. In späterer Zeit hatte er immer wieder mit Missernten zu kämpfen, wie der folgende Eintrag verdeutlicht.

1846: In diesem Sommer wurden die Kartoffeln, welche sehr schön standen, etwa gegen die letzte Hälfte Juny, von einer eigenthümlichen Krankheit befallen, durch welche das Kraut allmählich erst schwarze Flecken bekam, dann gelb und endlich schwarz ward, als sey es erfroren. Zuerst zeigte sich die Krankheit an den frühen, allmählich an den späteren, ganz zuletzt an den rothen Kartoffeln. Unter den zeitigen, besonders denen der Leute in den Gärten, zeigte sich auch faule Stellen, weniger unter den späteren und rothen. Die Krankheit des Krautes, wie mir scheint durch eine athmosphärische Einwirkung entstanden (auch andere Gewächse, Pflaumen, Stachelbeeren etc. waren befallen und viel Rost über dem Getreide), hatte natürlich die Folge, daß die Knollen ungewöhnlich klein blieben und ein förmlicher Mißwuchs in dieser Frucht sich zeigte. Ich gewann etwas 1/3 einer gewöhnlichen Erndte, viele der Tagelöhner nur etwa die doppelte oder dreyfache Aussaat, so daß ich sie im Winter mit Kartoffeln versorgen und ihnen auch mit Korn etc. beyst­e­hen muß. In den Gegenden, wo tiefer schwerer Boden ist, hat man kaum die Aussaat wieder geerndtet und danke ich dem Himmel doch noch, daß ich soviel gewonnen, daß ich zum nächsten Jahr die Aussaat habe, den Leuten helfe und die übrigen verfüttern kann, um bey den hohen Kornpreisen (Weizen 3, Roggen 2-2 1/3, Gerste 1,15), mehr Getreide zu verkaufen. Die Brennery kann aber gar nicht gehen und ist dies bey den sehr hohen Spirituspreisen ein empfindlicher Schade. 700 Sch. Kartoffeln den Leuten geschenkt.

Missernten bei den Kartoffeln werden im Laufe der Zeit immer wieder vermerkt und deshalb immer weniger angebaut.

Im nächsten Kapitel geht es um Wald, Holzertrag, Jagd und Wild.

Aus der Geschichte Carlsburgs: das Hausbuch: Theodors Eintragungen 1806-1873: das Kapitel über Gebäude

Wie geht man am besten mit einem tagebuchartigen Notizbuch wie dem Karlsburger Hausbuch um? Diese Frage stellt sich bei der Durchsicht gleich zu Anfang. Den abgeschriebenen Text einfach einzustellen, schien mir – außer in dem Kapitel über die Gutsgeschichte – nicht sinnvoll. Hinzu kommt, dass die Notizen entsprechend flüchtig niedergeschrieben wurden und teilweise fast unlesbar sind und sich auch nicht immer aus dem Sinnzusammenhang erschließen. Es gibt also Lücken. Hier nun der Versuch einer hoffentlich sinnvollen Zusammenfassung.

Liest man die Einträge im Kapitel „Gebäude“ des Carlsburger Hausbuches – eine vergleichsweise trockene Lektüre, wird zuerst die Vielfalt der zu leistenden Arbeiten, die im Laufe eines Jahres auf dem Gut anfielen, augenfällig. Wie bei einem Mosaik setzt sich dem Lesenden nach und nach ein Bild zusammen, welches einerseits das Leben in Carlsburg und den dazugehörigen Dörfern in vielfältiger Weise zeigt, wenn auch nur aus der Sicht des Gutsherrn; andererseits gibt es einen Überblick darüber, wie es z. B. rund um das Schloss ausgesehen haben muss, von dem heute – 2024 – fast nichts mehr zu sehen ist.

Die Eintragungen betreffen alle Dörfer des Gutes: Carlsburg, Steinfurth, Groß Jasedow. Das Gut umfasste nicht nur das Schloss samt Schlosspark, Scheunen, Ställe und Gewächshäuser sowie dem Pflanz-, Obst- und Hausgarten, sondern auch die Häuser der Dorfbewohner und Gutsangestellten mit allem Drumherum wie Gärten, Viehställe, Brunnen usw. Der Gutsherr bzw. sein Inspektor hatte sich um den Erhalt aller Gebäude zu kümmern und sie instand zu halten. Wie es so schön heißt: Eigentum verpflichtet! Auch Modernisierungen nahm Theodor immer wieder vor, vor allem auch am und im Schloss. Um das anschaulicher zu machen, sollen zunächst die Einträge der Jahre 1829-1832 zitiert werden:

1829 Carlsburg, den Bau der neuen Brennerey angefangen, und dieselbe bis unter das Dach gebracht, und einen Theil des Gewölbes vollendet. (Der früh eintretende Winter störte die Arbeit schon am 16ten Nov.) neue Fenster in dem Schlaf= und dem grünen Kabinet, der grünen und der rothen Stube im Schloße.

1830     Carlsburg, Den Bau der Brennerey beendigt, so daß im October angefangen wurde zu brennen. Die Kosten beliefen sich, incl. der ganzen Einrichtung, und der von hier gelieferten Steine, jedoch ohne Holz, auf 11925 rmd 28 sgr 6. Das Holz ist geschätzt worden auf 338 sgr 8 – welche betragen die ganzen Kosten, deren spezielle Nachreichung in den Büchern von 1828/29 und 1830/31, 12264 rmd 6 sgr 9.

Den neuen Holzstall auf dem Brennerey Hofe erbauet und dabey die Gartenmauer zwischen dem Wirthschafts Hause und dem Badehause, verlegt und neu aufgeführt. Das neue Badehaus am Orangenhause erbauet. Den ganzen Viehstall, welcher zwey Längst Diehlen hatte und deshalb sehr kalt war, mit Quer Futtergängen und einer Diehle verändert. Die Krippen von geformten Steinen gemauert. Fast die ganze Ostseite der Haferscheune neu in Strohe gedeckt. Neue Fenster in der großen Gallerie im Schloß.

1831  Carlsburg, den Keller unter dem Kühlschiff in der Brennerey erbauet. Den 2ten größeren Aparat aufgestellt, der Keller kostete incl. Materialien 221 rmd 6 sgr. der Aparat 1989 rmd 18 sgr 3, so daß also die Total Kosten der ganzen Anlage nun, incl. verschiedener nachberechneter Gegenstände betragen 14913 rmd 21 sgr 9.

Den Pferdestall in Carlsburg umgedeckt. Den Vieh-Stall für das Dorfvieh in der Gersten Scheune angelegt, da der Vieh Stand vermehrt wurde. Die Steinmauer um den Viehhof neu gesetzt. Die Wesche bey Carlsburg neu angelegt. In der grünen und rothen Stube meiner Frau neue Berliner Öfen gesetzt.

Gr. Jasedow. Die neuen maßiven Schaaf Ställe erbauet. Die Kosten betragen, ohne Holz 1881 rmd 13 sgr 5, und ist derselbe, eben so wie die Brennerey, von dem Maurer Mstr Arndt zu Anklam erbaut worden. Neubau des Dorfbackofens.

Das neue Schulhaus wurde in diesem Jahr erbauet.

1832.     Carlsburg. Die große Gallerie, das Speisezimmer, und im grünen Zimmer meiner Frau, den Plafond [Zimmerdecke] erstern beyden aber ganz neu gemahlt.

Das neue Schulhaus, in welchem auch der Schaaf Mstr. wohnt erbauet.

Der neue Schweinestall von gesprengten Steinen erbauet.

Den neuen Schaafstall ganz, den alten auf der Westseite neu mit Rohr gedeckt.

Die Eisgrube ganz neu weißen, mit Mauersteinen erbauet.

Die Rörenleitung aus dem Kanal nach dem Brennerey Brunnen mit vieler Arbeit angelegt. 557 Fuß.

Das Staket zwischen dem Corps de Logis und dem Pferdestall neu gemacht.

Bedeutende Reparatur und Veränderung am Ananas Hause.

Gr. Jasedow. Das Taubenhaus auf dem Hofe neu erbauet.

Steinfurt. Das Zieglerhaus durchgebauet, und zu einem Kathen für 4 Familien eingerichtet.

Den neuen Obstgarten östlich des Kuhstalles angelegt, denselben mit einer Steinmauer und Spieszaun umgeben, und gleich ganz mit Bäumen besetzt. Auf gleiche Weise wurde noch der Garten südlich des Hauses vergrößert, und mit Obstbäumen bepflanzt, welche für beyde Gärten fast alle aus Wietstock von dem Hofrath Harsch a 7 ½ … gekauft wurden.

Brennerei: Auf die Brennerei setzte Theodor große Hoffnungen. Mit der Herstellung von Spiritus wollte er die schwierige ökonomische Situation des Gutes verbessern. Dies gelang ihm auch. 70% der Einnahmen erzielte er 1830 aus der Brennerei. 1840 wurden in der Brennerei weitere Neuerungen eingebaut: die neue große Druckpumpe, Quetschmühle zum grünen Malz, beydes mit dem Meßwerk verbunden, Neue Zapfenlager in der Mühle; neuer Unterbaum im großen Brunnen. Im Gärungskeller zwischen den Bottichen mit künstlichen Asphalt ausgegoßen.

In dem Kapitel „Allerley über die Carlsburger Besitzungen“ wird 1843 ausführlich von einem Feuerausbruch in der Brennerei berichtet: den 17ten Juny Morgens um 9, brach in der Brennerey zu Carlsburg, oben neben der Darre, ein Feuer aus, welches sich mit einer solchen Geschwindigkeit verbreitete, daß in nicht 10 Minuten der obere Theil des Gebäudes gänzlich in Flammen stand, und wie ich gleich einsah um so mehr rettungslos verlohren war, als die Treppe gleich ergriffen, und … nicht mehr zu paßiren war. Alle Leute und alle Pferde waren auf dem Felde, und als mehr Hülfe kam, konnten wir uns darauf beschränken, zu verhindern, daß nicht das Feuer in die unteren gewölbten Räume, in welchen der Aparat befindlich, besonders nicht in den Keller drang, in dem noch nahe an 1000 G. Spiritus lagerte, was dann unter Gottes Hülfe auch unsern Anstrengungen glücklich gelang, wenn gleich die Brände, die Treppe herunter, immer bis vor die Thür des Spiritus Keller fielen. Auch das Treibhaus, welches in großer Gefahr war, wurde glücklich gerettet, wozu mein ältester Sohn, der gerade auf Urlaub war, thätig beytrug. Nachdem das wüthende Element, oben alles was brennbar war, verzehrt hatte, wurde durch die zahlreich, aus der Nachbarschaft und weiter ferne herbey gekommne Hülfe, das Feuer Nachmittags gelöscht. Wir hatten Gelegenheit Gottes gnädige Hand bey diesem Unglück zu spüren, erstlich daß das Feuer nicht Nachts ausbrach, wo von 8 Menschen, welche oben schliefen, wahrscheinlich mehrere ihren Tod gefunden haben würden, während jetzt auch glücklicher Weise nicht die mindester Beschädigung vorfiel, dann aber auch, daß dieser Tag, nach vielen stürmischen, der einzige gänzlich Windstille war, denn wäre Ost oder Süd Ost Wind gewesen, so wäre das Unglück sehr groß, und wahrscheinlich der größere Theil des Hofes ein Raub der Flammen geworden. Die Entstehung des Brandes erkläre ich mir dadurch, daß an den Balken, welche der Architekt Hagedorn, welcher den Bau leitete, mit unbegreiflicher Dummheit und Holzverschwendung, über die gewölbte erste Etage gelegt hatte, und von welchen ich schon im vorigen Jahr einen Theil weggenommen hatte, einer fehlerhaften Weise auch nach dem Darrzug zu nahe gelegen, durch den 13jährigen starken Gebrauch des Zuges sehr entzündlich geworden, und dann ein kleines Darrfeuer entzündet, das Feuer dem Bretterboden mitgetheilt hatte, wo dann gleich die vielen ganz trockenen Bretter und Lattenverschläge des Bodens und das darüber befindliche, Feuer gefaßt hatte. Es wurde schon seit längerem nicht mehr gebrannt, sondern nur etwas Biermalz gemacht. Der Schaden ist doch auf 2500-3000 rmd zu schätzen. Das Gebäude war nicht versichert.

Das durch die Feuerbrunst v. 17ten Juny zerstörte Dach und innen die 2te Etage der Brennerey wieder erbauet incl. Holz = 180 rmd 9rs 6 … Den Umgang für die Pferde an der Roßmühle neu in Fachwerk und mit Brettern gedeckt. Ganz neue Pumpenbäume an der Großen und Saegepumpe.

Feuersbrünste, meist durch Blitzeinschlag oder auch Brandstiftung verursacht, waren sehr gefürchtet. Ob das Gnatzkower Schloss, welches im Herbst des Jahres 1732 eingeäschert wurde, Scheunen und Ställe, Katen oder die Brennerei, das Feuer kannte keine Gnade. Dazu kam, dass die Wege weit waren, das Feuer oft schon lichterloh brannte, ehe die damaligen bescheidenen Mittel wie Feuerspritzen zum Einsatz kommen konnten. Aber unverdrossen machte man sich danach wieder an den Aufbau der zerstörten Gebäude, da die Versicherung einen Großteil des Schadens beglich. Theodor erwähnte des öfteren den Ankauf von Feuerspritzen und traf Vorkehrungen für den Brandschutz. Der Eintrag über ein verheerendes Feuer 1871 in Groß Jasedow verrät neben dem Ausmaß des Schadens auch einiges über die landwirtschaftlichen Gerätschaften, die bei der Feldarbeit zur Verfügung standen: Am 9ten July (Sontag) Nachmittag 2 Uhr entstand in Jasedow oben an der First des Kuhstalldaches, in welchem niemand war, Feuer. Es ward erst nach 3 Uhr in Carlsburg bemerkt und als ich, mit meinen Sohn Carl hin eilend, ½ 4 dort ankam, stand, obgleich sehr wenig Wind war, der Kuhstall und 4 Scheunen, bereits völlig in Flammen und konnte man sich nur darauf beschränken, die letzte Scheune und den Pferdestall zu schützen, was sich, da viele Menschen und 6-7 Spritzen zur Stelle waren, durch Gottes Beistand, gelang. Zum Glück waren die Scheunen noch leer und auch nur etwa 10 Fuder Heu erst im Kuhstall und die Kühe auf der Weide, so daß nur 22 Ochsen verbrannten, sowie 6 Kälber, 5 sehr beschädigte Ochsen mußten z. Theil gleich getödted oder für 20 verkauft werden. Es verbrannten alle Wagen, da sie mit Kleeheu beladen, am Abend spät auf die Dielen gebracht waren, fast alle Pflüge, Eggen, Steltzen, Hechselmaschinen und Umzeug, Futterquetsche, Dreschmaschinen etc. Dazu das schöne Kleeheu auf dem Felde zum Einholen fertig, die Erndte vor das Thier und der Acker zur Saat zu bestellen und keine Opfer! Ich hatte zum Glück in Berlin, bei der Demobilmachung 4 Pf[erde] gekauft und wenige Tage später war in Stettin eine Auktion über Pferde, wo es dem Inspektor Waack gelang, noch 12 Pferde zu kaufen, es wurde in Eil noch Geschirre etc. für 4 Gespann Pferde beschaft etc. Es kam mir sehr zu Statten, daß am folgenden Tage, Morgens 5 Uhr, die Saaten in Anklam abgeliefert und bezahlt wurde, so daß es mir nicht an Geld fehlte, der Kuhstall war natürlich neu aufgebaut und es gelang denselben schon im October soweit herzustellen, daß das Vieh eingestellt werden konnte, auch die Nachmaht des Klees auf den Boden gebracht werden konnte, wo auch die südlich daran liegende große Scheune auch zeitig genug fertig ward, um das letzte Kleeheu darin unterzubringen. Die letzte Scheune (es wurden anstatt dieser 4 eingeäscherten nun 2 größere wieder gebaut) wird im nächsten Frühjahr erst gebauet werden. Da alles versichert war, so ist der materielle Schaden, durch 12858 13 9, die ich Entschädigung erhielt, wohl ziemlich zu decken. Da in dem Kuhstall, wo eben im Heu das Feuer entstand, niemand war, so ist dasselbe, ohne alle Frage, angelegt, doch ergab die Untersuchung gar nichts. Ich kann dem Herrn übrigens doch nur danken, daß er mich bis auf den Brant der Brennerei in Carlsburg, 1843, und diesen allerdings bedeutenden, 43 Jahre so gnädig schützte und daß dieser nicht 2 Monate später, wo alle Scheunen voll waren und nicht in der Nacht ausbrach, weil dann nicht allein meine sämmtlichen Kühe, sondern auch die der Leute verbrannt wären, endlich daß Niemand beschädigt wurde.

Der letzte Eintrag von Theodor: 1873. 1ter März.  Es ist in dem Ackerbuch der Wirthschaft p. 1ten July 1871/72, S. 14 und 15 etc, ein besonderes, bis Jan. 1873 geführtes Conto angelegt über den Wiederaufbau der zu Gr. Jasedow am 9ten Juli 1871 eingeäscherten Gebäude (4 Scheunen und Viehstall) incl. der für die verbrannten Ochsen angekauften Pferde, Ersatz der zerstörten Wagen, Ackergeräthe etc. Es wurden neugebaut die 2 Scheunen und wieder ausgebaut der ausgebrannte Kuhstall und beträgt dies alles, incl. des aus dem Forst entnommenen Holz zu der Scheune … in Summe 15209 rmd …; die ganze Brandentschädigung  12858 rmd …; Mithin also Verlust  2351 rmd …

Ställe: Schweine-, Schaf-, Kuh-, Pferde-, Kutsch- und Reitställe, aber auch Gänseställe werden erwähnt, an denen regelmäßig gebaut werden musste. Häufig ist die Rede von der Ausbesserung der Dächer, Erweiterung oder auch dem Neubau von Ställen wie z.B. 1855: Große und sehr kostspielige Reparatur des Pferdestalles, wo 2/3 der Balkenköpfe abgeschält, die 2 Träger und Säulen im Reitstall und desgl. in der Reitbahn das Gebäude gänzlich neu verlattet und ganz umgedeckt. Den Pferden – ob Reit- oder Ackerpferden – galt die besondere Aufmerksamkeit Theodors. Im Briefwechsel zwischen Vater und Sohn ging es ganz häufig und über weite Passagen um Pferde, die sie mit viel Sachverstand beurteilten – so, wie man sich heutzutage über Autos unterhält.

Scheunen: Neben den Ställen waren auch die Scheunen immer wieder reparaturbedürftig. Ob Tabak-, Erbsen- oder Gersten- Hafer- Roggenscheune: sie wurden weißiert, neu- oder durchgebaut, was soviel bedeutete, wie Altes auf Vordermann zu bringen. Daneben gab es Schuppen für Bretter und Nutzholz.

In den Dörfern: in den zum Gut gehörigen Dörfern wurden Wohnungen, Katen und Leutestuben durchgebaut oder verbessert, mit Ziegeln oder Stroh gedeckt. Brunnen, Dorfbacköfen, Steinmauern, Zäune, Remisen wurden errichtet oder repariert und Obstgärten angelegt, z. B. wurden je 2 Obstbäume in den Gärten der Dorfbewohner gepflanzt. Immer wieder wurde gepflastert, abgerissen, gebaut oder durchgeweißt. Ein Taubenhaus, Molkenhaus, eine Milchstube wurden eingerichtet, auch eine Buttermaschine wurde 1845 angeschafft.

Besondere Aufmerksamkeit richtete Theodor neben dem Erhalt der Dorfkaten auf die Häuser und Wohnungen einiger Gutsangestellter wie dem Gärtner, Tischler, Inspektor, Schmied, Weber, der Wirtschaftsmamsell, den Lehrlingen. In Zarnekow wurde das Pfarrhaus renoviert.

1862 wird das Steinfurther Gutshaus erwähnt: Die Nordseite des Guthauses neu gedeckt, z. Th. mit neuen Steinen. Wer darin gewohnt hat und welche Funktion es hatte, wurde leider nicht vermerkt. Hier soll auch erwähnt werden, dass es nach einer „Karte der Rittergüter Carlsburg, Steinfurth u. Gr.-Jasedow“ zwei Ziegeleien unweit von Steinfurth gab (Karte vor 1818).

Grabkapelle: die Jahre 1858 und 1859 waren bestimmt durch den Bau der Grabkapelle in Steinfurt. Den Bau der Grabkapelle im Frühling angefangen, nach dem Entwurf des Geh. Ober Baurath Stüler, durch den Maurer Mstr Weidener aus Gützkow ausgeführt. Bis zum Winter unter Dach und alle inneren Wölbungen fertig. Polier Schmidt.

1859: Steinfurth. Die im vorigen Frühling begonnene Grab Kapelle, wurde Ende Juny ganz vollendet und die Leiche meiner geliebten Frau, am 24ten July ihrem Geburtstag dahin gebracht. S. 330 [Hausbuch; siehe auch die Seite zur Entstehungsgeschichte der Grabkapelle].

Schule: Die gräfliche Familie legte besonderen Wert darauf, dass die Kinder des Gutes regelmäßig den Schulunterricht besuchten. Caroline berichtete in einem Brief, selbst des öfteren dem Unterricht beigewohnt zu haben; sowohl Theodor als auch Caroline nahmen immer wieder an Prüfungen teil. Während Caroline die Zeit lang wurde, verfolgte Theodor aufmerksam und konzentriert die Leistungskontrollen. Blieben zu viele Kinder dem Unterricht fern, drohte sie auch schon mal damit, die kleinen Schulschwänzer zu Weihnachten nicht ins Schloss einzuladen. Das zeigte durchaus Wirkung; bei dem nächsten Besuch war die Kinderschar zahlreicher.

Dem preußischen Staat und seinem König eng verbunden, fühlten sie sich verpflichtet die Schulpflicht von den auf dem Gut Beschäftigten einzufordern. So entstand 1831 ein neues Schulhaus, das 1845 dann umgebaut und vergrößert wurde.

In Schlossnähe muss es neben dem Wirtschaftsgebäude, welches linkerhand des Schlosses stand, diverse Bauten wie Bienenscheuer, Badehaus, Eisgrube, Orangenhaus (1824), 1849 mit Doppelglas ausgestattet, oder Ananashaus (1828) gegeben haben. Ananas wurde aber nicht nur für den eigenen Verzehr angebaut, sondern vor allem nach Greifswald und Wolgast verkauft.

Kanäle: die Arbeiten an den Gräben wie das Verlegen von Röhrenleitungen oder Kanal- und Grabenreinigung wurden mehrmals ausführlich im Hausbuch, z. B. im Eintrag 1842, erwähnt: Abzugskanal aus dem Souterrin des Schloßes, da derselbe gänzlich verstopft, mit großer Mühe durchaus gereinigt. Mehr als 5 Fuder Schlamm! Das Stück von der Biegung unter dem Fahrdamm, bis zum Ausfluß ganz neu, da der Kanal eigentlich hier, unbegreiflicher Weise ganz aufhörte. Der Kanal geht von der Mitte des 2ten Fensters zunächst der Treppe am Hause, ganz gerade auf einen Strich, links des Therweges am Viehstalle, bis in gleicher Höhe mit dem Nordwestlichen Ende des Wirthschafts Hauses, und dann ein Knie machend, rechts auf die Anschluß Öffnung. Er ist am Schloße bis an das Knie, etwa 2/6tel Joch, und etwa so breit, die Spitze des Gewölbes etwa 1 ½ unter dem Boden. Vom Knie an ist es nur 1 ½ Fuß hoch, allein eben so breit als oben.

1852 heißt es: Den Canal um den Garten, bis gegen den Forstgarten gänzlich gereinigt und ausgekehrt 106 rmn. Die neue Zugbrücke gemacht.

Schloss: welche Arbeiten im Laufe der Zeit am Schloss durchgeführt, was alles erneuert wurde, kann hier nur aufgezählt werden: Fenster wurden erneuert, Berliner Öfen neu gesetzt, Malerarbeiten, Tapezierarbeiten durchgeführt, Neu- und Umbau, Renovierung, Ausbesserungen, Möblierung, Treppen eingebaut, Kamin erneuert, das Schloss 1835 neu abgeputzt, Küchenherd angeschafft, Galerie neu gedeckt, brasilianischen Kabinett 1844 eingerichtet (für die Mitbringsel, die Sohn Fritz auf seiner Brasilienreise als Begleiter des preußischen Prinzen Adalbert mitgebracht hatte), das Schloß wurde gänzlich mit einem Drain umgeben, 1853: Die Gallerie des Schloßes umgedeckt. Große Gallerie und Eßzimmer neuer Ölanstrich, letzteres noch ausgemahlt. Neues Meubel in dem Bilderzimmer. In beiden Zimmern meiner Frau neue Plüschbezüge und Portieren. 1855: Die neue Treppe Corps de Logis, 77 Treppenstufen. Anschaffungen wurden notiert: großes Bild von Max Schmidt gekauft, Spiegelscheibe im Kabinett, 4 Schalen von Zink, Billard, Gipsbüsten, Meubles usw.

Umgestaltung des Parks: 1836 wurde mit der Umgestaltung des Park begonnen, 1856: neues Kegelhaus und die Kegelbahn im Garten, 1858: Die Wege im Holz hinter dem Garten völlig zum spazirengehen und fahren eingerichtet. 1859: 2 neue Brücken bei der Insel im Garten. 1865: Den Neubau von Eisen und Glas an der Treppe nach dem Garten und die Treppe selbst fast völlig. 1867: Den Weg vom Scheenerberg (Uhlenberg) nach des Carolinenforst im Winter gemacht.

Das nächste Kapitel „Ökonomie“ wird die hier beschriebenen Tätigkeiten von der finanziellen Seite her beleuchten. Bleiben Sie neugierig!

Aus der Geschichte Carlsburgs: das Uenglinger und Carlsburger Hausbuch – die Einträge Theodors: Allgemeines

Im Pommerschen Landesarchiv finden sich zur Geschichte des Gutes Gnatzkow – ab 1771 in Carlsburg umbenannt – die vielfältigsten Archivalien. Darunter ist ein Dokument besonders hervorzuheben: das Uenglinger und Carlsburger Hausbuch, das sehr ausführlich Auskunft über die wirtschaftliche Situation des Carlsburger Gutes ab dem Jahre 1806 gibt, welches aus den Dörfern Carlsburg, Steinfurth, Groß Jasedow und Teilen von Zarnekow bestand.

Der Uenglinger Teil (Uenglingen ist heute eingemeindet und gehört zu Stendal) soll hier vernachlässigt werden, da er wirklich wenig Substanzielles enthält und die Verhältnisse da für das Leben der Familie in Carlsburg keine besonders große Rolle gespielt haben bis auf die regelmäßigen Besuche Theodors in Gutsangelegenheiten dorthin. An anderer Stelle wird darüber zu berichten sein.

Mit dem Tod seines Schwiegervaters, Friedrich Ludwig Graf von Bohlen, Anfang des Jahres 1828 übersiedelten Theodor und Caroline nach Carlsburg, um die Geschicke des Gutes in die Hand zu nehmen. Hier beginnt Theodor auch mit seinen Aufzeichnungen, in denen, für den internen familiären Gebrauch gedacht, die Situation auf den Gütern schonungslos und ohne Schnörkel oder Beschönigungen beschrieben wird. Dabei geht er bis in das Jahr 1806 zurück. Es ist davon auszugehen, dass Caroline einen beträchtlichen Anteil an der Recherche über die Besitzverhältnisse ihrer Familie hatte.

Es werden sowohl die Gebäude in den Dörfern und die Baumaßnahmen an Schloss und Park als auch die forst- und landwirtschaftlichen Angelegenheiten beschrieben. Das Register beinhaltet folgende Kapitel: Allgemeines; Gebäude; Ökonomie; Holz; Allerley, die in loser Folge auf der Webseite vorgestellt werden sollen. Da die Einträge chronologisch in allen Details erfolgen – wann, wo und wie welche Häuser, Dächer usw. renoviert oder repariert wurden, wird der Originaltext nur dann eingefügt, wenn bedeutende Ereignisse oder einschneidende wirtschaftliche Veränderungen geschildert werden. Hinzu kommt, dass es nicht immer leicht war, die eilig aufgeschriebenen Notizen der Verfasser in Gänze zu entziffern, da deren Schrift auch ansonsten nicht immer lesbar ist. Verfasser waren nach Theodor sein Sohn Friedrich und sein Urenkel Fritz Ulrich. Von den beiden Letztgenannten gibt es allerdings nur noch sporadische Einträge.

Dieser erste Beitrag widmet sich den Aufzeichnungen Theodors über die Geschichte Carlsburgs, dessen letzter Eintrag im Kapitel „Allgemeines“ am 1. März 1873 erfolgte.

Dem allgemeinen Teil, der hier größtenteils zitiert werden soll, stellte Theodor von Bismarck-Bohlen ein Gedicht aus dem Roman Achim von Arnims „Die Kronenwächter“ voran.

Gieb Liebe mir, und einen frohen Mund,
Daß ich Dich Herr, der Erde thue kund,
Gesundheit gieb, bey sorgenfreyem Gut,
Ein frommes Herz, und einen frohen Muth;
Gieb Kinder mir, die aller Mühe werth,
Verscheuch‘ die Feinde von dem trauten Grund;
Gieb Flügel dann und einen Hügel Sand;
Den Hügel Sand im lieben Vaterland,
Die Flügel schenk‘ dem abschiedschwerem Geist,
Daß er sich leicht der schönen Welt entreißt.

Dem folgen die Beweggründe, die Theodor veranlasst haben, diese Chronik zu beginnen:

Der Wunsch über ein so schönes Besitzthum als das unsrige, einige bestimmte und sichere Nachrichten aus früheren Zeiten zu besitzen, ist ein so natürliches, und bey meiner lieben Frau und mir so oft bereits erwacht, daß ich mich um so mehr verpflichtet fühle, das wenige, was wir, so wie noch lebende Personen über die Art, wie diese Güter an uns gekommen, und über einige verhängnisvolle Zeiten nachwießen, aufzuzeichnen, und auf diese Weise der Vergeßenheit entreißen, für meine lieben Nachkommen zu bewahren.
Die Nachrichten, welche ich über unsere Besitzungen in der Altmark, mein väterliches Erbe, hier niederlege, sind leider fast noch unvollständiger und lückenhafter, als die über die Carlsburger Güter, indeßen muß einmahl der Anfang mit dieser, wohl in jeder Familie zu wünschenden Güter Chronik gemacht werden, und so beginne ich denn, nachdem ich den Allmächtigen Gott, um Seegen für uns, und alle unsere lieben Nachkommen, um die Erhaltung und Vermehrung
[des]Wohlstandes unserer Familie, besonders aber darum demüthig gebeten habe, daß es Gottesfurcht, Liebe für König und Vaterland, rechtlichen und weiteren Sinn, Ordnung, Thätigkeit, Fleiß und Eintracht und Liebe zu einander, ein dauerndes Erbtheil desselben bis in die späteste Zeiten seyn laße.
Ich bitte alle meine lieben Nachkommen, besonders aber zunächst meinen lieben Sohn Fritz, in diesem meinem Sinne, durch nicht zu weitläuftige, gedrängte Aufzeichnung des hierher Gehörigen, mit Aufführung von genauer Jahreszahl und Datum fortzufahren, sich besonders der genauesten Wahrheit zu befleißigen, und etwaige Fehler und Mißgriffe in der Verwaltung und Bewirthschaftung der Güter nicht zu verschweigen oder zu bemänteln, indem ja diese Nachrichten nur für unsere Familie bestimmt sind, der gebrechliche Mensch auch bey dem besten Willen, oft Irthümern und Täuschungen unterworfen bleibt.

Darauf folgt ein Text über die Geschichte des Carlsburger Gutes:

Carlsburg c. p.
Allgemeines

Carlsburg früher Gnatzkow genannt, scheint seit sehr langer Zeit immer mit Gr. Jasedow und einem Theile von Steinfurt vereint gewesen zu seyn. Im letztern Orte hatte noch im Jahre 1745 ein Herr von Liebherr, einen kleinen etwa 10 Pommersche Morgen betragenden Antheil, welcher ihm wahrscheinlich um jene Zeit abgekauft worden ist. Der Domainen Antheil von Steinfurt ist durch den General Lt. Carl Julius Gr. Bohlen, dem Großvater meiner Frau angekauft worden.
Die Güter gehörten früher der vNormannschen Familie, und als die damit belehete Linie derselben, Ende des 17ten Jahrhunderts dem Aussterben nahe war, belehete König Carl XII im Jahre 1698 Kanzler Freyherrn von Lagerström damit.

Da jedoch der Regierungs Rath Arendt Christoph von Bohlen durch seine Großmutter Agnese von Normann sowohl, als auch durch seine Mutter Maria Lukretia von Normann, nicht allein im Besitz der Güter war, sondern auch der von Lagerström nicht im Stande gewesen zu seyn scheint, die auf den Gütern haftenden Schulden zu übernehmen, und das Alladium auszuzahlen, so trat er seine Lehns=Ansprüche, mittelst auch im Archiv zu Carlsb. vorhandenen Vergleiches v. 1699 für 3000 rmd an Arend Christoph von Bohlen ab. Schon der Vater des letzten Christoph Oloff scheint jedoch bereits seinen Wohnsitz von Wittow, woher die Familie stammte, nach Gnatzkow, jetzt Carlsburg verlegt zu haben.
Dem Sohne des ersteren Carl, Heinrich, Behrend, welcher 1745 in den Grafenstand erhoben ward, wurde das ganze Gehöft zu Gnatzkow durch Feuer deßen Entstehung nicht zu ermitteln, gleich nach der Erndte 1732 eingeäschert, jedoch von demselben in seiner jetzigen Gestalt in den Jahren 1732/39 wieder aufgebauet, von dem im Jahre 1732 erbautem Schloße jedoch nur des corps de logis, nebst einer Gallerie; und dem östlich liegenden Pavillon, vollendet, wie dieses Gebäude auch noch jetzt vorhanden ist. (der alte Hof und das Wohnhaus sollen in der Gegend wo jetzt der Holzwärter wohnt, und zwar in der Richtung von Ost nach West gestanden haben, woselbst auch noch zu meiner Zeit bey Aufgraben des Grundes, Reste von Fundamenten gefunden worden sind.)
Dieser bedeutende und vortrefflich ausgeführte Bau, zu welchem sich der Erbauer, um seine Waldungen zu schonen, nur gekauften Holzes bedient haben soll, erschöpfte das Vermögen desselben dermaßen, daß sein Sohn Carl Julius, Bernh. nachmahliger Generallieut. und Reichsherr, bey dem 1797 erfolgtem Tode seines Vaters, die Güter mit seinem mütterlichem Erbtheile, für 100000 rmd leichtes Geld, aus dem Concurse an sich kaufte. Die Güter wurden für 80000 rmd durch den Herrn von Parsenow auf
Murchin erstanden und im July 1760 als demselben, mit großer Uneigennützigkeit, an den Carl Julius Bernhard, für dieselbe Summe wieder überlaßen, wie ich 1849, aus den darüber geführten, in Hände des Herrn von Quillfeldt befindlichen …vertrag ersehen habe.
Häufige Abwesenheiten im Dienste des Staates, übermäßiger Aufwand! verbunden mit großer Unordnung eine durch prahlerisch übertriebene Vermögens Angabe herbey geführte unverhältnißmäßige Vermögenssteuer, zu deren Bezahlung der größte Theil des beträchtlichen Silbers veräußert werden mußte, Mätreßenwesen u. gl., brachten die Vermögens Umstände desselben jedoch allmählich so zurück, daß, obgleich er seine Besitzungen durch den Ankauf von Crentzow, Zarrentin, Murchin und Libbenow, noch vermehrt hatte, er sich dennoch genöthigt sah, um dem Andrange seiner Gläubiger zu entgehen, 1809 seine Güter an seinen einzigen Sohn, meinem Schwiegervater, dem ehemahligen Chur Heßischen Hofmarschall Friedrich Ludwig Graf v. Bohlen zu verkaufen und nach Greifswald zu ziehen, wo er ein Haus besaß. Mein Schwiegervater nahm hierbey Carlsburg c. p. für 100000 rmd, Murchin c. p. für 85000 rmd, Crentzow c. p. für 42000, das Haus in Greifswald für 8000 rmd, in allem 235000 rmd Pommersch Couranten. (Unter dem General Lt legte König Gustav III, als er 1771, aus Italien kommend, die Regierung übernahm, und die erste Nacht zu Gnatzkow in seinen Staaten übernachtete, demselben auf die Bitte des derzeitigen Besitzers, den jetzigen Nahmen Carlsburg bey.)
Der Ertrag der Güter scheint zu dieser Zeit sehr bedeutend gewesen zu seyn, denn es haben die zu Carlsburg gehörigen, ohne Murchin und Krentzow, z. B. 1795, 15627 rmd; 1799, 12343 rmd; 1800, 14226 rmd; 1801, 11678 rmd Pomm. C. Ertrag gegeben, Folge der hohen Getreide Preise damahliger Zeit, und auch der sehr
großen, jedoch gänzlich erschöpfenden Aussaat bey der 3 Felder Wirthschaft, wodurch namentlich z. B. Murchin so herunter gebracht war, daß es, als mein Schwiegervater es übernahm, in mehreren Jahren gar keinen, oder doch nur sehr wenig Weitzen säen konnte, um nur einigermaßen wieder in Kraft zu kommen.
Demungeachtet erhielt mein Schwiegervater bey der Übernahme der Güter von seinem Vater im Jahr 1809, nicht allein, eine in den damahligen schweren und harten Kriegszeiten doppelt drückende ungeheure Schuldenmaße von 203520 rmd Pomm. C. bey der Übernahme der Güter mit, sondern fand auf den Gütern das Instrumentarium in so schlechtem Zustande vor, daß aus Mangel an Spannvieh und Saatkorn, gar nicht zum Sommer bestellt worden war, und gleich für mehrere tausend Thaler Saat und Brodtkorn, so wie Ochsen und Pferde gekauft werden mußten, des durch die unverständigste Bewirthschaftungsweise gänzlich erschöpften Ackers nicht zu gedenken. Obgleich ihm sein Vater die Versicherung gegeben, daß außer den aufgeführten Schulden, keine weiteren Reste wären, und er namentlich das Geld zu den Zinszahlungen des bevorstehenden Trinitatis Termins baar vorfinden würde, so fand sich in der Kaße nicht allein gar nichts vor, sondern fast alle Dienstleute hatten bedeutende Rückstände, ja selbst viele Auslagen zu fordern, so wie auch ansehnliche Rechnungen bey den Kaufleuten, Schlächtern u. s. w. der benachbarten Städte zu tilgen waren. Hierzu gesellte sich auch die Invasion des Freykorps von Schill im selbigen Frühjahre, und der dadurch herbey geführte Einmarsch eines bedeutenden Corps Französischer Truppen, wurde die Veranlaßung zu vielen drückenden Lieferungen und Fuhren aller Art.
Obgleich nun meine beyden Schwiegerältern fast von Jugend auf in der Stadt und am Hofe gelebt hatten, und also von der Landwirthschaft nichts verstehen konnten, so gelang es ihnen doch durch Sparsamkeit, Ordnung und Thätigkeit, dieses Chaos etwas zu ordnen, wobey der besonders thätige und umsichtige Inspektor Lösewitz, welchen mein Schwiegervater das Glück hatte zu bekommen, ein sehr wesentliches Verdienst hatte. Die verwilderten Äcker, wurden allmählich durch zweckmäßige Eintheilung wieder in Kultur gebracht, das höchst mangelhafte Inventarium der Güter, so viel es sich thun ließ wieder komplettirt; zwey natürliche Söhne des Gen. Lt., welche zu Carlsburg und Gr. Jasedow als Inspektoren angestellt, und ebenso unwissend als faul waren, wurden (nicht ohne bedeutende Geldopfer) entfernt. Z. B. in Dargun angeliehene Kapitalien wurden abgetragen, wobey es meinem Schwiegervater zu Statten kam, daß seine bekannte Rechtlichkeit und guter Nahme ihm Kredit machten, er auch etwas baares Geld aus Cassel mitbrachte, so wie auch von dem Vermögen seiner Frau mit verwenden konnte. Die Zeiten wurden jedoch immer schlechter, die Producte sanken immer mehr im Preise, und in gleichem Maaße stiegen dabey die Lasten durch die fortwährende Anwesenheit des Feindes, in Folge der oben erwähnten Einfalles des Schillchen Corps (1811 traten in einer Nacht 42 Knechte und andere Leute von den Gütern, aus Furcht vor der Aushebung aus, was natürlich keine geringe Verlegenheit war.) 1811 war ein durch die große Hitze und Dürre des bekannten Kometenjahres herbey geführter fast gänzlicher Mißwachs auf den Gütern, und doppelt schwer lastete jetzt der Unterhalt des Gen. Lt., welcher sich neben vielen Naturalien, Holz etc. 3000 rmd Pom. C. jährlich, und das Haus in Greifswald ausbedungen hatte. Bey dem Zusammentreffen aller dieser Umstände
sahe sich mein Schwiegervater genöthigt Trinitatis 1812 einen Vergleich mit seinen Gläubigern zu treffen, wonach ihm in 4 Jahren keine Kapitalien gekündigt werden, und er während dieser Zeit, anstatt 5, ur 4 pc. Zinsen bezahlen sollte. (Mein rechtlicher, wackerer Schwiegervater, hat später hin in den Jahren 1820-1825, als der Himmel seinen Fleiß und seine Anstrengungen gesegnet, diese 4 pc. Zinsen allen denen, welche es irgend bedurften, alle Wittwen, Waisen und milde Stiftungen, aus freyen Stücken nachgezahlt, obgleich er es gar nicht nöthig hatte) Auch der General sein Vater, mußte die oben erwähnten bedeutenden Reserata, welche er sich ausbedungen, trotz dem, daß ihm der durch ihn allein verursachte üble Vermögens Zustand sehr wohl bekannt seyn mußte, bey dieser Gelegenheit ermäßigen, und sich bis in seinem im Januar 1813 zu Greifswald erfolgtem Tode mit 500 rmd begnügen. Die im Archiv zu Carlsb. befindliche Abtretungs Urkunde, und der Vergleich von 1812 enthalten darüber das Nähere.
Durch verdoppelten Fleiß, Ordnung und Sparsamkeit, und mit Hülfe dieser augenblicklichen Erleichterungen, gelang es meinem Schwiegervater die Güter in den kritischen Zeiten von 1811-1814 zu erhalten, und der Himmel segnete seine redlichen Bemühungen durch allmählich verbeßerten Ertrag des zweckmäßig behandelten Ackers, so wie durch sehr gute Erndten bey den hohen Preisen der Jahre 1816 bis 1820, wo der Ertrag mit Inbegriff von Murchin und Crentzow sehr bedeutend war, und zwischen 24000 bis 30000 rmd, der baare Überschuß aber zwischen 15000 und 20000 rmd Pom. Cour. betrug, wie ich solches aus den Büchern meines seeligen Schwiegervaters ausgezogen habe.

Im Jahre 1819 hatte mein Schwiegervater das Glück Crentzow und Zarrentin an einen Herrn von Quistorp für 56000 rmd, und Murchin nebst Libbenow an einen Herrn Homeyer für 111500 rmd Pom. C. zu verkaufen, und sahe sich hierdurch zu seiner großen Beruhigung, in der Lage fast seine sämmtlichen, ihn so schwer drückenden Schulden zu bezahlen, und sich dadurch von einer großen Sorge zu befreyen. Dieser Verkauf war ein um so größeres Glück, als er vorher noch, während 4 Jahren, die bedeutenden Einkünfte dieser großen Güter genoßen, nacher aber einen Theil derselben gerade zu der Zeit verkaufte, als kurz darauf die für den Landmann so sehr drückenden Zeiten, und die Werthlosigkeit aller Producte eintrat, wo dann der Bruch bey dieser Schuldenmaße, und der Kreditlosigkeit jener Zeit ganz unvermeidlich gewesen.

Mit einem Auszug aus dem alten Kirchenbuch von Zarnekow enden die Einträge Theodors. Sein Sohn setzt den allgemeinen Teil fort mit einem Nachruf auf den Tod seines Vaters am 1. Mai 1773.

Zu baulichen Veränderungen des Karlsburger Schlosses: Brief Friedrich von Bismarck-Bohlens an seinen Sohn Friedrich Carl

Im März 1891 offeriert Friedrich Carl Alexander Theodor Paul Graf von Bismarck-Bohlen seinem Sohn Friedrich Carl eine Auflistung der in der Zukunft zu erledigenden Um- und Neubauten am und im Karlsburger Schloss, welche dann Helene geb. Tiele-Winckler, die Frau von Friedrich Carl, in die Tat umsetzte. Dazu beschreibt er in einem Brief das Interieur, ermahnt seine Nachkommen die Ausstattung in Ehren zu erhalten wie es die Vorfahren schon getan hätten. Er beschreibt ausführlich die am Schloss notwendigen Reparaturen. Durch den Brief bekommt man einen Ahnung von der Einrichtung des Schlosses, wie sie einmal war. Nachfolgend ist der Originaltext eingestellt.

Zweck der baulichen Veränderungen im Carlsburger Schloß

  1. Sicherung der Gallerie (Bibliothek) u. des Eßzimmers durch Erneuerung der Balken, die sämtlich schadhaft.
  2. Verbindung des Flügels mit dem alten Hause, oben.
  3. Erleichterung des Schlosses durch Fortnahme der geschleiften Schornsteine, u. dadurch verringerte Feuergefahr. –
  4. Herstellung eines größeren Fluhrs (Halle) unten über dem Perron.
  5. Schaffung ordentlicher hinreichender Räume für das dienende Personal u. die Hauswirthschaft.
  6. Eine angenehme Vorfahrt zum Ein: und Aussteigen
  7. Gemeinsames Schlafzimmer für den Hausherrn u. Hausfrau.
  8. Herstellung der nöthigen Kinder:Zimmer u. nöthigen Bequemlichkeiten für ihre Umgebung.
  9. Daß das Schloß für die kalten Jahreszeiten wärmer wird.
  10. Anlage 2er Wasserheizungen (Öfen werden beibehalten) für das alte Haus, vor dem Weinkeller; für den Flügel unter der Halle oder im Holzkeller nebst Nebenkeller.
  11. Erhöhung der ganzen oberen Etage im Flügel u. alten Hause die nur 11 Fuß haben auf 14 Fuß. Das Material liefern die Schornsteine voraussichtlich.
  12. Schönes Thurmzimmer über dem Perron mit Aussicht über den ganzen Hof; Friedr. Carls Sammlungen v. Geweihen u. Rauchzimmer geeignet.

Ausführung

  1. Die Balken in der Gallerie u. Eßzimmer werden fortgenommen u. durch neue ersetzt
  2. Die Verbindung zwischen Flügel u. altem Hause, oben, wird hergestellt (der Flhr nach Norden hin)
  3. Zimmer auf der Südseite. No: 2 u. No 3 befinden sich also über der Gallerie (Bibliothek)
  4. Abtragen der geschleiften Schornsteine im alten Hause u. Flügel.
  5. Halle über dem Perron herstellen. Zumauern der 3 Fenster des jetzigen Eßzimmers …
  6. Die jetzige Hausthür und das Fenster an der Schenke werden durch 2 Bogen ersetzt die in der Mitte an einen Pfeiler sich stützen; (bleibt zwischen Hausthür u. Fenster stehn)
  7. Wagenschutz nach dem Hof zum Aus: u. Einsteigen in die Wagen
  8. Aufzug für Speisen nach der Küche.
  9. Verlegen der Küchentreppe, so daß man aus der Halle direkt in diese kann.
  10. Fortnahme der alten Treppe nach oben u. in den Keller
  11. Einrichtung der gemeinsamen Schlafstube für den Hausherrn u. Gemalin – rep. Wochenzimmer. Der ganze Raum der jetzt von der Schlafstube u. Garderobe eingenommen wir, ist nöthig. Entfernung der Mauer am jetzigen Bett u. Ersatz durch einen Bogen; wie denn überhaupt die ganze Schlafstube leicht eingewölbt werden muß um bei Feuergefahr das Wohnzimmer gesichert zu haben. Zumauern des Fensters über dem Tresor. Ausgang vom Schlafzimmer nach der Jungfernstube vor den Betten, nach dem Ofen zu um dort Nahrung für Baby u. Wöchnerin bereiten zu können Bett in der Jungfernstube.
  12. Da die jetzige obere Etage nur c. 11 Fuß (?) hoch ist, so empfiehlt es sich alle Etagen im Flügel u. altem Hause aus Gesundheitsrücksichten auf 14 Fuß zu erhöhen.
  13. Eindecken des Neubaus mit Schiefer
  14. Der Neubau wird nicht viele Kosten machen.

Carlsburg 9ter März 1891

Mein lieber Friedrich Carl!

Der Wunsch Dich über unser altes liebes Haus und seine Einrichtung zu orientieren u. auch unsere Nachkommen dermaleinst Gelegenheit zu geben Pietät walten zu lassen in alten Sachen, die oft Generationen gedient haben u. dann auf Kutscher u. Bedientenstuben ruinirt werden, was vermieden werden kann, wenn man weiß wem sie früher gedient u. endlich der Umstand, daß ich der Einzige bin nebst meiner lieben Schwester der noch mit meinen lieben Großeltern Bohlen Carlsburg u. seine damalige Bewohnung gekannt hat, veranlaßt mich zu diesen Aufzeichnungen, die ich besonders für Dich bestimme. Fern liegt mir der Gedanke Dich dadurch beeinflußen zu wollen, über die Einrichtung Eures künftigen Heimes, da ich wohl weiß, daß jede Generation ihre Ansichten u. ihre Bedürfnisse hat, u. mich u. die geliebte Mutter – die wir so ziemlich alles gelassen haben u. so bewohnten, wie es von meinen Eltern auf uns gekommen – als Vorbild für Euch hinstellen zu wollen, nicht verleugnen der darin sich ausdrückt, daß ich eine Genugthuung darin finde, zu wohnen wie meine Vorfahren „war ihnen gut genug, soll es auch für mich sein“. Ohne diesen Zug würde man ja überhaupt alte Hauseinrichtungen nicht finden u. das was ich hier erlebt u. mit eigenen Augen gesehn stärkte mich noch in meinem Gefühl. Die Bettstelle in der meine liebe Mutter u. Großmutter auch meine geliebte Frau gelegen u. in der ich u. meine liebe Schwester u. unser Bruder Carl geboren, fand ich auf dem Diener:Zimmer u ließ sie wieder an ihren Platz bringen unten in meiner Frau Schlafstube.

Carlsburg ist wie des Näheren aus dem Hausbuch ersichtlich, von dem kg. Schwedischen Regierungsrat Carl Heinrich Berndt von Bohlen, der 1745 in den Reichsgrafenstand erhoben ward – erbaut, nachdem der ganze Hof 1732 abgebrandt war; es ließ damals Gnatzkow (wohl mit dem slavischen Wort Gnas – Nacht zusammen hängend – Nachtdorf – Nachtort; worauf mein verehrter Herr u. König Fried. Wilhelm IV mich noch hingewiesen, bei einem Besuch hier) daß übrigens eine Veränderung der ganzen Hoflage u namentlich des Herrnhauses beabsichtigt war, schon vor dem Brande, darf man aus dem alten Bauplan annehmen, der schon von 1731 datirt, wenn ich mich richtig erinnere, auch königl. Schwedischer Regierungsrat – sein großes Bild in der drap d’or Weste hängt in der weißen Gallerie dessen Mutter u Großmutter Fräulein v. Normanns waren – hat Gnatzkow zuerst besessen u. wahrscheinlich wohnte schon sein Vater Olof von Bohlen daselbst, der erste Bohlen der von Wittow, wo die Familie herstammt, nach Pommern resp. Gnatzkow  seiner Frau Marie Lucretia v. Normann folgend. Als dieser Zweig der Normanns in männlicher Linie erloschen belehnte Carl XI seinen Kanzler Freiherrn v. Lagerström 1798 mit Gnatzkow, der aber schon im folgenden Jahre von dem daselbst wohnenden Christoph v. B. gegen eine Kaufsumme erworben wurde. (rid. Hausbuch u. den sehr interessanten dort einliegenden eigenhändigen Brf des Herrn v. Bohlen des Historographen seiner Familie) Jasedow ward 1702 – der adlige Antheil von Zarnekow schon früher erworben.

Der Erbauer Carl Heinrich Berndt v. B. lebte zum Theil in Stralsund, wo ihm das schöne Haus, was jetzt dem Landkasten zu eigen, gehörte – in der Bader Straße gerade gegenüber der Regierung – dieß mochte wohl mit die Veranlassung sein, daß der Bau mehr für sommerliche u. gesellschaftliche Verhältnisse als für winterliche Häuslichkeit berechnet worden ist. Im corps de logis wohnte die Frau im schwedischen Kabinet, der Mann im jetzigen Königszimmer mit Ausgang in die große Gallerie – Bibliothek – durch das brasilianische Kabinet u. eine 2te Tür die übertapezirt in einen Bücherschrank der Bibliothek erkennbar ist. Schlafzimmer war die Alkovenstube, Eßzimmer die alte Eßstube. Die alte Küche – jetzt Waschraum befand sich unter dem brasilianischen Kabinet u. die schönen Kellerräume gewährten für alle wirtschaftlichen Bedürfnisse überreichlichen Raum. Die obere Etage des alten Hauses, die für die Familie u. den Besuch bestimmt war zeigt in ihrer Eintheilung, daß meist 1 zweifenstriges Wohnzimmer mit einem 1fenstrigen Schlafzimmer od. Kabinet in Verbindung stand. Das sogenannte alte Schulzimmer ward vom „Herrn Magister“ eingenommen dem Hauslehrer der jungen Herrn, wo noch mein lieber Großvater mit seinen zahlreichen Brüdern manchen Seufzer ausgestoßen haben mag. – Der Flügel ist wohl vom Erbauer nicht eingerichtet gewesen. Die großen Ausgaben für den Haus: Hofaufbau hatten sein ansehnliches Vermögen doch so angegriffen, daß er, als 1757 der siebenjährige Krieg für Preußen ausbrach an den Schweden sich als Gegner beteiligte, seinen Gläubigern nicht gerecht werden konnte. Ein plötzlicher Tod befreite ihn von dem Zusammenbruch der dann erfolgte, womit sein ältester Sohn der spätere Generallieutnant u. Generaladjutant Graf Carl v. Bohlen die Güter aus dem Concurs kaufte. – Von ihm, der auch einige Zeit in preuß. Dienst u. zwar als Adjutant Friedrich II gewesen u. nachher Schwedischer Gesandter in Berlin war, ist die Einrichtung des Flügels ausgegangen wie auch die des Alkoven:Zimmers der … Kabinette. Die weiße Gallerie u. die große Gallerie mit seiner Bibliothek, waren nur dürftig eingerichtet, wie ich mir aus frühester Kindheit erinnere; letztere war im klassischen Styl gedacht, da die Wände zwischen den Fenstern die broncirten Gipsköpfe der römischen Kaiser zeigten, vor deren dunkeln u. mageren Gesichtern ich mich als Knabe offen gesagt, oft fürchtete. Das Eßzimmer hatte seine schönen Kupferstiche u. werthvollen Stiche in schwarzer Kunst noch wie heute. Die Decke war Kassettenartig gemalt mit einer Lichtöffnung u. Gallerie im Centrum, auf der zwei bunte Vögel saßen die jedesmal wenn wir als Kinder – meine liebe Schwester u. ich – mit den Eltern aus Stralsund kamen, unsere ununterbrochene Aufmerksamkeit erregten, so daß wir ermahnt wurden: nicht immer nach oben zu gucken.

Das jetzige grüne Zimmer mit der seidenen Tapete u. unsern Bildern, war Wohnzimmer der Herrin, mit alten haute de lisse Tapeten u. dem jetzigen in die Wand eingelassenen Spiegel versehn. Die Tapeten waren düstere große Landschaften in gestickter Wolle u. Seide darstellend, in der 2 Flamingos sich kenntlich machten; ein großer u. ein kleiner. Meine theure Großmutter Bohlen, die Freude am Leben u. geistig hochbegabt war nun seit 1809 von dem glänzenden aber kleinen Hof zu Cassel (der alte Fürst Wittgenstein, Minister des Hauses unter Friedrich Wilhelm III. hat mir als junger Officier in seinem hessischen Dialekt öfter gesagt: lieber Kraf ihre Frau Großmutter war die einzigste anständige Dame (Tame) in Cassel am Hof! Mein Großvater Hofmarschall bei dem Kurfürsten blieb auf dessen bestimmten Wunsch auch unter d. Bonaparte damit nicht alles drüber u. drunter gehe. Lange konnte es doch nicht dauern) unter dem berüchtigten Jerome Bonaparte in die Carlsburger Einsamkeit mit ihren beiden Töchtern versetzt war – hatte beiden Kindern in den Flamingos ihre Zukunft vorausgesagt – wie sie in der Einsamkeit hier sitzen bleiben würden; der kleine meine selige Mutter, der große die liebe Tante Henckel die mehr als Frauengröße erreichte. Es ist ja aber alles anders gekommen, durch Gottes Gnade. – das Folgende Zimmer jetzige Bilderstube – hatte die schöne alte Seidentapete mit den Hirschen u. ein entsprechendes Ameublement mit demselben Stoff. Bei der Eltermutter Bohlen soll es Schlafzimmer gewesen sein, mit einem großen Himmelbett für das Ehepaar; das Kabinet das Schreibzimmer der Frau, das jetzige Schlafzimmer das Toilettenzimmer u. Garderobe u. Jungfernzimmer daran stoßend. Meine liebe Großmutter u. Mutter durch die Noth der Zeit in einfacherer Art wohnend, hatten dieß aufgegeben das dort befindliche kleine Bureau stammt von meiner lieben Mutter; u. war ein Geschenk ihrer Großmutter Normann meiner Eltermutter aus ihrer Mädchenzeit stammt. Ende der dreißiger Jahre so daß meine liebe Schwester u. ich  c. 18 Jahr mit Ihr erlebt haben. Sie bewohnten das Kabinet, in dem wo jetzt der Schreibtisch steht, ein die Nische ausfüllendes bequemes einfaches Sopha mit vielen Rückenkissen stand; sie saßen im Fenster vor sich ihren kleinen Arbeitstisch u. in der Rundung stand ein Lehnstuhl für Großvater u. Vater, das Ameublement bestand aus schönen geschnitzten Stühlen a l’empire mit Bocksfüßen, die noch oben auf d. alten Schulstube stehn u. wohl besser in das Alkovenzimmer passen würden. Oben bewohnte der Eltervater Bohlen die ganze Etage; Schlafzimmer war Louisens Zimmer; links eine Thür in mein Schlafzimmer was durchgetheilt war, für Garderobe u. Kammerdiener; mein lieber Vater hat erst die Wand entfernen lassen, um ein größeres Schlafzimmer zu bekommen, da mein sel. Großvater in dem kleinen Kammerdienerzimmer schlief u. mein u. meines lieben Vaters Wohnzimmer auch das seinige war. Die schönen alten Mahagoni Meubel aus Vollholz, nebst Schreibtisch, stammen noch vom Eltervater Bohlen, der dieß Zimmer als Rauchzimmer benutzte, wärend das jetzige grüne Zimmer nach dem Garten herraus, Billardzimmer u. das anstoßende mit den beiden Betten sein Wohnzimmer mit Schreibkabinet daneben eine höchst bequeme Quartier ausmachten. Von ihm stammen auch noch die Bilder über den Thüren: Seidlitz u. Zietens Grabmal u. Schwerins Tod bei Prag die als Zeichen der Zeit erhalten werden mußten. Die Kupferstiche stammen von meiner lieben Großmutter ebenso der schöne „Kannitz“ ein alter Mahagoni Schreibtisch von ihrem Vater Walsleben im Styl meiner Meubel; augenblicklich im grünen Zimmer stehend. Die Ories of London u. die in rother Farbe, Werthers Leiden u. Sienen aus dem Shakespeare darstellend wie sie denn überhaupt diese Zimmer bei meinen lieben Eltern bewohnte, wärend die Eltern in großelterlicher Zeit auch dort wohnten: meine liebe Schwester u. ich sind auch dort oben geboren u. standen das Bett meiner lieben Frau u. das in dem ich schlafe dort: diese Bettstellen dienten 3 Generationen: den Großeltern den Eltern u. uns (vid. … Bogen 1). Auch für die Bedienung war früher besser gesorgt. Der Durchbau über Garderobe u. Mädchenzimmer ist erst von meinem Vater angelegt. Unter den Großeltern war das Mädchenzimmer u. Bedientenzimmer hoch u. durchgehend u. richtig an der Thür u. Treppe gelegen. Über dem 1fenstrigen Jungfernzimmer war ein Durchbau: das Mädchenchor mit einer Treppe in die Jungfernstube. Beide hatten aber nur kürzeste Verbindung durch die Bedientenstube, was freilich nicht ganz sachgemäßig erscheint. Die Leute speisten in der sogenannten Kammerstube, unten links im Keller, dann Plettstube u. nun wiederum der Speiseraum bei zahlreicherer Dienerschaft. Die Garderobe war auch hoch u. nicht durchgebaut wie jetzt. Sehr schön u. werthvoll sind dann noch die Mahagoni Meubel in der Eßstube die alle über 100 Jahr alt der 4ten Generation dienen; Tische u. Stühle sind aus Mahagoni Vollholz; nur der Eßtisch ist von mir angeschafft von Mackenthun in Stralsund; ebenso der große in der Bibliothek – ein abgeänderter Billard – zu 40 Personen. Die Bibliothek od. große Gallerie ist von meinen lieben Eltern als Erinnerung an die große Zeit die sie erlebten, eingerichtet worden u. empfehle ich ihre Erhaltung der Pietät meiner Nachkommen. Die schönen Büsten der Feldherrn u. Könige u. ihrer Staatsmänner, bringen die Freiheitskriege u. die Erhebung Preußens zu Erinnerung u. die gegenüber stehenden Gruppen sind die sehr werthvollen u. seltenen Abgüße der in Marmor von dem Bildhauer Schadow in Berlin angefertigten Meisterwerke, die von König Friedrich Wilhelm IV als Kronprinz bestellt, im Zimmer der Königin Elisabeth sich befanden u. wohl auch noch dort sich befinden werden. Sie zeigen die Erneuerung der Sculptur u. der Kunst im allgemeinen, die im Anschluß an die Antike bei uns nach unserer politischen Erhebung durch Rauch u. Schadow, diese großen Meister ins Leben gerufen wurden. Die Büsten von Göthe, Schiller, Alexander von Humboldt u. Rauch über den Thüren, u. die von Blücher, Scharnhorst, Hardenberg u. Wilhelm v. Humboldt sowie die Friedr. Wilhelm III u. Fried. W. IV als Krönprinz (besonders schön) sind von Rauch. Von unserem Kaiser Wilhelm muß noch eine Büste aus d. Zeit der Freiheitskriege gesucht werden. Die Bücherwände sind zu hoch, so daß hier an eine Änderung gedacht werden muß, wobei dann auch die große Menge noch unaufgestellter Bücher, die sich noch in Kisten  z. Theil befindet, zu berücksichtigen sein werden.

Als besonders wertvoll erwähne ich auch noch die schönen Kupferstiche auf der Berliner Stube, die von meinem Großvater Bohlen stammen u. sich früher in schönen Vollmahagoni Rahmen mit einem Perlrand befanden, die noch zum Theil auf dem Boden liegen. Der Geschmack der Zeit konnte soweit gehen sie mit den jetzigen Goldkästen zu vertauschen! –

Zweier großer Oelbilder muß ich noch erwähnen: einmal, den Feldmarschall Schwerin – Originalbild – durch meinen Eltervater Bohlen auf der Auction in Schwerinsburg erstanden, in dem dort nach seinem glorreichen Tod vor Prag der Concurs über das Vermögen seines Schwagers, des Feldmarschalls ausbrach. Beide hatten … Krassow aus dem Pansewitzer Hause zu trauen; sie waren Schwestern. Schwein war ein Lebemann der eine eigene Schauspieler Truppe z. Zeiten hatte u. viel mehr ausgab als er hatte. Als Zeichen vormaliger Zeiten mögte ich hier erwähnen, was ich aus Herrn von Bohlens dem Historiografen eigenem Munde öfter erzählen gehört – daß, Schwerin, der in Anklam sein Regiment hatte als sein Schwiegervater in Pansewitz gestorben u. man ihm die Einsicht in sein Testament verweigerte, er mit einem Commando Unterofficiere sich über die Gränze machte um aus Pansewitz mit Gewalt das betreffende Aktenstück fort zu nehmen; er kam auch bis Stralsund, von wo aber der Besitzer v. Pansewitz benachrichtigt wurde u. nun vom dortigen Kommandanten eine Kavallerie Abteilung requirirte die den Überfall verhinderte. – Mit ihm dem alten Haudegen soll auch eine Beziehung zu dem 2ten großen Bilde bestanden haben: die sogenannte Äbtissin von Wackenitz, was sich noch im alten Haus befindet; sie war Äbtissin des Fräulein Klosters in Barth u. da damals Kenz ein beliebter Brunnenkurort war, so mögen ihre braunen u. Ihr kokettes Gebahren, das auch im Bilde augenscheinlich ist, dem alten Herrn es angethan haben. Das 3te große u. schönste Bild im schwedischen Kabinet – Ulricke Eleonore Königin von Schweden. Schwester Friedrich des Großen ist so viel ich gehört, ein Geschenk von ihr an den Eltervater, dem Generaladjutanten, gewesen. Das Original hängt in Berlin im Schloß in der sogenannten Rothen Gallerie hinter den braunschweigischen Kammern, wo ich es selber gesehn. –

Von den Glas u. Porzellansachen sind einige Stücke bemerkenswerth; alles ist altes Familieneigenthum. Das Service in Sevee mit Kornblumen, was überaus vollständig u. bei großen Diners gebraucht wird, stammt von meinem lieben Schwiegervater Below, der als Inspekteur der Bundesfestung es zollfrei aus Frankreich sich kommen ließ. Das chinesische Theesevice – Meißner – stammt vom Eltervater Bohlen; ebenso das mit runden Tassen – Berliner Fabrikat – ist ein Geschenk Friedrich II an ihn. Sehr werthvoll u. selten – nach Graf Behr Semlow – sollen die Vasen von Fayence weiß mit blauen Zeichnungen sein – die aus der Hyddenseer Fabrik bei Stralsund stammen, die im Besitz des Herrn von Giese – demselben dem Niederhof gehörte – in der Mitte des vorigen Jahrhunderts war. Von den Erben kaufte meine Eltermutter Niederhof Ende des vorigen Jahrhunderts. Auch die sind von Eltervater, ebenso wie die große AUSNEHMEND SCHÖNE Tischplatte in Emaille, die als Curiosium in der weißen Gallerie sich befindet. Das brasilianische Kabinet u. die Steinsammlung erwähne ich nicht weiter: erstere erhielt ich als Knabe vom Onkel Weitz=Eschen in Cassel u. letzteres war von meinem theuren Vater eingerichtet, aus dem was ich von der brasilianischen Reise mit dem Prinzen Adalbert v. Preußen heimbrachte, vermehrt noch durch Einiges was unser lieber Fried. Carl aus Egypten heimbrachte. Die Boa erlegte ich mit meinem Freund u.! Reisegefährten dem Grafen Oriolla, was sich ausführlich in meinen Reiseerinnerungen befindet. Wir verehrten die Haut dem Prinzen Adalbert dessen Gemahlin sie mir nach dem Tode des Prinzen schenkte. Die Tafel erwähnt die Sache. –

Das schöne große Ölbild v. Kaiser Wilhelm I das jetzt im Eßzimmer hängt, paßt ganz genau in die Nische im Königszimmer über dem Sopha; dort ist eigentlich wohl der richtige Platz; ich nahm es in das Eßzimmer wo ich mich täglich über das ähnliche Bild meines theuren alten Herrn u. Kaiser freute. In dem Königszimmer befinden sich noch 2 Schränke übereinander; der eine ist für die Ordens u. Ehrenzeichen gedacht die unsere u. auch fremde Potentaten den Gliedern unseres Geschlechtes verliehen haben. –

Nachdem ich nun Bericht über den Status quo unseres alten Familienhauses gegeben, mögte noch für die Zukunft einige Bemerkungen anschließen, über seinen baulichen Zustand u. über die wohl wünschenswerthen Veränderungen zu denen ich mich wegen der Kosten u. wegen meines Alters nicht entschließen konnte. –

Zuerst bemerke ich im Allgemeinen, daß die schweren geschleppten Schornsteine – die jetzt gar nicht mehr angelegt werden dürfen – sowohl den Flügel wie das alte Haus schwer belasten u. deren Entfernung eine wesentliche Verbesserung sein würden; nicht allein durch Entlastung des Gebäudes sondern auch bezüglich des Raumes der dadurch gewonnen würde für wirthschaftliche Bedürfnisse u. Wohnungsräume für die Dienerschaft. Trockenböden, Garderoben, Raum für Kleiderschränke u. Diener: resp. Mädchenzimmer würden sich dann nach Belieben herstellen lassen, was wegen der Entfernung zwischen Flügel u. Corps de logis an beiden Stellen wohl nöthig wird, um die Schleppereien z.B. auch der Meubel zu verringern. Das Erforderniß eines Trockenbodens sowohl im Flügel wie im alten Hause, eines erschließbaren Raumes für die unreine Wäsche, eines Gardmeubels auch im Flügel hat sich oft fühlbar gemacht. Nimmt man die Schornsteine fort u ersetzt sie durch russische Rohre, so ist eine Veränderung des Daches geboten. Die alten glasirten Pfannen des Flügels müßten durch ein Schieferdach ersetzt werden, weil sie meist schafhaft sind u. den … nicht mehr halten; nach jedem Sturm ist eigentlich Reparatur erforderlich; im alten Haus ist die ganze Eisenbekleidung unter dem Schieferdach verbraucht; auch diese müßte durch Schiefer ersetzt werden, was freilich auch wohl eine Änderung in der Holzconstruction erfordern würde, weil eine Biegung mit Schiefer wohl schwer herzustellen, wenigstens nie so haltbar sein wird, wie ein gerades Schieferdach. Wenn denn doch an eine so weitgehende bauliche Veränderung gegangen – wahrscheinlich werden sich auch schadhafte Balken ergeben, wie dieß z. B. in der Gallerie vielfach der Fall ist, so tritt die Frage ev. Heran, ob man nicht überhaupt sich zu einer weitgehenden baulichen Änderung entschließen will, die schon meinen lieben Vater u. auch mich beschäftigt hat, so daß schon Entwürfe u. Zeichnungen gemacht wurden u. ich einen Architekten auch aus Berlin vor Jahren kommen ließ dessen Vorschläge ich erwähnen werde. –

Es handelte sich um die sehr wichtige Schaffung einer direkten Verbindung zwischen Corps de logis u. Flügel, über der Gallerie fort, sodaß die Treppen erspart werden. Da, wie schon erwähnt, fast alle Balken in der Gallerie schadhaft sind auch der Windelboden, der eigentlich gar kein Windelboden ist – höchst leichtfertig ausgeführt worden, so daß auch schon mehrere Mal ganze Stücken des Deckenputzes herunter gefallen sind, mithin diese bedeutende Reparatur in kurzer Zeit nothwendig wird, so würde damit ein Neubau über der Gallerie sich verbinden lassen, indem man ein Mansarden=Stock aufsetzt, der nach Norden zu einen Corridor u. Verbindungsgang hat u. nach Süden eine beliebige Anzahl Stuben gestatten würde, wodurch dem Flügel der ihm so fehlende Raum für die Waschschränke u. ein gutes Mädchenzimmer geschaffen werden würde, u. dem alten Hause auch einige Fremdenzimmer zuwachsen könnten, die eigentlich recht nöthig sind, um eine große Familie wie die unsere, doch mit Kind u. Kegel zur Sommerzeit zusammen beherbergen zu können. Man würde aus dem Flügel, in der oberen Etage, das 3te Fenster der Westseite – jetzt zum Theil durch das Galleriedach verdeckt – Zum Ausgangspunkt des Corridors wählen u. damit in das gegenüberliegende Ostfenster des alten Hauses hineingehen, wo man in die kleine Vorratskammer u. dann direkt auf den Corridor gelangt. Über dem jetzigen Eßzimmer wäre für Mädchenstube u. Waschraum wohl der richtige Fleck u. zwar erstere unter Benutzung des Schornsteins für den Ofen, wärend die anderen Zimmer wohl durch Wasser u. Luftheizung erwärmt werden müßten – bis auf das was den Schornstein des alten Hauses benutzen könnte, für einen heimischen Kachelofen. Da die Zwischenwände möglichst leicht sein müßten, um die Galleriebalken nicht sehr zu belasten – ein Hängemaß für die Balken empfiehlt sich überhaupt – u. aus demselben Grunde die Aufführung russ. Rohre sich nicht empfehlen würde, so bin ich entschieden für Wasserheizung deren Anlage im Keller unter der Gallerie sich empfiehlt, wodurch auch diesen schwer heizbaren Räumen Abhilfe geschaffen werden könnte. Auch würde eine solche Einrichtung sich im alten Hause empfehlen wo die Kellerräume z. B. vor dem Weinkeller geeignet sein würden. Auch bei Feuergefahr u. gegen dieselbe ist Wasserheizung empfehlenswerth. Der Mansardenstock über der Gallerie würde sich im Styl an die Dächer des alten Hauses u. des Flügels harmonisch anschließen. –

Was nun den erwähnten Umbau anbelangt, so hatte ich mit dem Berliner Architekten nachstehendes beredet u. er mir einen Treppenthurm vorgeschlagen der an Stelle des Perons sich erheben sollte u. … würde:

  1. Bedecktes Einsteigen in den Wagen – vielleicht durch einen kurzen Glasschutz.
  2. Vergrößerung des Flurs, in dem die jetzige Hausthür u. das daneben befindliche Fenster zum Eingang vertieft, zwei Eingänge in den Treppenraum sowohl nach außen wie nach innen ergeben würde; ersterer würde da neu geschaffen werden durch den Neubau
  3. Erweiterung der zu engen Thür in das Eßzimmer durch Wegnahme von Mauerwerk.
  4. Herrschaftliches Zimmer über dem Treppenraum des Neubaus zum Rauchzimmer resp. Geweihsammlung u. Gewehrzimmer für den Herrn, mit Ausgang auf den Flur gegenüber meinem Zimmer.

Es würde sich alsdann von selbst ergeben:

  1. Verlegung des Bedientenzimmers in d. jetzige Mädchenstube u. Fortnahme des Durchbaues vielleicht mit einer eisernen Treppe nach der letzigen Thür um schneller nach oben zu kommen.
  2. Ausgang aus dem Jungfernzimmer nach der sogenannten Kammer u. Einrichtung eines weißen Corridors für die Jungfer.
  3. Verlegung der Treppe aus der jetzigen Mädchenstube in d. Jungfernstube, wie sie schon früher war u. ev. Entfernung der Durchbauten über dem Jungfernzimmer u. der Garderobe.

Zur Erwägung stelle ich schließlich: ob wenn so große bauliche Änderungen beschlossen werden nicht die Erhöhung von Flügel u. d. alten Hause um einige Fuß Mauerwerk sich empfehlen würden? Dann würden die Stuben der unteren Etagen ungemein gewinnen; Das Mauerwerk ist stark genug u. wenn die Dachconstruction u. Balkenlage erneuert werden müssen, resp zu verändern sind, so würde doch so ziemlich alles über dem Mauerwerk heruntergenommen werden müssen. Außerdem sind sämtliche Fenster der oberen des alten Hauses u. auch theils im Flügel, erneuerungsbedürftig nachdem sie über 1 1/2 Jahrhundert gedient haben; da würde eine Erhöhung der Fensterlöcher sich empfehlen wenn doch neue Fenster gemacht werden müssen.

Was nun die früheren Pläne bezüglich Umbaus u. wohnlicheren Veränderungen anbelangt, so will ich noch folgendes erwähnen. Mein Großvater Bohlen soll die Absicht gehabt haben, die Ausrundung im alten Hause nach dem Hof auszubauen, wofür ein im Archiv befindlicher Plan zu einem Balkon zu sprechen scheint. –

Mein lieber Vater hatte die Idee eine Verbindung zwischen Flügel u. Corps de logis durch eine eiserne Gallerie herzustellen, die auf der Nordseite der Bibliothek, in Fensterhöhe entlang gehend, vom Peron aus bis an das alte Haus u. dann mit einer Wendeltreppe nach oben gehend, gedacht war. Ein unfertiger Plan mit Zimmereintheilung über der Gallerie befindet sich auch noch im Archiv.

Wenn ein Umbau stattfinden soll, so bemerke ich noch schließlich, daß ich als dann die Benutzung des Regenwassers von den Dächern empfehlen mögte, zur Anlegung von Reservoiren; wenigsten auf den Böden des alten Hauses u. des Flügels, von wo aus man durch einfache Anlage eines Feuerhahns oben u. durch eine Rohrleitung in die Etagen wenigstens zu Zeiten Wasser sich verschaffen kann; endlich würde das Werk eines Neubaues gekrönt werden müssen durch Telegrafen, Telephone u. Beleuchtung neuester Systeme oder Heizungen. Zu alle dem wünsche ich meinen lieben Nachkommen Einsicht Weisheit u. vornämlich einen vollen Beutel, zu alle dem aber Gottes Segen u. daß sie das biblische Wort bedenken mögen „den Thurm nicht anzufangen ohne Überlegung der Kosten“.

F. Bismarck:Bohlen

General Adjutant.

Die Familie Bismarck-Bohlen, die Zarnekower Kirche und andere Geschichten

In diesem Beitrag soll neben den Begebenheiten und Einträgen, die sich in Carolines Lebensbeschreibung oder im Hausbuch der Bismarck-Bohlen in Bezug auf die Zarnekower Kirche finden, auch Pastor Siegfried Barsch zu Wort kommen, der von 1959 an bis in die Wendezeit hinein in Zarnekow als Seelsorger tätig war. Die Chronik der Kirchgemeinde Zarnekow 1729 bis 1946 und weitere Dokumente aus dem Kirchenarchiv wurden ebenfalls hinzugezogen, wofür ich Pastor Rau herzlich danke.

Da diese Schilderungen ganz unterschiedlicher Natur sind, ergibt sich eine Vielfalt von Notizen und Episoden, die teils Bezug zu der Familie Bismarck-Bohlen, teils Bezug zur Zarnekower Kirche haben. Ein historischer Abriss ist nicht beabsichtigt.

Die Kirche wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaut, 1415 erstmals erwähnt, und hat seitdem einige Veränderungen erlebt. Z. B. wurde der Turm, nachdem er 1584 wegen Baufälligkeit abgebrochen werden musste, erst 1892 wieder errichtet und zwar u. a. mit einer Spende des Dieners der Bismarck-Bohlen, Heinrich Holst aus Karlsburg, zuletzt Kastellan in Niederhof, der 1892 sein Vermögen dem Grafen Friedrich von Bismarck-Bohlen vererbte.

An der Nordseite des Turmeingangs befand sich eine Marmortafel, die heute im Innenraum des Kirchturms in die Wand eingelassen ist, mit folgender Inschrift:

Kastellan H. Holst, 44 Jahre im Dienst zu Carlsburg, gestorben am 26. Januar 1892, hat durch Vermächtnis Veranlassung zur Wiedererrichtung des Thurms gegeben, der seit 300 Jahren der Kirche gefehlt hat.
EHRE SEINEM ANDENKEN!
Hagai, 8: gehet hin u. bauet Das Haus, das soll Mir angenehm sein u. will meine Ehre erweisen, spricht der Herr.

Für die Zarnekower Kirche stifteten schon im 17. Jahrhundert Ernst von Normann, Besitzer der Karlsburger Güter, und seine Frau Eva von Tribsees (Tribbesehs) einen Sandsteinaltar. Beide Namen stehen links und rechts auf dem oberen Ende der äußeren das Abendmahl einrahmenden Säulen unterhalb der Familienwappen.

Der aus Sandstein gefertigte Altar:
Er hat ein Gedechtnis gestiftet seiner Wunder der gnedige und barmherzige Herr. Psa. III

Eine Grabplatte aus Kalkstein erinnert ebenfalls an die Familie von Normann, die übrigens auch Vorfahren der Caroline von Bohlen (1798-1858) waren. Maria Lucretia von Normann heiratete 1679 Christoph von Bohlen.

Eines der Kirchenfenster
Ein weiteres Kirchenfenster

Einige Informationen zur Historie lesen sich in der Chronik der Kirchengemeinde Zarnekow folgendermaßen:

Anno 1732 diese Kirche zu Zarneckow oben an allen Balcken vorgeschossen, das meiste vom Dach neu gelegt, beyde Giebel ausgebessert und abgeweisset[,] dazu auch innenwendig gäntzlich ausgeweisset, und die Fenster mit blau und gelbe ausgezieret.

Anno 1741[,] da das Kirch Spiehl ein belieben getragen[,] eine kleine Kirchen Glocke anzuschaffen durch einen milden Beytrag. So ist auch solches bewerkstelligt: und wieget diese Glocke 282 Pfund und kostet mit allen Unkosten 98 Rht 40 Gr. Hierzu hat die Land Collecte gebracht 75 Rht., das Übrige hat das Kirch Spiehl zusammen gebracht. Diese Glocke ist den 3. Advent eingeweihet und zum ersten Mahle zum Dienste Gottes gebraucht worden. Der liebe Gott bewahre sie vor Unglücks Zufälle.

Die Zarnekower Kirche wurde von der Familie von Bohlen zu den Gottesdiensten regelmäßig, sofern sie sich in Karlsburg aufhielten, besucht. Das geht aus den Briefen von Caroline und Theodor hervor, aber auch Friedrich von Bismarck-Bohlen schrieb seiner Frau des öfteren, dass er – oft auch mit den Kindern – zur Kirche gefahren sei und dass die Predigten mal sehr gut, mal ziemlich schlecht und unbedeutend gewesen seien.

Die Bohlensche Gruft unter der Kirche zeugt ebenfalls von der engen Verbindung zur Zarnekower Kirche. Hier wurde auch Carolines Vater, der Reichsgraf Friedrich Ludwig von Bohlen, 1828 beigesetzt. Es sollte die letzte Beisetzung in der Gruft sein. Einzig bis zur Fertigstellung der Begräbniskapelle in Steinfurth wurde Carolines aus Venedig überführter Sarg ebenfalls in der Gruft abgestellt.

Dazu heißt es in der Chronik: Anno 1858 starb am 14.1. in Venedig Carolina Elisabeth Agnes Sophie geb. Gräfin von Bohlen, Ehefrau des Grafen von Bismarck=Bohlen auf Carlsburg im Alter von 59 Jahren an der Schwindtsucht. 4 Wochen wurden Mittags die Glocken geläutet. Am 24. July 1859 wurde die Verstorbene in der auf dem Kirchhof zu Steinfurth neuerbauten Kapelle beigesetzt.

Das Engagement mehrerer Generationen der Bismarck-Bohlen zeigt die tiefe Verbundenheit mit ihrer Kirchgemeinde. Caroline erwähnt in ihrer Lebensbeschreibung mehrfach die Fahrten nach Zarnekow zum Gottesdienst oder ins Pfarrhaus.

Bei einer Rückkehr von Niederhof, ward über Zarnekow gefahren, im Pfarrhause ausgestiegen, in des Pastors bester Stube war das Tischchen gedeckt, mit dem Kranz darauf, der Bräutigam (der Erzieherin) empfing uns, die Trauung ging vor sich u der Ehebund war en passant geschlossen.

1812 D. 10ten Januar starb mein Großvater u wir gingen nach Carlsburg. Den 14ten war das Begräbniß (des Großvaters) in der Kirche zu Zarnekow, was ich mit angesehen habe, meine Mutter war aber nicht mit.

Albert August Schulz
Pastor zu Zarnekow von 1797 – 1838
der zehnte Pastor nach der Reformation

D. 23ten Februar (1813) fing mein ReligionsUnterricht beim guten Pastor Schulz in Zarnekow an, ich erhielt im Ganzen 14 Stunden, legte am 11ten April dem Palm Sonntage mein Bekenntniß ab, was er mir aufgesetzt, meine Großmutter war dazu gekommen, u den 18ten am heiligen Osterfest ging ich zum ersten Mal mit meinen Eltern u meiner Großmutter zum heiligen Abendmahl. Ich gedenke jedes Mal[,] daß ich wieder vor diesen Altar trete, jener ersten Feier u jedes Mal mit größerer Andacht u größerer Dankbarkeit.

Am 12. November 1816 wurde die Hochzeit der Schwester Julie mit Carl Lazarus Henckel von Donnersmarck im Karlsburger Schloss gefeiert, Pastor Schulz hielt die Traurede.

Auch im Hausbuch der Grafen von Bismarck-Bohlen werden Kirche und Pfarrhaus einige Male erwähnt, obwohl die Wrangelsburger Adligen, zunächst der Generalgouverneur für Schwedisch-Vorpommern, der schwedische General von Wrangel, und später dann die nachfolgenden Besitzer von Wrangelsburg, das Patronat der Zarnekower Kirche inne hatten. Aus den Eintragungen erfährt man, dass die gräfliche Familie sich auch für die Erhaltung von Pfarrhaus und -garten zuständig fühlte:

1838. Im Herbst d. J. wurde der Pastor Schultz zu Zarnekow, nachdem er über 40 Jahr im Amte gewesen, zur Ruhe gesetzt, und der Pastor Cornelius aus Netzelkow wurde Nachfolger.

1840. das Pfarrhaus zu Zarnekow fast ganz durch gebauet, neue Fenster, Öfen etc., bedeutend verlängert. Auch die Hofgebäude stark reparirt.

1838. Neue Brunnen und Pumpe, im Pfarrhaus zu Zarnekow.

1858/59. Die alte vBohlensche Familien Gruft in der Kirche zu Zarnekow, war gänzlich ausgefüllt von Särgen, ganz niedrig und dunkel und ich beschloß, auch da durch meine Frau und mich, eigentlich eine ganz neue Familie gegründet wurde, zugleich aber auch, um ihr[,] der so heißgeliebten[,] eine würdige Ruhestätte, mit einer Stelle an ihrer Seite und meinen Nachkommen eine gemeinschaftliche, geräumige und freundliche Gruft herzustellen, den Bau der Capelle, welchen ich unter Gottes gnädigem Beistand, dies Jahr glücklich vollendet.

1861/62. Für die Kirche zu Zarnekow wird im Frühling eine neue Orgel angeschafft.

1877. Die uralte Glocke in Zarnekow gesprungen.

Die Zarnekower Kirche ohne Kirchturm

1889 Mein Bruder war nach dem Tode seiner geliebten Frau, die ihm Alles in Allem war, wie umgewandelt, u fand er, in seinem ernsten, religiösen Sinn, durch den Umbau der Kirche in Zarnekow eine ihm willkommene Beschäftigung. Den Anstoß dazu gab auch noch ein Vermächtniß seiner verstorbenen Frau, zu deren Andenken, der Wittwer und die Kinder, das schöne Kirchenfenster, hinter dem Altar stifteten. (Eintrag der Caroline von Malortie, Schwester von Friedrich von Bismarck-Bohlen)

1890 Ist der Umbau vollendet u wird durch ein großes Missionsfest in Carlsburg bei strömenden Regen gefeiert.
Ein Legat von 25,000 M. was der alte Diener Holst für den Thurmbau der Zarnekowkirche bestimmte, ward von meinem Bruder ausgeführt.

Das von Friedrich von Bismarck-Bohlen und seinen Kindern gestiftete Altarfenster:

Rechterhand ist der weiter unten beschriebene Messingleuchter
Sei getreu bis in den Tod. So will ich Dir die Krone des Lebens geben.
Der Kirche in Zarnekow gewidmet im Andenken an Gräfin Pauline v. Bismarck-Bohlen geb. v. Below, der liebevollsten Gattin und besten Mutter von ihrem Manne, ihren fünf Kindern u. vier Schwiegerkindern zum 19. Juli 1890

Die Glasmalerei im Ostfenster wurde 1890 nach einem Gemälde von Rafael „Verklärung Christi“ bei dem Berliner Königlichen Institut für Glasmalerei von der gräflichen Familie in Auftrag gegeben.

1892 wurde der Bau des Turmes vollendet.

1901 Als bleibendes Andenken hat Lenchen in Zarnekow eine Thurmuhr mit Schlagwerk gestiftet, deren Klang die Leute an ihre treu sorgende Herrin erinnern wird! Gott wolle seinen Segen ruhen laßen, auf der Arbeitsstätte die Lenchen verläßt. O möge sein Segen sie begleiten mit dem neuen Arbeitsfeld welches sich ihr in Niederhof erschließt!

Die von Helene von Bismarck-Bohlen gestiftete Thurmuhr
Dieses Schild ist in der Glockenstube der Zarnekower Kirche angebracht.
Eine Seele.
Eine Ewigkeit.
Nutze die Zeit!
Diese Uhr schenke ich der Kirche zum Andenken an meinen geliebten Mann Graf Friedrich Carl von Bismarck-Bohlen auf Carlsburg ✝ Anno 1901. Helene Gräfin von Bismarck-Bohlen, geb. von Thiele-Winkler

Drei Glocken beherbergt der Kirchturm.

Das Glockengestühl

Die Inschriften auf den Glocken lauten:

  1. Die große Glocke:

CELLISSIMI COMITIS AC HEROIS DOMINI A BRAHE, PATRONI ECCLESIAE ZARNECK: SPLENDIDISSIMI IUSSU, PROMOTIONE GENEROSISSIMI DOMINI A RAMM, VICE PATRONI DIGNISSIMI, HAEC CAMPANA RESTITUTA EST ANNO MDCCLXV, ME FECIT. GOTTLIEB METZGER STRALSUND

Auf Anordnung des hocherhabenen Grafen und Heros von Brahe des hell strahlenden Patrons der Kirche von Zarnekow, und unter Förderung des hochherzigsten Herrn von Ramm als ihres hochwürdigsten Patrons ist diese Glocke im Jahr 1765 wieder hergestellt worden. Mich machte Gottlieb Metzger, Stralsund

2. Die mittlere Glocke

Inschrift im Spruchband vorn: JESUS CHRISTUS GESTERN UND HEUTE UND DERSELBE AUCH IN EWIGKEIT Inschrift im Spruchband hinten: HEBR. 13,8 Inschrift im Spruchband in der Mitte: GEOPFERT FÜR DEUTSCHLANDS WEHR NEU ERSTANDEN ZU GOTTES EHR

3. Die kleine Glocke:

Inschrift im Spruchband vorn: Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, daß der König der Ehre einziehen. Inschrift im Spruchband hinten: PS. 24,7 Inschrift an der Seite: 1937

Im Jahre 1688 wurde eine alte Glocke aus Steinfurth nach Zarnekow gebracht, die, wie im Hausbuch vermerkt, 1877 zersprang. Ihre Inschrift:

O REX GLORIE CHRISTE VENI CUM PACE

Auf der neuen Glocke wurde diese Inschrift wieder angebracht.

Die Grüneberg-Orgel

1861 kaufte die Kirchgemeinde eine Orgel mit Pedal bei dem Orgelbauer Grüneberg in Stettin. Auch im Hausbuch erscheint darüber ein Eintrag, sodass anzunehmen ist, dass sich die Bismarck-Bohlen daran finanziell beteiligt haben.

Im Laufe der Zeit hat auch sie einiges durchgemacht: 1917 mussten die Metallpfeifen als Kriegsmaterial abgegeben werden. 1924 werden die Prospektpfeifen sowie zwei Register erneuert. 1946 wurde die Orgel von der Firma Sauer durchgesehen und 1954 erhielt sie zwei neue Register und möglicherweise auch den Motor. Seitdem wurde und wird die Orgel regelmäßig gewartet.

ln einem Gespräch mit Pastor Barsch, der von 1959 bis 1996 der Zarnekower Gemeinde vorstand, erfahre ich viele Neuigkeiten über das Leben in der Gemeinde aber auch einiges über die Familie von Bismarck-Bohlen. Die Trauung der Tochter von Fritz Ulrich und Auguste Viktoria, Oriana mit Franz Adalbert von Rosenberg, wurde nicht von dem damaligen Zarnekower Pastor vorgenommen, sondern von einem Geistlichen der bekennenden Kirche, deren Mitglied der Graf war.

Dazu heißt es in den Aufzeichnungen des Pastors Gurr: für Gottesdienste hat Herr Graf v. B. B. Karlsburg, nach jederzeit wiederruflicher Vereinbarung seine in Steinfurth befindliche Familienkapelle zur Verfügung gestellt. … Die gräflich von Bismarck-Bohlen’sche Herrschaft dagegen glaubte auf die Seite der sogenannten bekennenden Kirche treten zu müssen. Sie verweigerte freilich niemals z.B. die Anerkennung der Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 11. Juli 1933 u. es wurde durch die Gutsverwaltung nach wie vor die Kirchensteuer gezahlt. Aber andererseits wurden kirchliche Handlungen in der Familie, – Konfirmation der Söhne, Trauung der ältesten Tochter, Beisetzung der Gräfin-Mutter, – durch andere Geistliche vollzogen ohne irgend welche Meldung an das zuständige Pfarramt.

Zu DDR-Zeiten besuchten einige Nachkommen der Familie von Bismarck-Bohlen Karlsburg und suchten bei dieser Gelegenheit den Kontakt zu Pastor Barsch und seiner Frau Helga, welche auch die Steinfurther Begräbniskapelle betreuten. Vom 20. – 24.05.1985 war Oriana von Rosenberg geb. Bismarck-Bohlen mit Jürgen von Bismarck in Karlsburg, verabredete sich mit der Familie Barsch und trug sich in deren Gästebuch ein. Dort findet sich auch ein Eintrag von Viktoria Roland, der jüngsten Tochter von Fritz Ulrich und Auguste Viktoria, die sich in der Zeit vom 27.09. – 03.10.1988 hier aufhielt. Und kurz nach dem Mauerfall besuchten Adalbert von Rosenberg mit seiner Frau Heidi ebenfalls den Ort, wo er in seiner Kindheit oft seine Ferien verbracht hatte. (16.-17.02.1990). Alle bedankten sich herzlich bei der Familie Barsch für die freundliche Aufnahme und Gastfreundschaft. Auch Briefe von Theda von Quistorp geb. von Falkenhayn, die Schwester von Auguste Viktoria, an Helga Barsch finden sich im Memorabilienbuch. Sie hielt den Kontakt, da sie bei Barschs die Pflege des Friedhofs in Auftrag gegeben hatte.

An alle diese Nachkommen wird auf Grab- oder Gedenksteinen auf dem Steinfurther gräflichen Friedhof erinnert.

Oriana geb. Gräfin von Bismarck-Bohlen
Viktoria geb. Gräfin von Bismarck-Bohlen
Adalbert von Rosenberg

Nach 1945 war Hugo Lembke bis zu seinem Eintritt ins Rentenalter Pfarrer in Zarnekow. Er wohnte zunächst im Kirchturm, denn die Wohnungsnot war groß. Im ersten Stock war das Wohnzimmer mit einem noch kleineren Raum nebenan, der als Küche diente, mit Kochmöglichkeit und Ofen ausgestattet. Es gab kein Wasser und auch keine Toilette. Im zweiten Stock war das Schlafzimmer, quasi neben dem Glockenstuhl gelegen. Aus heutiger Sicht ausgesprochen spartanisch aber irgendwie auch romantisch. Das Pfarrhaus, das nach dem Krieg abgebrannt war, wurde in seiner Zeit neu errichtet.

Das Pfarrhaus
Das Pfarrhaus am Ostersonntag 2022

Nach Pastor Lembke zog die Familie Fisch in den Turm ein. Er war Zimmermann und hat tatkräftig beim Umbau des Kircheninneren geholfen. Z. B. hat er aus Teilen der gräflichen Emporen, die aus der Kirche entfernt worden waren, die Orgelempore erweitert, sodass heute auch der Kirchenchor oder der Posaunenchor Platz hat.

Das Porträt von Siegfried Barsch wurde von Horst Zilm in Auftrag gegeben. Der Künstler ist Michael Hädrich.

Von 1959 bis 1996 war Siegfried Barsch Pastor in Zarnekow, seine Frau Helga Kirchenmusikerin und Katechetin. Beide kamen aus Anklam, er besuchte dort die Oberschule und war von zwei Oberschulklassen der einzige, der nicht in die FDJ (Freie Deutsche Jugend) eintreten wollte. Da er ob seiner Überzeugung auch nach vieler Agitation seitens der Schulleitung nicht Mitglied werden wollte, versuchte man es über den ökonomischen Hebel. Da sie sieben Geschwister waren, mussten die Eltern kein Schulgeld zahlen. Das ändert sich nun. Zunächst verlangte man 10 Mark im Monat und als das nichts half, erhöhte man auf 20 Mark, strich also die Schulgeldbefreiung, was sich die Eltern jedoch nicht leisten konnten. Der damalige Anklamer Superintendent organisierte dann vom Hilfswerk der Kirche 200 Mark, so dass Siegfried Barsch das Abitur doch noch erfolgreich 1951 ablegen konnte. Anschließend studierte er Theologie in Greifswald. Wie bei allen anderen Studentinnen und Studenten gehörte auch bei den Theologen das Fach Marxismus-Leninismus zum Stundenplan. In der Zeit 1951/52 schrieben die Studierenden unter die in diesem Fach abgelegten Klausuren: „wir geben hiermit unser Wissen wieder, aber nicht unsere Meinung.“ Nach bestandenem Examen, schon als Vikar arbeitend, wurde ihm die Pfarrstelle in Zarnekow angeboten, die er dann im Januar 1959 antreten hat.

In den ersten Jahren seiner Amtszeit begann er mit dem oben erwähnten Herrn Fisch, die Kirche von den mit brauner Farbe gestrichenen Emporen der Adligen, die sich auf beiden Seiten über dem Altar erstreckten, zu befreien, da diese das Innere sehr verdunkelten und vor allem ziemlich marode waren. Auch eine zusätzlich eingezogene Decke musste entfernt werden, da sie von Schwamm befallen war.

Eine Ansicht des Innenraums, wie er schon im 19. Jahrhundert ausgesehen haben muss, zumindest vor 1890, da das Ostfenster noch nicht ausgetauscht worden war.
Die erhöhte Kanzel mit Schalldeckel
Der von der erhöhten Kanzel erhaltene Kanzelkorb
Der aus Sandstein gefertigte Altar:
Er hat ein Gedechtnis gestiftet seiner Wunder der gnedige und barmherzige Herr. Psa. III
unter dem Relief links:
ICH HAB ES VON DEM HERREN EMPFANGEN ▪︎ DAS ICH EUCH GEGEBEN HAB DENN DER HERR JESUS IN DER NACT ▪︎ DA ER VERRATEN WART NAHM ER DAS BRODT DANCKET UND BRACHES UND SPRACH ▪︎ NEMET ESSET DAS IST MEIN LEIB DER FUR EUCH GEBROCHEN WERT SOLCHES TUT ZU MEINEM GEDECHTNIS;
unter dem Relief rechts:
DESSELBIGEN GELICHEN AUCH DEN KELCH NACH DEM ABENDMAHL UND SPRACH DEISER KELCH IST DAS NEWE TESTAMENT ON MEINEN BLUT SOLCHES THUT SO OFFT IHRS TRINCKET ZU MEINEN GEDECHTNIS I ▪︎ COR ▪︎ II ▪︎ U ▪︎ Z3 ▪︎ ETSEG

Das Altarbild von 1622 war mit dem Mauerwerk verbunden. Ein Anklamer Steinmetz wurde beauftragt, dieses Kunstwerk aus Sandstein von der Wand zu lösen. Der Altar wurde neu aufgebaut, mit Sandsteinplatten verkleidet und darauf das Altarrelief gesetzt und stabilisiert. Durch zwei Stufen entstand ein Altarraum, auf einer dritten wurde der frei stehende Altar errichtet.

Blick von der Orgelempore

Ein Kaselkreuz, was anscheinend 1612 als Antependium umgestaltet worden war, wurde ebenfalls von der Familie Normann gestiftet. Es ist heute in der landesgeschichtlichen Dauerausstellung des Pommerschen Landesmuseum zu besichtigen.

Der Altar mit Antependium

Die Geschichte des Gemäldes „Anbetung der Hirten“ von Gerrit van Honthorst gleicht einem Krimi.

Das Original wurde der Pantelitzer Kirche von Hugo von Mecklenburg auf Pantlitz als Altarbild gestiftet.

Nachdem die Arbeiten an der Kirche abgeschlossen waren, sah man sich mit einem ziemlich kahlen Raum konfrontiert. Da erhielt Siegfried Barsch vom dem damaligen Kirchenbaurat den Hinweis, dass in Pantelitz bei Ahrenshagen eine Kirche gesprengt werden solle. Dort befände sich ein Gemälde von Gerrit van Honthorst, welches in der Zarnekower Kirche seinen Platz finden könne. Dieses Angebot nahm Pastor Barsch gerne an. So fuhr er mit einem Pritschenwagen in das Dorf. Die Kirche war offen, das Bild fand er inmitten von Schutt und Schmutz an der Wand lehnend, die Leinwand war durchgetreten. Den Anblick, sagte er, werde er nie vergessen. Er habe es dann dem Stralsunder Kunstmaler Erich Kiefert übergeben, der es gereinigt, mit einer Hartfaserplatte stabilisiert und mit Honigwachs gefestigt habe. Kaum hing das Gemälde in der Kirche, meldete sich der Gemeindekirchenrat von Pantelitz, er wolle es zurückhaben, da die dortige Kirche doch nicht gesprengt werden solle. Damit war Siegfried Barsch nun gar nicht einverstanden und man einigte sich, indem ein Leihvertrag über 25 Jahre verabredet wurde. Nachdem die 25 Jahre verstrichen waren, wurde das Bild genau untersucht und dann restauriert. Heute hängt es im Pommerschen Landesmuseum. Sowohl die Kirche in Pantelitz als auch die in Zarnekow erhielten jeweils eine Kopie des Gemäldes. Siegfried Barsch nahm die Darstellung der heiligen Familie immer wieder freudig zum Anlass, Momente des Gemäldes in seinen Predigten am Heiligabend aufzunehmen.

Nach Umgestaltung und Renovierung der Kirche in den 1960er Jahren wurden das schmiedeeiserne Kreuz und die beiden Leuchter auf dem Altar beim Karlsburger Schmied Rudolf Lucht in Auftrag gegeben.

In der Kirche befand sich auch ein in die Wand eingelassener Altarschrein mit einem mittelalterlichen Christus auf der Innentür, den Pastor Barsch ebenfalls in Stralsund von dem Restaurator Todemann aufarbeiten ließ. Nach der Fertigstellung wurde der Schrein nicht wieder in die Wand eingesetzt.

Auch die Episode über das Auffinden der Altarleuchter aus Messing, gestiftet von Caspar Aufing 1733, ist erzählenswert. Pastor Barsch fand sie auf dem Dachboden, wo sie als Auffanggefäße für Regenwasser benutzt worden waren. Sie sahen so unansehnlich aus, dass man kaum ihre eigentliche Funktion erkannte. Nach gründlicher Reinigung kam ihre ursprüngliche Schönheit wieder zutage und sie sind noch heute bei festlichen Anlässen zu bewundern.

Die Zarnekower Kirche wurde Ende der 1980er Jahre restauriert, bekam ein neues Dach, der Kirchturm, der ursprünglich mit Schiefer gedeckt war, wurde mit Kupferplatten belegt. Auch die Thurmuhr wurde restauriert. Das nötige Geld kam aus verschiedenen Quellen: die LPG gab 15000, das Zentralinstitut 10000, 5000 Mark kamen von der Gemeinde. Kleiderbasare, gesammelt und gespendet von der Hamburger Partnergemeinde, zum jährlich veranstalteten Turmfest brachten ebenfalls Spendengelder.

Zu einigen der Karlsburger Institutsdirektoren hatte Siegfried Barsch ein gutes Verhältnis wie zu Prof. Gerhard Mohnicke oder Doz. Dr. med. habil. Hans-Georg Lippmann. Beide unterstützten ihn bei der Krankenhausseelsorge, die in der DDR nicht gern gesehen wurde. Seelsorge sollte nur in Anspruch nehmen können, wer dies bei der Stationsschwester vorher anmeldete. Dann erst wurde der Pastor angerufen. Aushänge in der Klinik z. B. waren nicht mehr erlaubt. Die beiden oben genannten Direktoren setzten sich über diese Anordnungen hinweg und ließen Siegfried Barsch in gewohnter Weise seine Arbeit machen.

In den 37 Jahren seiner Amtszeit wurden ihm auch höhere Ämter innerhalb der evangelischen Kirche angeboten. Dazu hätte die Familie aber nach Wolgast bzw. Greifswald umziehen müssen und Helga Barsch hätte ihre Arbeit aufgeben müssen. „Uns gab es nur im Doppelpack“, meinte das Ehepaar mit einem Lächeln. Nicht zuletzt hielt sie auch die innige Verbundenheit mit den Menschen der Zarnekower Kirchengemeinde von einem Ortswechsel ab.

In der Wendezeit initiierte Siegfried Barsch jede Woche einen Gesprächskreis, was von den Bewohnern der Gemeinde, ob kirchlich gebunden oder nicht, gern angenommen wurde. Daraufhin trat man an ihn mit dem Vorschlag heran, doch für die Karlsburger Gemeindevertretung zu kandidieren.

An Herrn von Rosenberg schrieb er: Die letzten Wochen standen natürlich auch im Banne der ersten freien Kommunalwahlen, die wir nun glücklich hinter uns gebracht haben. … Ich bin als Parteiloser, der ich auch bleiben will, unter dem Dach bzw. auf der Liste der CDU angetreten. Dazu kamen noch einige Gleichgesinnte, die es ebenfalls für erforderlich hielten, gegen die PDS zu kandidieren. Mir ist viel Vertrauen entgegengebracht worden, sodass ich wohl die meisten Stimmen erhalten habe. Dadurch hat die CDU neun Sitze von fünfzehn erhalten und stellt den Bürgermeister und den Rat der Gemeinde Karlsburg. Als Bürgermeister zu fungieren, hatte ich nie die Absicht. Das Siegfried Barsch die meisten Stimmen bei dieser Kommunalwahl bekam, zeigt nochmals seine besondere Verbundenheit mit den Dorfbewohnern.

1992 lud die Kirchengemeinde zum 700-Jahrfeier der Kirche ein. Wie oben schon erwähnt, ist ein genaues Datum der Fertigstellung nicht auszumachen. Immerhin war der Turm, wenn auch ungleich jünger, 1892 erbaut worden, also konnte 1992 ein hunderjähriges Jubiläum gefeiert werden. Jedes Jahr findet seit vielen Jahren im Sommer ein Turmfest statt. Nach 1990 wurden sowohl das Pfarr- als auch das Gemeindehaus umfassend renoviert bzw. erneuert. Sicherlich ist die Instandhaltung des kirchlichen Gemäuers auch weiterhin eine unendliche Geschichte.

Spurensuche zu den Bismarck-Bohlen in Niederhof und Brandshagen

Ein Konzert in der Marienkirche von Brandshagen gab uns die Gelegenheit, den Innenraum zu besichtigen, wo Caroline und die nachfolgenden Generationen der Bismarck-Bohlen regelmäßig zum Gottesdienst gegangen sein müssen, und die Schwester Julie auch konfirmiert wurde.

Also machten wir uns auf den Weg, um zunächst dem Dorf Niederhof, welches sich ganz in der Nähe befindet, nochmals einen Besuch abzustatten, dem Sommersitz der Familie Bismarck-Bohlen.

Beim ersten Besuch hatten wir an einer Führung des Archäologen Gunnar Möller teilgenommen. Er hatte den Fokus mehr auf die Zeit gelegt, als das Gut sich im Besitz des Stralsunder Unternehmers Joachim Ulrich Giese befand.

Zunächst ging es den schon bekannten Weg am Standort des heute zerstörten Rokokoschlosses vorbei, die Reste des Fundaments suchend,

Kellerreste

zum Strand

Blick auf den Strelasund mit Strand

und dem ehemaligen von Helene von Bismarck-Bohlen (geb. am 27.09.1861 in Miechowitz; gest. 1933) erbauten Strandschloss,

Das Strandschloss mit Blick über den Strelasund Anfang des 20. Jahrhunderts …

… und heute

In der Chronik über Niederhof von Ingeborg Wagner heißt es zur Geschichte des Strandschlosses: am 14. Juli 1899 brennt das alte Haus am Strand, der Wohnsitz der meisten Arbeitskräfte des Hofes durch Blitzschlag ab. Die Gräfin v. Bismarck-Bohlen (Gräfin Lenchen) erbaut die drei Leute Häuser im „Schweizerstil“ südlich der Koppel und für sich auf dem Platz des abgebrannten Hauses das neue Strandhaus, sehr hoch, dreigeschossiges Fachwerk mit rotem Schleppdach mit Blick auf den Strelasund.

Auf dem Rückweg besichtigten wir noch den ältesten jüdischen Friedhof an der Ostseeküste – sehr eindrucksvoll!

ALTER JÜDISCHER FRIEDHOF
Dieses Feld ist der älteste erhaltene jüdische Friedhof an der deutschen Ostseeküste. Die verbliebenen Steine sind stumme Zeugen einer bewegten Geschichte. Zwischen 1776 und 1850 bestatteten Juden aus Stralsund, Greifswald und anderen vorpommerschen Orte[n], hier ihre Toten.
In ihren jeweiligen Heimatorten war ihnen in jenen Jahren das Bestatten verwehrt – hier allerdings, im damaligen Gut Niederhof ausdrücklich gestattet. Die Beerdigungsgesellschaften kamen zumeist mit kleinen Schiffen hier an, die am nahe gelegenen Ufer anlegten.
Wie viele Menschen hier ihre letzte Ruhe gefunden haben, ist nicht bekannt – sicherlich aber mehr als die 1990 feststellbaren 60 Grabsteine und Reste von solchen.
Die Umfriedung, 1999 angelegt, schützt die noch verbliebenen 26 Grabsteine von hohem kulturhistorischen Wert sowie den 1964 errichteten Gedenkstein.
Landesverband jüdischer Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern

Immer noch waren wir auf der Suche nach dem aparten hochgezogenen Giebel im Schweizerstil.

Nachdem wir bei Dorfbewohnern erfolgreich nachgefragt hatten, ging es zurück zum Dorfanfang, wo eine Sackgasse rechter Hand zu den ebenfalls von Helene erbauten Schweizer Häusern führte, die sie für die Angestellten und Arbeiter errichten ließ, nachdem das alte Haus am Strand abgebrannt war. Aber auch hier fanden wir den bizarren Giebel nicht, wenn auch die Häuser im Schweizerstil hübsch anzusehen waren.

Die Schweizer Häuser, liebevoll restauriert

Auf dem Rückweg vom Strandschloss hatten wir linkerhand weitere Gebäude entdeckt. Nun wollten wir uns rückversichern, dass wir auch nichts übersehen hatten. Also fuhren wir nochmals Richtung Strandschloss, ein Platz neben dem Eingangstor des ins Visier genommenen Grundstücks lud zum Halten ein. Und die Besitzer waren auch zu sehen. Mit unserer Frage nach dem besonderen Giebel kamen wir ins Gespräch über das Schicksal desselben.

Da stellte sich heraus, dass der Gebäudeteil des Strandschlosses mit dem hochgezogenen Dach am Ende jedoch so marode war, dass er abgerissen werden musste. Wie Schade!

Wir wurden hereingebeten und da der Vater der Besitzerin, der Sohn von Ingeborg Wagner, gerade zu Besuch war, erfuhren wir von ihm einiges über die vergangene Zeit. Auch über die Kormorankolonie hatte er Interessantes zu erzählen. 1952 waren es acht Brutpaare, heute sind ungleich mehr.

Seine Mutter war als Gärtnerin auf dem Gut angestellt gewesen und hatte eine Chronik über Niederhof verfasst. Dass wir ihren Sohn kennenlernen durften, war eine besonders freudige Überraschung. Wir standen also auf dem Boden der ehemaligen Gutsgärtnerei. Ein altes Bienenhaus und Teile des Gewächshauses erinnern noch an Helenes Wirken und die vergangene Zeit. Überhaupt hat Helene wohl die deutlichsten Spuren im Ort hinterlassen.

Das alte Bienenhaus

Das alte Gewächshaus

Herr Wagner konnte sich noch gut an das Schloss erinnern, das nach dem Krieg von Flüchtlingen bewohnt war, durch einen Schornsteinbrand in Flammen aufging und die Feuerwehr im Morast stecken blieb und zu spät kam.

Das weiße Schloss am Meer

An anderer Stelle in der Chronik von Frau Wagner, die nicht veröffentlicht und leider nur im Stadtarchiv Stralsund einzusehen ist, wird ausführlicher über die Besitzer und Besitzerinnen wie die Großmutter und Mutter von Caroline von Bismarck-Bohlen sowie die Geschichte des Gutes erzählt, was im folgenden zitiert wird: Die nachfolgenden Käufer von Niederhof, Ernst Sebastian von Klinkowström, danach Frau von Normann verwitwete von Walsleben, haben im weißen Schloß gewohnt. Dort wurde auch die Hochzeit ihrer Tochter Caroline mit Ludwig von Bohlen gefeiert, die 1795 im Brandshäger Kirchenbuch eingetragen ist. Frau v. Normann hat bis zu ihrem Tode 1839 das weiße Schloss bewohnt. Danach ihre früh verwitwete Tochter Frau v. Bohlen. Auch sie haben viele Gäste im Schloss gehabt.

So erzählt man aus der französischen Besatzungszeit 1806, daß die französischen Offiziere im Schloss gewohnt haben und auf Wunsch der Besitzerin den Hauptweg, in den man vom Balkon hineinsehen konnte, haben verlängern lassen, damit man den Strelasund nach Osten zu beobachten konnte. Da werden wohl zwei Wünsche gleichzeitig erfüllt worden sein. Der militärische Vorteil lag darin, schon frühzeitig die vom Greifswalder Bodden hochkommenden Schiffe ins Visier zu bekommen und sie dann von einem eigens stationierten Boot anhalten zu lassen. Es war die Zeit der Kontinentalsperre und jeder Seehandel mit England mußte unterbunden werden.

Da nach dem Wiener Kongreß Rügen und Vorpommern an Preußen kamen, wundert es auch nicht, daß ein preußischer König Friedrich Wilhelm IV. die Gräfin Bohlen besuchte, nachdem er einen Kuraufenthalt in Putbus beendet hatte. Eine Tafel mit diesem historischen Ereignis soll noch lange an der Linde auf dem Lindenberg gehangen haben.

Als Nachfolgerin der Carola [Caroline] v. Bohlen erhielt deren Enkelin, die Schwester des Grafen Alexander [Fritz] von Bismarck-Bohlen den Nießbrauch an Niederhof. Es war Carola [Caroline] v. Malorti[e], auch früh verwitwet, die Jahr für Jahr im Sommer im weißen Schloß mit ihren Kindern und Enkeln wohnte. Von ihr ist ein Gästebuch erhalten mit vielen Handzeichnungen und vielen Namen. Dieses wurde bis 1880-1907 geführt. 1900 hatte ihre Nichte Helene v. Bismarck-Bohlen nach dem großen Brand des „Alten Hauses am Strand“ den Nießbrauch an Schloß, Park und Gut abgelöst (ausgezahlt).

Für die vom Brand Betroffenen baute sie am Anfang des Dorfes neue Häuser und für sich auf der Brandstelle das Strandhaus. Das weiße Schloß wurde renoviert, Zentralheizung eingebaut, neue Fenster eingesetzt und dann zunächst an eine Schwägerin [Nichte Paulina, Tochter von Fritz Ulrich und Elisabeth] die mit v. Dürkheim verheiratet war, vermietet. Auch sie haben mit vielen Gästen dort gelebt und Schloß und Park in guter Ordnung gehalten. Nach ihrem Fortgang wurde das Schloß an einen Herrn v. Klinkowström vermietet, der es wohl bis zum Anfang des Krieges bewohnt hat. Besitzer von Carlsburg und Niederhof war seit 1916 Graf [Fritz] Ulrich v. Bismarck-Bohlen. Als Ehrensenator der Universität Greifswald erlaubte er während des Krieges seine Schlösser zum Auslagern von Kunstschätzen und Bibliotheksbeständen zu benutzen. So war der berühmte Croy-Teppich zeitweilig in Carlsburg. Die klassischen Gipsabdrücke und viele Bücher lagen in Niederhof. Das weiße Schloß war schon ganz mit Efeu bewachsen, als mit Ende des Krieges Flüchtlinge aufgenommen wurden. In jedem Zimmer wohnte eine Familie. Die Zentralheizung funktionierte nicht und man sah aus vielen Fenstern Schornsteinstutzen von Kochherden herausragen. … Und so ist dann das Unglück passiert. Am 6. November 1947 Abends brach das Feuer aus.

Wie konnte ein Schloß aus Steinen gemauert so restlos abbrennen? Es war ein Unglück. In einem Kabinett war unter dem Schlepprohr aufgestapeltes Holz in Brand geraten. Die Panik unter Kindern und Müttern war groß. Der Weg zum Telefon, dem Postamt in Brandshagen, war weit. Die erste ankommende Feuerwehr blieb in dem unwegsamem Morastweg stecken. Eine zweite Feuerwehr, mühselig von Brandshagen aus angefordert, mußte erst die steckengebliebene aus dem Sumpf ziehen und erst dann konnte gelöscht werden. Nach getaner Arbeit fuhren die Feuerwehren wieder nach Hause. Aber ohne die notwendige Feuerwache glomm das Verderben weiter. Alles Brennbare ist im Laufe vieler Tage und Nächte neu entflammt, wurde gelöscht und brannte immer wieder, bis wirklich nur noch Steine und Metallteile übrigblieben.

Es war gut, daß die Universität ihre Bestände an Büchern und Gipsfiguren schon vorher abgeholt hatte. So sind doch unwiederbringliche Schätze erhalten geblieben. …

Anschließend ging es weiter nach Brandshagen, wo wir in der Kirche ebenfalls einige Zeugnisse der Familie von Bismarck-Bohlen entdecken konnten.

Ein schon sehr verblasster Wandteppich auf der linken Seite des Altarraumes zeigt die Wappen der Familie von Below (Pauline, die Frau von Friedrich von Bismarck-Bohlen, Sohn von Caroline, war eine geborene von Below), der Familie von Bismarck-Bohlen, der Familie von Tiele-Winckler (Helene, die Frau von Friedrich Carl von Bismarck-Bohlen, war eine geborene Tiele-Winckler) sowie der Familie Ramelow (?).

Auf der rechten Seite hängt ein weiterer Teppich in ähnlichem Zustand.

Das Wappen rechts gehört der Familie Behr-Negendank (die Mutter des letzten Grafen, Fritz Ulrich von Bismarck-Bohlen, war eine geborene Behr-Negendank)

Und ziemlich versteckt links unter der Orgel entdeckten wir einen Text an der Wand unter dem Gemälde mit einer Christusfigur:


Zum Gedächtnis des Patrons dieser Kirche, des Grafen Friedrich Carl von Bismarck-Bohlen liess seine Witwe, Gräfin Helene von Bismarck-Bohlen, geborene von Tiele-Winckler in den Jahren 1905-1906 dieses Gotteshaus im Innern erneuern. Die Maler Max Kutschmann und Albert Leusch in Friedenau, sowie der Architekt Hans Teichen in Breslau, führten das Werk aus; dazu die Handwerksmeister des Orts: Wilhelm Duchert, Ludwig Koch, Wilhelm Rabe, Wilhelm Schenk. Pastor war Ernst Schlapp, der Küster Ludwig Schumacher, Kirchenälteste: von Spalding, Hecht, von Russdorf, Friderici, Meinke, Freese.

Das Konzert war dann der Höhepunkt unseres gestrigen Ausflugs. Wunderbar!

Die Nachtigall

Man stelle sich vor: es ist ein schöner und milder Frühlings- oder Sommerabend, ein laues Lüftchen weht. Noch ist es nicht dunkel. An einem weit geöffneten Fenster im Karlsburger Schloss sitzt eine Frau, die einen Brief schreibt oder in einem Buch liest. Nun kommt die Nachtigall respektive der Sprosser (siehe Youtube) ins Spiel. (Augenscheinlich unterschied man im 19. Jahrhundert landläufig nicht zwischen Nachtigall und Sprosser)

Immer wieder beschreibt Caroline die wunderbare Stimmung, in die der Gesang sie versetzt. In ihrer Lebensbeschreibung schildert sie ihren Kindern die Einrichtung des Schlosses, als sie mit Eltern und Schwester in Karlsburg ankam. Das Cabinet war mit dunkelgrünem Damast tapeziert u hatte ein Sopha u 2 Stühle mit demselben Stoff überzogen, ein émail Tisch stand davor. Das Bild der Königin v. Schweden hing darin u waren in den Ecken étagèren mit dem Kaffee u Thee service, was jetzt in der weißen Galerie. Nachtigallen wurden darin gehalten. In der damaligen Zeit war es Mode, Nachtigallen in Käfigen zu halten. Das ging teilweise so weit, dass ganze Populationen ausgerottet wurden. In Carolines Briefen ist davon aber nicht mehr die Rede. An dieser Stelle soll Caroline selbst zu Wort kommen und ihre Liebe zum Gesang der Nachtigallen.

04.06.1817 Carlsburg an ihren Verlobten Theodor von Bismarck: Der Abend ist wunderschön ich höre die Nachtigall schlagen, mit welchem Vergnügen würde ich spazieren gehen, wären Sie da! Wie ein einziger Mensch mehr oder weniger alles verändern kann, verherrlichen oder verzaubern, freylich kömmt es ganz und gar auf seine Individualität dabey an, denn hunderte und tausende könnten mir den Einzigen nicht ersetzen[,] an den ich jezt schreibe. Heute vor 8 Tagen war der lezte[,] den Sie hier zubrachten, wie froh bin daß sie vergangen sind! Übermorgen entferne ich mich auch von Ihnen, es scheint[,] als wenn wir noch nicht weit genug von einander wären, das Meer soll wenigstens nicht zwischen uns treten – die Nachtigall schlägt hier unter dem Fenster im Cyrenengebüsch, o könnten wir Sie doch zusammen hören! –

Am 26.04.1818 schreibt Caroline, die sich von Breslau kommend auf dem Weg nach Karlsburg mit Zwischenstopp in Frankfurt/Oder befindet, an Theodor: Bei Neustädtel hörte ich die erste Nachtigall, sonst ist der Unterschied groß[;] wie viel grüner es um Breslau ist wie hier, bey dem herrlichen Wetter ist es dort gewiß schon alles grün, ich konnte gar kein besseres wünschen, wir leiden nur von der Hitze.

In Karlsburg angekommen, heißt es in einem Brief an Theodor: Gestern Nachmittag war der Pastor mit seiner Frau hier, leztere hatte ich schon vor der Kirche begrüßt[;] sie nennt mich noch immer Carolinchen so wie der Carl [ein langjähriger Angestellter im Schloss] auch den ersten Tag, was mich sehr amüsiert; sonst könnte ich es nach gerade übel nehmen wenn man mir den Frauen Titel versagt, der alte Pastor freute sich sehr mich wiederzusehen, u nachdem sie weg waren[,] spazierten wir noch im blühenden grünenden Garten, der mich so an unsern Brautstand erinnert, jetzt ist oder wird es aber doch noch besser seyn, die Nachtigall hat sich nicht wieder eingefunden, heute weht es wieder so sehr, so daß wir erst gegen Abend gehen werden.

Und wenig später geht ein weiterer Brief an Theodor ab: Nach Niederhof reisen nur die Mutter ich, Jüngel [der Neffe] mit seiner Amme u Christine [eine langjährige Angestellte], im August denke ich[,] bleibt es bey unserer Rügenschen Reise, die wir schon sehr lieblich entworfen! Mit der Gr[oß]mutter bin ich jetzt auf dem besten Fuß[,] auf den wir seyn können; wie schön es hier wieder ist[,] kannst Du Dir von vorig Jahr her erinnern, alles blüht, der Flieder, die Apfelbäume, aber die Nachtigall schweigt.

Am 26. Mai 1818 meldet sie aus Niederhof an Theodor: Jetzt wohne ich mit der lieben Mutter zusammen, so wie Du hier einst warst, ich habe die Nacht sehr gut geschlafen, u bin nicht im geringsten angegriffen, sondern befinde mich vortrefflich, heute Morgen saßen wir im Park, denn es ist herrliches Wetter[,] hörten die Nachtigall, u haben die Leonie de Montbreuse [von der französischen Romanschriftstellerin Sophie Gay] angefangen.

Weiter unten fährt sie fort: Die Gr[äfin] Putbus fuhr nach dem Thee wieder weg, u die Mutter[,] Fikesche u ich gingen den schönen Abend noch spazieren u hörten die Nachtigallen schlagen, welche mich an Dich so lebhaft erinnerte[,] die ich zulezt mit Dir hatte schlagen hören.

Ein Jahr später wieder im Mai weilte Caroline kurz vor ihrer Entbindung von ihrer Tochter abermals bei den Eltern in Karlsburg und schwärmt ihrem Mann vom wunderbaren Gesang der Nachtigall vor. Guten Tag mein theurer geliebter Theodor, denke[,] wie angenehm wir heute durch eine Nachtigall[,] die sich gerade unsern Fenstern gegenüber etablirt hat[,] überrascht worden sind, sie schlägt herrlich. Und weiter unten: Alle finden mich so sehr viel kräftiger u beweglicher wie das vorige Jahr, ich selbst finde den Unterschied aber auch sehr groß, u ganz zum Vortheil des jetzigen, wie schön schlägt die Nachtigall! Ich höre sie immer an meinem Schreibtisch. Dieser Platz soll noch zu morgen früh bleiben, jetzt küsse ich Dich vielmal mein Geliebter u verlasse Dich ungern einen anderen Br[ief] zu schließen.

Immer mal wieder streute sie in ihren Briefen auch das Fehlen des Nachtigallengesangs ein: Die Nachtigall hören wir gar nicht.

Nicht nur in der ersten Zeit ihrer Ehe erinnert Caroline ihren Mann an das Schlagen der Nachtigall, welches ähnlich wie das Veilchen Sinnbild ihrer Verbundenheit und Liebe war. Aus Berlin berichtet sie im Jahre 1850: Da bin ich aus der Kirche, wo ich eine ziemlich nüchterne Predigt gehört, der Rückweg durch den grünenden Thiergarten, durch die Blumenpartieen … Die schlagenden Nachtigallen darin, das war das Erhebenste. Ich ging mit dem guten Below [der Schwiegervater von Fritz] allein, seine Damen warteten im Zuge vor der Kirche auf die Münster [eine Gräfin], das konnte er u ich nicht gut vertragen, darum alliirten wir uns.

Am 09. Juni 1854 berichtete sie Theodor aus Karlsburg: Heut Morgen hatten wir einen schönen Regen, nur zu wenig, danach schlugen die Nachtigallen wieder so schön!

An Fritz schreibt sie im Mai 1855, auf der Durchreise von Uenglingen aus: Die Nachtigall schlägt auch hier dicht unter meinem Fenster zu meinem großen Vergnügen;

Und in Hannover bei ihrer Tochter angekommen beginnt sie einen Brief Pauline so: Bei dem Schlag der Nachtigallen unter meinen Fenstern ergreife ich die Feder, meine geliebte Pauline! nur werden die lieblichen Sänger eben durch eine Marktharfe von der andren Seite übertönt.

In einem anderen Brief an Pauline vergleicht sie die Stimme ihrer Schwiegertochter mit der der Nachtigall: Deine Heiserkeit bedauere ich ungemein, u doppelt für Deine süße Nachtigallenkehle, …

In einem Brief vom 29.04.1857 verheißt sie Theodor nach einem schlechten Tag das Glück, möglicherweise eine Nachtigall zu hören: Den lieben Kindern schickte ich einen Schinken, der hoffentlich glücklich angekommen, u drückte ich da schon mein Bedauern aus über den unglaublichen Unstern der Dich d. 23ten verfolgt, an dem Tag würde ich keine Reise mehr unternehmen, schon das Wetter war ganz umgewandelt. Dagegen wirst Du es heut in Uengl.(ingen) gewiß schon recht hübsch haben, u vielleicht sogar die Nachtigall hören.

Der letzte Brief vom Mai 1858, aus dem hier zitiert werden soll, ist von Theodor an Fritz gerichtet. Drei Monate zuvor war Caroline in Venedig gestorben: Seit einigen Tagen haben wir nach recht vielen Regen, sehr schönes warmes Wetter und alles fängt an prächtig zu grünen. Mehrere Nachtigallen schlagen im Garten und ich schreibe bei offenem Fenster. Über die Nachtigallen freute sich die theure Mutter immer so und pflegte auch Abends am offenen Fenster sie zu belauschen und jetzt – Ach mich erfreut doch nichts mehr ohne sie?

Die Carlsburger Güter – drei Wanderungen: 1. Durch den Karlsburger Schlosspark und den sich anschließenden Wald

Die Wanderung beginnt an der B 109 schräg gegenüber der alten Gärtnerei, nach dem Schloss das älteste Gebäude von Karlsburg.

Die alte Gärtnerei an der B109

Nach wenigen Metern eröffnet sich eine herrliche Ansicht – wie es sich für einen Park in englischer Manier gehört.

Flora mit dem Karlsburger Schloss von der Parkseite aus gesehen

Kurze Zeit später gelangt man an einen Graben, der den Park umfließt, sofern der Wasserstand und die Verkrautung es zulassen,

Herrschaftlicher Graben am Rande des Parks

sowie an ein historisches Wehr.

Ein altes zum Graben gehöriges Wehr

Geht man am Wehr vorbei Richtung Schloss, sieht man rechterhand – nicht weit von der Bundesstraße – einen Menhir,

Menhir mit Blick auf das Schloss

der wahrscheinlich bei der Umgestaltung des Schlossparks Mitte des 19. Jahrhunderts aufgestellt und ins rechte Licht gerückt worden ist. Gefunden wurde er eher um Steinfurth herum. Hält man sich links, überquert man einen weiteren Graben, und befindet sich im inneren Teil des Parks.

Blick vom Schloss aus

Geht man am Schloss vorbei und folgt dem Weg in den Park kommt man zunächst am Eiskeller vorbei

der Eiskeller, wahrscheinlich eine Fledermausherberge

wenige Meter entfernt gelangt man an ein romantisches Gewässer mit einer Insel – der sogenannten Liebesinsel – die vor einigen Jahrzehnten noch über eine weiße geschwungene Holzbrücke erreichbar war.

Der Schwanenteich im zeitigen Frühjahr…
… und im Sommer
Die Liebesinsel

Nach diesem Abstecher – wiederum mit einer schönen Aussicht auf das Schloss – geht man weiter durch das Lustholz – den Teil des Karlsburger Waldes, der sich hinter dem Schlosspark erstreckt und sowohl die damaligen Bewohner und Bewohnerinnen des Schlosses als auch ihre Gäste bei schönem Wetter zum Lustwandeln einlud. Auf der rechten Seite befinden sich der Carolinen-Horst, benannt nach Caroline erste Gräfin von Bismarck-Bohlen, und linkerhand die Friedrich Carls Höhe,

Friedrich Carls Höhe

leicht zu erkennen an dem riesigen polierten Granitstein mit goldener Inschrift. Im Hausbuch der Bismarck-Bohlen heißt es dazu: Zur Erinnerung an das kurze aber sehr segensreiche Wirken des Grafen Friedrich Carl und der Gräfin Helene B.B. wird 1902 von dem Nachfolger [Fritz Ulrich] im Besitze auf der Friedrich Carls Höhe ein großer roter polirter Granitblock mit dieser Aufschrift errichtet. Der Stein war ganz in der Nähe – bei Theodors Lust – gefunden worden. Die Bearbeitung erfolgte zu Wolgast durch die Deutsch-Schwedischen Granitwerke.

Nicht-Sicht Richtung Schloss

Steht man mit dem Rücken zum Stein, könnte man vielleicht das Schloss sehen, wäre die Sicht nicht zugewachsen. Als der Gedenkstein Anfang des 20. Jahrhunderts aufgestellt wurde, regte die vorhandene Sichtachse zum Schloss Fritz Ulrich von Bismarck-Bohlen sicher dazu an, ihn genau an dieser Stelle zu platzieren oder es war gar ein Lieblingsort des Onkels.

Geht man weiter Richtung Bollbrücke, die über die Mehlbeck oder niederdeutsch Mehlbeke führt,

Die Boll-Brücke wird schon von Theodor von Bismarck-Bohlen erwähnt.

kommt man an Theodors Lust vorbei, benannt nach Theodor erster Graf von Bismarck-Bohlen. Er und seine Frau haben nach Übernahme der Güter viel zur Gestaltung des Parks oder auch der ländlichen Umgebung getan, seien es die Pflanzungen von Lindenalleen oder die kilometerweiten Steinmauern, die noch heute die Landschaft um Karlsburg und Steinfurth prägen.

Blick von der Bollbrücke auf die „alte Wiese“

Der alten Wiese schließt sich der Helenen-Horst an, benannt nach der Frau von Friedrich Carl, die sich sehr um die Modernisierung des Schlosses verdient gemacht hat. Auch das schmiedeeiserne Rosentor verdanken wir ihr. Sie – eine geborene von Tiele-Winckler -aus wohlhabendem Hause kommend, fertigte den Entwurf dafür und schenkte es ihrem Mann zum Geburtstag. Friedrich-Carl hätte dafür wohl kein Geld ausgegeben.

Waldweg zur Spinne

Man verlässt die Bollbrücke Richtung Spinne – Spinne deshalb, weil von dieser Stelle 5 Wege abgehen. Hier einige Ansichten.

Ein unter Naturschutz stehender ziemlich alter Lebensbaum
unweit der Spinne befindet sich ein Kesselmoor
Der Rastplatz

nicht weit von der Spinne stößt man auf einen sogenannten Duellstein. Hinter F. v. H. könnte sich der Name Friedrich von Homeyer (1824-1898) verbergen, was aber nicht gewiss ist.

Inschrift: F. v. H. 4.8.1848

Über den Jasedower Privatweg oder auch am Helenen-Horst vorbei den Waldweg entlang erreicht man das Schloss wieder.

Weitere Impressionen aus dem Karlsburger Lustholz.

Wegweiser
Kunst aus Natur
Pretzkow/Pretschkow – wüster Ort und Berg: dieser Ort lag, wenn man auf der B109 Richtung Anklam fährt, auf der rechten Seite
Urwüchsig
An der Boll-Brücke