1816: Wie wenig ahnet man die Begebenheiten die in solch einem Jahr verborgen liegen, in welches man so lustig u gedankenlos hineintanzt. Freilich sind die Sorgen für die Zukunft nicht die Sache der Jugend, u bis auf den heutigen Tag, wo sie mich längst geflohen hat, liebe ich noch nicht die unnützen Sorgen; sie helfen so gar wenig u verbittern nur die Gegenwart, denn wie selten kann man eine Gefahr lange vorher vorbeugen; darum genieße man den heutigen Tag u alles Gute was er bringt, als Gottes Gabe mit dankbarem Herzen.
In diesem neuen Jahr wurde das Bohnenfest bei meiner Großmutter gefeiert, Baron Schoultz dessen ich schon erwähnte, der Vetter von unserem Vetter, ward Bohnenkönig u wählte mich zu seiner Königin, es gab viel zu lachen. Zu meiner Mutter Geburtstag war Ball. Sie hatte die hübsche Idee, die Großmutter zu dem Ihrigen mit einer Comödie zu überraschen u zwar mit dem hübschen Stück von Kotzebue: die Großmutter, in dem Julie die Enkelin spielte u mit etwas aufgelegtem roth wunderhübsch aussah u ahnen ließ, was sie werden würde: eine große Schönheit. Geheime Räthin Cummerow machte die Großmutter; ein schon lange verstorbener Major v. Pachelbl, Bruder des Hofjägermeisters, den Liebhaber. Alles gelang vortrefflich u erregte allgemeine Zufriedenheit.
Bis zum 30ten Januar stete Abwechslung von Gesellschaften, Bälle, auch ein Conzert dazwischen, dann kehren wir wieder heim. Dort besucht uns Baron Boye öfter, ein Jugendgespiele meiner Mutter, ein gutmüthiger, freundlicher Mann, der der bien bon hieß, beim 33ten Regiment stand u als General den Abschied nahm u in Berlin starb. Er war ein Hausfreund; auch bei der Großmutter sehr wohl angesehen, nahm er großen Theil an allen Familienbegebenheiten, besonders auch an meiner Heirath.
Den 7ten Februar versuchen wir nach Bauer zu Lepels zu fahren, mußten aber des Schnee‘s halber wieder umkehren, hatten aber dagegen den 16ten Febr. Lepels, H. v. Quistorp dem damals Vorwerk gehörte u dem mein Vater später Crentzow verkaufte, u den Bürgermeister Cratius zu Tisch. Den 17ten März großes diner in Bauer! Ich erwähne dessen, als Beweiß wie lebhaft damals die Nachbarschaft war gegen jetzt. Besuche der Frau v. Buggenhagen, die natürlich erwidert wurden, fehlen auch nicht. Die Großmutter brachte das Osterfest bei uns zu, Baron Boye u der Kanzler Pachelbl, der damals doch wol schon den schwedischen Kanzlertitel gegen einen preußischen Präsidenten vertauscht hatte, nein – erst 1821. Ostern fiel das Jahr auf d. 14ten April u d. 9ten u 10ten Mai finde ich Schnee angemerkt; es war ein gar trauriges, kaltes, regnerisches Jahr, dem das Hungerjahr 1817 folgte. Die merkwürdigste Begebenheit war Sonntag den 12ten Mai eine sehr große Taufe in Lüssow, damals von H. u Fr. v. Wolffradt bewohnt, wo der erste u einzige Sohn angekommen war, der so jung, ich glaube 24 Jahre alt starb, u mein Mann ward noch sein Vormund. Diese Taufe war so recht les nous de Gamacho. Die zahlreichen Verwandten des Mannes u die nicht minder zahlreichen der Frau aus Meklenburg, die eine geborene v. Voß war, (in deren Familie nun die Güter durch Erbschaft gekommen sind) in einem alten baufälligem Hause versammelt, nebst allen Nachbarn u Bekannten, gegessen, getrunken, getanzt, u die junge Frau, die ihr Kind selbst nährte, bewohnte das Zimmer dicht daneben, eine Bretterwand sogar trennte sie nur, u schlief an der Wand, wo dieser ganze trouble vor sich ging. Heut zu Tage würde man es für einen Mord halten! – Einige Tage darauf fahren wir nach Greifswald, die Schöpfung aufführen zu hören u blieben die Nacht dort. Meine Mutter war sehr befreundet mit der Mutter des Medizinalraths v. Haselberg, deren Mann Oberappellationsrath war, ein sehr braver Mann, Bruder unseres Arztes der den schwedischen Titel Archiator führte. (Griechisch: erzweiser!) Sie war sehr gastfrei u tranken wir dann Tee dort, aßen auch öfter auf unsern Durchreisen bei ihr. Sie war eine geborne Luther u behauptete vom großen Reformator abzustammen.
D. 26ten Mai geben wir ein diner, Wolffradts, Buggenhagens, Quistorp, Cratius; der alte Buggenhagen u Wolffradt stritten sich über einen Professor Tobias Meyer in Göttingen dermaaßen, daß schon zu den Waffen gegriffen werden sollte, als es sich aufklärte, daß der Eine der Vater, der Andre den Sohn gemeint, die beide denselben Vornamen geführt. D. 27ten diner in Buggenhagen u den 29ten nach Niederhof, wo wir bis zum 4ten Juni bleiben u alle Tage Besuch ist. Auch wir hatten den, des Präsidenten v. Hempel, GehRrath v. Beguelin u Bethe die die neue Provinz zu besichtigen kamen. –
Meine Mutter war öfter unwohl, sogar einige Tage bettlägerig, da verordnete ihr Arzt, der in hiesiger Provinz unbestritten den ersten Platz einnahm, der Archiator von Haselberg, beiden Eltern eine Cur in Carlsbad u den 8ten Juni begaben wir uns unterwegs, wieder in der wohlbekannten großen Erbse: die kleine Erbse war halb gedeckt u wo möglich noch häßlicher. Die Reisegesellschaft war ganz dieselbe wie nach Pyrmont. D. 9ten, einen Sonntag, waren wir in Strelitz an Hof, verließen es um Mitternacht um den andern Abend in Berlin einzutreffen. Die Jungfer packte den Abend noch die Wasche nachdem wir uns schnell ausgezogen u in die Reisekleider geworfen. Den Abend besuchten wir noch die Oper: Oedip worin die Milder sang, u sahen ein Ballet. Der damaligen Kurprinzeß geb. Prinzeß von Preußen machten wir auf dem Schloß unsere Aufwartung u zeigte sie uns noch das berühmte Bild von Napoleon auf dem St. Bernhard, auch waren damals die Büsten der Napoléoniden in der Bildergallerie aufgestellt. Das Bild des hochseh. Königs von Gérard ebenfalls, worin er ganz jugendlich aussieht. Einen großen Kunstgenuß hatten wir, indem durch einen glücklichen Zufall wir uns einer Gesellschaft anschloßen (Graf Göben der die Burggräfin v. Winterfeld herumführte) der Waagen die Gallerie Ginstiniani zeigte, die damals eben angekauft, die Grundlage des nachherigen Museums bildete, u erinnere ich mir noch einzelne Bilder von der Zeit her, da ich sehr empfänglich für dergleichen war. Wir dinirten beim Baron Taube u waren den Abend bei unsern Freundinnen Sobbe u Hanstein. D. 12ten u 13ten fuhren wir nach Dresden, wo wir vier Tage blieben u ich ganz entzückt von der Gallerie war: un Raphael d‘ une beauti divine finde ich angemerkt. Es gefiel uns dort unbeschreiblich gut, wir waren in Tharandt, in der katholischen Kirche, der Gallerie Mengs, auch die Oper besuchten wir. 4 Tage schwanden wie Stunden in diesem Paradies, u weiß ich keinen Ort, der mir je einen angenehmern Eindruck gemacht wie Dresden. Finlather erschien mir als das Schönste wo ich je gewesen, u auch in spätern Zeiten als ich Salzburg u die Schweiz gesehen gefiel es mir außerordentlich gut. Wenn man den alten Postweg übers Mittenwalde im Sande durchkreuzt hatte, erschien die schöne Gegend doppelt schön. Die Elbbrücke, die brühlsche Terrasse, der Zwinger, u sah man viel mehr von der schönen Gegend als es noch nicht so angebaut war wie jetzt. Drei Tage brachten wir von Dresden zu, um nach Carlsbad zu gelangen: den 1ten bis Töplitz. Bei Culm sah man noch viel Kriegsspuren, Brandstätten u dergl. u in Töplitz fiel ein strömender Regen. Wir benutzten einen trockenen Augenblick den Commerzienrath Homeyer aus Wolgast der dort mit seiner Frau u Töchtern war, zu besuchen, u machten dort zuerst ihre Bekanntschaft, u im Regen mit ihnen einen Spaziergang im Schloßgarten. Später heiratheten die beiden Töchter Herrn v. Behr-Pinnow u Professor Barkow u bin auch mit Ersterer sehr befreundet geworden u noch mehr mit ihren Kindern. Der 2te Tag führte uns durch grundlose Wege nach Saatz, wo wir den Abend die sehr schöne Regimentsmusik mit vielem Vergnügen auf dem mit Lauben umgebenen Marktplatz spielen hörten u gebratene Hähndel aßen. Den 3ten Tag am 20ten Juni langten wir endlich in Carlsbad an, wo wir ein ganz geräumiges Quartier zur Mariahilf in der Kirchgasse bezogen. Teils fanden wir viele Bekannte dort, denn meine Eltern waren noch nicht so lange aus der Welt geschieden, um nicht noch viele zu haben, u theils machten wir viele Bekanntschaften, von denen es vielleicht interessant ist einige zu bemerken. Unter die Ersten gehörte die Tante Dorne, der Kammerherr v. Thun, die Herzogin v. Gotha mit ihren Damen, die 8 Tage später kam wie wir, u bei der wir sehr viel waren. – Aus Berlin lernten wir H. u Fr. v. Dziembowsky geb. Gräfin Itzenblitz kennen, sehr gute Menschen, die uns später in Berlin sehr freundlich aufnahmen. Interessanter war die Herzogin von Curland, geb. Gräfin Medem, die Mutter der Herzogin von Sagan, Aceranza, Prinzeß Hohenzollern u der 2ten Herzogin von Sagan, schöner wie alle ihre schönen Töchter u von einer großen Herzensgüte, der gewiß auch viel vergeben wird, weil sie ihrem Nächsten auch viel wohl gethan. Ihre Schwester, die Frau Elisa von der Recke, eine gepriesene Schriftstellerin u Dichterin damaliger Zeit, machte mir dagegen einen sehr ridicülen Eindruck (sie war auch nur die Halbschwester.) ich durfte ihn aber nicht gestehen, da meine Eltern, die sie von ihren frühern Aufenthalten in Carlsbad her kannten, sie hoch verehrten. Sie war ein Ausbund von Sentimentalität u hatte gern junge Mädchen um sich, auch bot sie meinen Eltern an uns eine Zeitlang zu sich zu nehmen, aber Gottlob! Es ward nicht darauf eingegangen. Ihr steter Begleiter war der Dichter Tiedge mit einem Klumpfuß. Die Herzogin von Curland gab soiréen, wo er Vorlesungen hielt, auf eine derselben lernten wir Graf Henckel kennen u fesselte ihn der Anblick meiner Schwester dermaaßen, daß er kein Auge von ihr wegwandte. Er besuchte uns u bezeugte uns viele Aufmerksamkeit, er hatte das Eiserne Kreuz 1ter Klasse, hatte sehr tapfer gekämpft u ward uns von seinen Landsleuten den Schlesiern sehr gerühmt. U.a. von der Gräfin Götzen die sich hernach rühmte, die Heirath gemacht zu haben. – Die Hatzfeldsche Familie war auch da, der Fürst war preußischer Gesandter in Wien, wo der sonderbare Ton seiner Töchter, deren er 5 hatte, sehr auffiel. Damals waren sie noch sehr jung u ich war am bekanntesten mit der zweiten Helene, die sehr hübsch u gut war, aber bald starb. Die Mutter muß eine unerhört schwache Frau gewesen seyn u war damals viel von dieser Erziehung zu sagen; auch die des Sohnes der viel jünger wie die Schwestern, war nicht besser. In Achtung standen sie gar nicht, ein Mehlwurm, reich gewordener Lieferant, ich glaube er hieß Baron Wimmer, machte der Ältesten auf die auffallendste Weise die cour. Die Mutter war eine komplette Null u regierte doch noch ihren Mann! Sie war die Tochter u einzige Erbin des in unserer Geschichte berüchtigten Ministers Graf Schulenburg Kehnert, der vor Jerome so kroch als der König von Westphalen war, u dies war noch eine seiner geringsten Missethaten. –
Dann sah ich auch dort den Staatskanzler Fürsten Hardenberg, der einige Worte mit mir sprach, ein schöner Mann im reichen weißen Haar mit dem edelsten Aeußern! Der alte Fürst Blücher, der auch einen Ball gab auf dem wir waren, u bei dem Henckel sehr wohl gelitten war. Frau v. Minutoli, jung u schön als Wittwe des Obersten v. Watzdorf, der bei Belle Alliance geblieben, u man behauptete, sie habe den Jahrestag seines Todes geschwankt, ob sie auf den Ball gehen sollte oder nicht. Sie war gefeiert u zu jung um selbständig zu seyn. – Unser hochseliger König, der sobald er ankam die hergebrachte Sitte mit machte u Visitenkarten an alle Badegäste schickte, u zwar besonders geschmacklose: le Comte de Ruppin, in einem grünen Kranz. Meine Mutter die sie bewahrt, erlaubt mir wohl sie beizulegen. Dies selbe Jahr kam die Frau von Brandenstein aus Schwerin mit ihren Töchtern hin, von denen die Jüngste, die schöne Ina, dem König so wohl gefiel, daß er ernstliche Unterhandlungen wegen einer Heirath im Gange waren, die aber an den ungemessenen Forderungen der Mutter scheiterten. Sie verlangte den Titel einer Markgräfin von Brandenburg u appanagen ohne Ende. Die junge Person soll auch keine Neigung für den König gehegt haben u hat später einen Herrn v. Plessen geheirathet. Sie hatte sehr schönes Haar, welches beim Tanzen öfter herunter fiel u seinen Reichthum zeigte u man behauptete, sie seien so lose gesteckt um desto bessere Effekt im herabfallen zu machen. Gräfin Götzen mit ihrer Tochter, die sie ihre Minerva nannte, weil sie viel weiser war als sie, wozu nicht viel gehörte, unbeschadet der vielen guten Eigenschaften der Tochter. Die Generalin L’Estocq, die erst diesen Herbst 95 Jahr alt gestorben, mit ihrer Tochter. Die Generalin Bülow in Trauer um ihren Mann, dem Helden von Dennewitz. General Heister u viele Andre. Dieser Letztere war ein alter Bekannter der Eltern, derselbe der in Vincke’s Leben genannt wird u der in Carlsbad demselben Sommer durch seinen plötzlichen Tod großen Antheil erregte.
Ich trank den Theresienbrunnen, meinem Teint zu Ehren, den ich mir durch zu vieles Tanzen verdorben. Meine Mutter trank den Neubrunn u der Vater Sprudel. – Den 20ten Juli gingen wir nach Franzensbad, wohin die Herzogin v. Gotha auch bald kam. Wir machten dort die Bekanntschaft einer Baronin Lilien, geb. Lilien, einer Ungarin, die so freundlich gesinnt für uns war, dass der Mann uns 11 Jahre später aufs zuvorkommendste in Wien behandelte, sie war leider abwesend. Hier machte nun meine Schwester großes Aufsehen u verdunkelte mich ganz u gar, was von der Zeit an auch so geblieben ist. Bis dahin u in Stralsund hatte ich immer den Vorzug gehabt; ich danke Gott dafür, daß er mir auch keine Idee von Neid ins Herz gelegt, u gönne ich ihr von ganzer Seele, jetzt wie damals jeden Vorzug, den sie vor mir hat. – Henckel war uns auch nachgekommen, täglich waren Partien trotz des schlechten Wetters: nach Eger, das Zimmer zu sehen, wo Wallenstein ermordet wurde, im Hause des Bürgermeisters Siechhäusl, die große Medaillen- u Münzsammlung beim Scharfrichter nicht zu vegessen, Picknick, Conzert, Ball, kurz ein Badeleben für Gesunde. Meine Mutter erlaubte uns beiden mit der Baronin Lilien eine Ausfahrt nach Alexanderbad zu machen. Henckel reiste u uns nach; Baron Münch sein Nebenbuhler hatte Baronin Lilien dringend gebeten die Reise um einen Tag aufzuschieben, dann wolle er mit, es ging aber nicht an. Er war damals Bade-Commissair in Franzensbad, ward später Graf u so lange Bundestagsgesanndter in Frankfurt. Henckel benutzte seine Zeit gut, Abends war Feuerwerk, mit Musik wachten wir auf; in einer Felsenpartie überraschte uns ein élégantes déjonner, bei dem natürlich die Musik nicht fehlte, alles pour les beaux gens de masocur! Ich glaube wirklich, daß diese Feier sie gerührt. Wie wir zurückkamen, hielt er um sie an u – erhielt das Jawort. Es war nahe daran daß die Verlobung d. 11ten August, wieder zurückging. Baron Münch Bellinghausen, dem ich doch seinen ganzen Namen geben will, war sehr betroffen über diese Begebenheit u Julie halb mitleidig, halb kindisch, hatte versucht ihn zu trösten, worüber Henckel in Eifersucht entbrannte. Mein Vater war gleich bereit die Sache aufzuheben, indessen zog sie sich wieder zurecht.
Drei Tage nach der Verlobung, den 14ten August, verließen wir Franzensbad. Die interessanteste Bekanntschaft die wir dort machten, war die des berühmten Caspar Sternberg, der die fossile Flora zuerst aufgebracht u erweitert hat, u ein sehr liebenswürdiger Mann war. Er liebte so die Fuchsien, seine Visitenkarten trugen seinen Namen auf den Blättern dieser Blume. Wie lehrreich war ein Spaziergang mit ihm in den Umgebungen von Franzensbad! – Henckel reist mit uns, natürlich viel schneller wie wir, in Hof hatte er ein stattliches souper bestellt, was ich deshalb so gut behalten, weil ich Franzensbad dermaaßen ausgehungert war, daß ich mich dort zuerst wieder recht gesättigt habe, das Essen war so schlecht in Franzensbad. – In Gera war die zweite Nacht u in Leipzig die dritte zugebracht u ein Tag noch dort geblieben, der mit Einkäufen zur Aussteuer genutzt wurde. Ich erhielt dort auch das schönste Kleid, was ich bis dahin besessen, mit rosa Streifen u gaze Streifen dazwischen, Julie erhielt ein solches mit rosa Rosenknöspchen, was ich reizend fand. Den Abend waren wir bei dem guten General Below I u seiner Frau, er bewohnte damals Leipzig als Gouverneur des Kurprinzen, der dort seine Studien machte obgleich er noch recht jung war.
Henckel machte seinerseits auch schöne Geschenke an Julie, einen ächten Shawl u u. a. eine Tuchnadel mit einem birnenförmigen Solitair, den sie ganz arglos in ihren unschönen Reisekorb legte, u so in Berlin im Gasthof stehen ließ. Nach meiner Theorie am sichersten, weil niemand da so kostbares sucht. – Ueber Wittenberg gingen wir nach Berlin, wo 2 Tage geblieben wurde, u wo Henckel uns verließ. In Strelitz gingen wir wieder einen Tag an Hof, u trafen Sonntag, d. 25ten August in Carlsburg ein, gerade 14 Tage nach der Verlobung. Zwei Tage darauf kam die Großmutter, begierig recht viel zu erfahren, sie war sehr zufrieden mit allem was sie hörte. Henckel hatte den Abschied als Oberst genommen, war freier Standesherr v. Beuthen u hatte damals zwischen 40 – 50 000 rth Einkünfte. Aber er war 28 Jahre älter wie seine Braut, 44 Jahre alt, u hätte als sehr füglich ihr Vater seyn können, da sie 16 Jahre alt war. Die Großmutter legte auch einen besonderen Werth darauf daß er evangelisch war, u bewieß sich sehr großmüthig, indem sie jeder von uns 2000 rth zur Aussteuer gab. Durch Frl. v. Hanstein wurde in Berlin eine geschickte ältere Kammerjungfer Boldt engagirt, die später einen Landschaftsmaler Blechen heirathete, der verrückt starb. I‘espère que ce n’est pas elle qui l’a fait enrager (hoffe, sie hat ihn nicht wütend gemacht)! Sie kam bald, um zu schneidern u genügte den damaligen bescheidenen Ansprüchen in dieser Kunst, u alle Hände waren in Thätigkeit. Hernach entsprach sie nicht den Erwartungen u blieb nur kurze Zeit in Breslau. Das Brautkleid war von fausse blonde über weißem Atlas; einen Kamm u Ohrringe von Brillianten hatte Henckel mitgebracht, auch einen weißen Sammt mit Silberfäden durchzogen, den ich sehr schön fand! D. 6ten September gehen wir nach Niederhof, u von da nach Stralsund, wo auch viele Einkäufe gemacht werden, an Leinenzeug etc. auch erhielt ich einen hübschen blauen seidenen Überrock von Louisine, Ludwig XVIII zu Ehren so genannt. In diesem machte ich meine Besuche als Braut. D. 11ten kehrten wir zurück u finde ich mehre Besuche angemerkt, auch den des Generals Corswandt, eines Waffengenossen von Henckel, er wohnte damals in Pentin u hatte eine junge Frau geheirathet, die er noch überlebte, u hernach auch bald starb. Der alte H. von Buggenhagen starb auch um diese Zeit, d. 19ten 8ber u nach dem Tode seiner Wittwe, die Anfangs der 1830ger Jahre starb, zog der Vater des jetzigen Herren dieses Namens nach Buggenhagen. De.17ten machte uns die Großmutter eine Überraschung u blieb einen Tag. Baron Boye kam d. 24ten u Henckel den 25ten, von einem Lakaien vorher angemeldet, der mit der Post kam. Seinen galonirten (=betreßt) Jäger brachte er mit u noch 1 Diener. Henckel hat nie vergessen können, daß meine Mutter ihn ohne warmes souper empfangen hat! Wie dem auch sei, er ließ sich nichts davon merken, brachte Julie viele schöne Geschenke mit u war ein sehr zärtlicher Bräutigam. Den 3ten Nov. gingen wir alle zum heil. Abendmahl, den 6ten fuhren die beiden Herren nach Greifswald die Ehepakten zu schließen, u war dies keine schöne Seite von Henckel, er benahm sich sehr genau u unfreundlich dabei, mein guter Vater erfüllte eine schwere Pflicht, die hernach ganz unnütz war, was er natürlich nicht wissen konnte.
Nun sammelten sich die Hochzeitsgäste: den 7ten November kamen Fräulein Charlotte u Lina v. Thun, d. 8ten die Großmutter, der Großvater u Baron Boye, d. 9ten Baron Carl Krassow. Den 10ten einen Sonntag war großes Nachbarn diner in der großen Galerie, das erste u einzige Mal daß ich dort gegessen habe. Dienstag den 12ten, Abends um 6 Uhr, war dort die Trauung in derselben Galerie in der Mitte auf einen blauen Teppich mit einer Fortuna gestickt, eigenhändig von der Herzogin v. Gotha genäht, u meiner Mutter geschenkt, die ihn so einweihte.
Pastor Schulz hielt die Traurede, die Braut sah wunderhübsch im Myrthenkranz aus, u that den großen schweren Schritt so unbefangen, als sähe sie nur Rosen u keine Dornen in der Zukunft. Er sah übrigens auch recht gut in der Husaren Uniform aus, u erzählte den Abend gar viel von China. Die Großmutter machte eine Partie, meine Mutter musizirte mit Frl. Thun u Baron Boye, es wurden passende Stücke aus der Glocke von Schiller gesungen, die von Romberg komponirt war, z.B. vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe etc. Ob den Abend ein warmes souper war, weiß ich nicht mehr, ich will es hoffen!
Es war übrigens ein schöner heller Wintertag, auf Frost war etwas Schnee gefallen u denselben Morgen kam das Füsilier Bataillon hier durch, auf den Marsch von Stettin nach Stralsund, u viele Offiziere besuchten uns u nahmen ein Frühstück hier ein. Bismarck der dazu gehörte, war aber nicht dabei, sondern auf Urlaub in der Heimath. Den 14ten reisten die Hochzeitsgäste wieder ab, u den 16ten folgten wir nach Stralsund, denn es war beschlossen worden, daß der Kirchgang dort gefeiert werden sollte. Auf dem Regierungschor in der Nikolaikirche wurde er gehalten, zu dem der damalige Regierungskanzler v. Pachelbl die Schlüssel gern gab. Er war der Hausfreund meiner Großmutter, u gab uns denselben Tag ein großes diner u den Abend war ein großer Ball bei derselben. Alles nach Stralsunder Maaßstab sehr schön! Den Montag war Ruhetag, Dienstag diner bei der Großmutter u großer Thee bei der Kanzlerin v. Thun. Mitwoch diner bei Schloßhauptmann v. Westrell, Abends 1 Thee bei dem Regierungs Rath v. Schubert u Donnerstag kehrten wir heim. Eine große Sonnenfinsternis war auch gerade in den Tagen, den 19ten glaube ich. Henckel hat 1 galonirten Jäger u 2 galonirte Lakaien, mit denen er viel Aufsehen in der guten Stadt machte, er kaufte für Julie einen kostbaren Zobelbesatz, handelte aber so darum, wie es in Schlesien, aber hier durchaus nicht Sitte ist. Bis zum 30ten November blieb das liebe Ehepaar auch hier, u finde ich angemerkt daß den Abend vorgelesen wurde, was kann ich mir nicht mehr erinnern u weiß nur daß der Abschied ein sehr schwerer, trauriger war. D. 4ten Dec. bekamen wir den ersten Brief von unterwegs u den 8ten aus Berlin, wo Julie‘s Geduld schon sehr auf die Probe gesetzt wurde, sie unterwarf sich ihrem Mann aber auf das Liebevollste. – Den 3ten Dezember machten wir eine Condolenzbesuch in Buggenhagen u den 18ten erhielten wir den ersten Brief aus Breslau. – Wie verschieden von heut zu Tage! – Wie viel größer war damals eine Trennung u eine Entfernung.
Den 23ten gingen wir nach Stralsund, das Weihnachtsfest dort zu feiern u waren die Eltern nur um so gütiger gegen mich, seit ich allein war. Ich erhielt den Weihnachten von meiner gütigen Großmutter, mein bureau in der Schlafstube, was mich auf allen Kreuz- u Querzügen meiner Lehrjahre begleitet hat u immer ein theures Andenken an die Geberin ist, die mich so reichlich in meiner Jugend beschenkt hat. Da ist denn noch zum Schluß des Jahres die Hauptbegebenheit: die Bekanntschaft von Bismarck. Den 28ten, einen Sonnabend Abend, ward er durch den Lieutenant Berghman bei meiner Großmutter vorgestellt, u gefiel mir recht gut. Vom Sylvester Ball heißt es nur daß er „charmant“ gewesen sei. Im folgenden Monat waren viele Bälle, einmal 4 hintereinander dazwischen wurde keine Zeit verloren; da meine Großmutter jeden Abend empfing, hatten wir oft genug Gelegenheit, die Bekanntschaft fortzusetzen. Er hatte aber zwei andere ernste Nebenbuhler die sich um meine Gunst bewarben: der damalige Commandeur des Bataillons Major v. Kuylenstjerna u der Forstmeister v. Pachelbl, für die ich aber gar nichts empfand, wenn auch letzterer mein erster Courmacher gewesen war! Nun war der Rechte gekommen! Hauptmann Theodor von Bismarck, damals 26 Jahre alt, war ein sehr stattlicher, wohl u frisch aussehender Mann, mit schwarzem Lockenkopf, edlen Zügen, sehr weißen Zähnen, sehr einnehmender Freundlichkeit, die ich jedes Mal hervor zaubern konnte, wenn er sehr ernst aussah u – ein sehr guter Tänzer, eine wichtige Sache für mich damals! Er gefiel mir auch sehr, durch die große Liebe mit der er von seinem Vater sprach, u glaube ich fest, daß der Allgütige, Allmächtige Gott uns für einander bestimmt hatte. – Das damalige 33te Regiment war aus den beiden vormaligen deutschen schwedischen Regimentern, dem Leibregiment der Königin u von Engelbrechten formirt worden, u der Oberst v. Thile zum Commandeur ernannt, hatte durch seinen Bruder der vortragender Adjutant des Königs war, eine Anzahl ausgezeichneter Offiziere erhalten, es aus zu bilden, unter diesen waren Kuylenstjerna, Bismarck, Schmeling, Korff u andre. In Stettin beim Regiment angekommen, wird Bismarck die 10te Compagnie im Füsilierbataillon zugetheilt, was Kuylenstjerna kommandierte. Der Oberst wünschte ihm die erste Compagnie zu geben, um einen dekorirten Offizier an der Spitze des Regiments zu haben, er aber zieht vor, die ihm zuerst bestimmte zu behalten u dies war das Geschick was ihn nach Stralsund führte; das erste Bataillon blieb in Stettin, die 1te Compagnie erhielt Korff, der auch das Kreuz hatte, aber nur 2ter Klasse. Bismarck hatte das Eiserne Kreuz für die Schlacht bei Lützen erhalten u das 1ter Klasse, als er 4 Kanonen, die die Preußen schon verloren, dem Feind bei Ligny wieder abnahm. –
Einem Mitbewerber war schon gedankt, als Bismarck sich, in einem ganz ausgezeichneten Brief an meine Mutter, mit seiner HerzensAngelegenheit wendete, u diese hat oft behauptet, daß seit dieser Brief in meiner Nähe gewesen, ich ganz verändert geworden, er muß also wohl einen magischen Einfluß ausgeübt haben! Ich war sehr neugierig auf ihn, da ich wohl merkte, daß man mir einen verheimlichen wollte. Mein Vater war wieder in Carlsburg, es ward ihm geschrieben; meine Großmutter war auf einige Tage nach Niederhof gegangen, u meine Mutter und ich hatten uns bei unserer alten Freundin der Kanzlerin v. Thun angesagt, die Bismarck dazu einladet, um zu vermeiden daß der Major Kuylenstjerna nicht allein mit uns bei ihr sei. Er pflegte wohl uns zu folgen, nun war er aber nicht mehr so eifrig, kurz aus Vorsicht, um nicht ins Gerede zu kommen, lud sie erst den Rechten ein, der noch keine Antwort hatte u sehr befangen war. Ich wußte noch nicht seine Ansprache, nur, daß ich ihm gefiel, denn es ist nie zu Redensarten zwischen uns gekommen. Den 31ten war ein Ball beim Kanzler v. Pachelbl u den Tag darauf ein Sonnabend, ward mir der geheimnisvolle Brief mitgetheilt, als die Antwort des guten Vaters eingetroffen, die zwar noch manche Bedenken enthielt. Indessen hatte meine Mutter unter der Hand durch ihre Freundin Minette von Hanstein Nachrichten über Bismarck eingezogen, die vortreffl. lauteten, nicht allein über ihn, sondern auch über die Familie. Legislationsrath Greuhm noch von Cassel her ein alter Freund meiner Mutter hatte ihr sagen lassen: Es wären aus der Familie Züge zu erzählen, die nicht schöner bei den Griechen u Römern seien! Er meinte unter Anderem wie Bismarcks Vater den vermeinthlichen Tod dieses seines einzigen Sohnes auf der Brücke zu Rathenow erfahren – es war nach der Schlacht bei Lützen, wo er leblos vom Schlachtfelde gebracht worden war – ging er hin um sich als Kämpfer fürs Vaterland zu melden, den Verlust zu ersetzen. Im Regiment hatte er das größte Lob u kurz, er gefiel mir! Jetzt nach 38 Jahren sage ich dem Allmächtigen meinen tief gerührten Dank, daß er in ihm einen Mann sendete, der ein Segen nicht allein mir u seiner Familie ward, sondern auch in weiterm Kreise, seiner Provinz, deren Angelegenheiten er sich besonders seit 1848 ausschließlich widmete. Meine Großmutter willigte bald ein u mit der Bewilligung der beiden Mütter, ward Bismarck gerufen, das Jawort mündlich zu erhalten.
Damals besorgte ein Hauptmann die Aushebung, u Bismarck war dazu bestimmt u ging schon den Montag darauf nach Greifswald, Wolgast, Lassan. Von dort kam er zuerst nach Carlsburg u stellte sich dem Vater vor als jemand der ihm so nahe angehören sollte. Gar oft haben wir noch dessen gedacht auf der Höhe von Steinfurt, wo man Carlsburg zuerst erblickt. Er aß bei ihm oben in der Billardstube, u erinnert sich noch daß es gebackene Karauschen gab. Den Nachmittag fuhr er nach Gützkow weiter. –
Es war Gottes Wille u gnädige Schickung, denn ich kann sagen daß schon den andern Tag die Bedenken anfingen! Wahrscheinlich wäre nie etwas aus der Heirath geworden, wäre sie nicht so rasch entschieden worden. Wir waren auch auf der Abreise u blieben nur länger in Stralsund, in Folge aller dieser Begebenheiten. Die Verlobung wurde den 14ten Febr. nach der Rückkehr von Bismarck u der erfolgten Einwilligung seines Vaters bekannt gemacht, u den 18ten kehrten wir heim nach Carlsburg. Der erste Besuch von Bismarck erfolgte vom 22ten bis zum 26ten, u zwar zu Pferde, den alten Carl als Begleiter. Er kam in einem bloßen Ueberrock ohne Unterjacke, nichts als die Weste an, zu unserm größten Erstaunen, auch trug er einen Rheumatismus davon. – Diesen letzten Winter wurde ich ärger als je in Stralsund verzogen u sollte ich nun bald etwas von der Kehrseite des Lebens erfahren. Den 7ten März kam die Marschorder für das Regiment, es sollte nach Schlesien, die beiden ersten Bataillone nach Glogau, die Füsiliere nach Liegnitz. O dieser Jammer! Von diesen Augenblick an setzte meine Großmutter Alles in Bewegung, die Verlobung rückgängig zu machen, gewiß in der besten Absicht, um mich in der Nähe zu behalten; indessen hätte sie sich u uns vielen Kummer erspart, wenn sie sich einfach am gegebenen Wort gehalten hätte. Später lernte ich freilich einsehen, daß diese Versetzung die mich auch sehr betrübte, für unser häusliches Glück unschätzbar war, wir lernten einander genügen o Gott sei Dank, nach 37jähriger Ehe ist dies noch eben so der Fall wie im Anfang, nur noch viel mehr!
Vom 11ten bis 17ten März besuchte uns Bismarck u ebenfalls vom 30ten März bis 10ten April. Während dieser Zeit besuchte uns auch mein Schwiegervater u gefiel uns sehr gut. Er war ein rüstiger Mann von 54 Jahren, u niemand hätte damals ahnen können, daß mein Vater der so schwächlich war, ihn noch um 8 Jahre überleben würde. Ende des Monats marschirte das Bataillon hier durch u Bismarck blieb den Mai über hier. Ein Besuch in Niederhof im April fiel sehr peinlich aus, u ebenfalls einer im Juni. Die Großmutter war den ganzen Sommer über gar nicht bei uns u der Briefwechsel kein erfreulicher. Damals war auch oft die Rede von Abschied nehmen gewesen, da Bismarck aber eine große Compagnie hatte, die 1200 rs brachte u der dritte zum Major war mit baldiger Aussicht zum avancement, ward der Dienst vorgezogen, was sehr natürlich war. Die Tante Krassow hatte die Ansicht, Bismarck solle den Abschied nehmen, Creenzow pachten u in Landes Angelegenheiten wirken, wie seitdem. Crenzow gehörte damals noch meinem Vater, u wenn man in die Zukunft blicken könnte, wäre dies ohne Frage für das Vermögen das Günstigste gewesen, weil dies schöne Gut dann der Familie wäre erhalten geblieben. – Für unsere Lebens Erfahrung u Erziehung waren die Wanderjahre die nun folgten gewiß zuträglicher. –
Die Zeit war unterdessen fortgeschritten u unsere liebe Julie hatte großes Verlangen nach der Mutter Nähe u Hülfe. Anfangs sollte nur der gute Vater auch begleiten, indessen war den Sommer seine Gesundheit schwankend u er zog vor zu Hause zu bleiben. Wir reisten schon den 1ten Juli, Morgens 5 Uhr von hier ab, nach Strelitz, blieben dort einen Tag an Hof u um 11 Uhr Abends gingen wir nach Berlin. In der alten Erbse mit Nähtern u Christine, die ich als Zofe mit nahm. In Berlin wurden noch Einkäufe gemacht, ich ließ mich von [August]Grahl in miniature malen für Bismarck u erhielt auch später sein Bild, dem Carl etwas ähnlich sieht. Wir sahen die schöne Oper Undine in dem Comödienhause, was bald darauf abbrannte u machten die Bekanntschaft vom Onkel u Tante Bismarck. Diese brauchte damals den Magnetismus u hielt sich deshalb in Berlin auf. Sie gaben uns ein sehr hübsches diner beim Hofjäger im Thiergarten mit der Generalin Rüchel-Kleist u dem Geheim Rath Wolfarth dem Magnetiseur par excellence, den meine Mutter noch als Leibarzt der Kurprinzeß in Cassel gekannt. Er sah aus wie ein Magier. Otto war damals ein kleiner Bengel von 2 Jahren. Den 6ten ging die Reise bis Frankfurt, den 7ten bis Grünberg, den 8ten bis Lüben, wo wir sehr spät ankamen, u um so später erschien es mir, da Bismarck uns dort erwartete der aus Liegnitz mit trefflichen Kirschen gekommen, u Baron Boye (er stand auch beim 33ten Rgt) aus Glogan um uns zu begrüßen. Bismarck erhielt hier mein Bild wenn ich nicht irre, u ich das Seine; er begleitete uns nach Breslau wo wir einen Tag blieben u die schönen Kirchen sahen: den 11ten nahmen wir Abschied von einander u gingen bis Oppeln u den 12ten bis Neudeck, wo wir unsere geliebte Julie wieder umarmten. Bismarck kam zu meinem Geburtstag u regelmäßig erhielt ich 2 Mal die Woche Briefe, öfter ging keine Post. –
Den 23ten August erblickte nun der heißgewünschte Sohn das Licht der Welt, u Alles ging nach Wunsch; so daß 3 Wochen hernach ohngefähr, den 16ten September seine Taufe beschlossen ward u denselben Tag sollte unsere Hochzeit seyn, auf Henckels freundliches Dringen. Er hatte am Ende des Gartens große Wasserstücke ausgraben lassen, die eine Insel umgaben, auf der ein Hügel aufgeschüttet u auf diesen ein Tempel errichtet war. Das Ganze war mit Guirlanden, Kränzen u grünen Büschen geschmückt, u Julie in einem Kahn herüber gefahren, ward hiermit überrascht. Musik war natürlich dabei, es waren überhaupt Musiker engagirt, die jeden Nachmittag u oft recht hübsch spielten. Eine Collation (Imbiss) ward im Freien genossen, wie es denn das schönste mildeste Wetter mit Sonnenscheinenden Tag war, u eine gar zahlreiche Gesellschaft aus Tarnowitz, wo das Bergamt ist, u der Nachbarschaft war geladen. Auch traf zufällig unser Verwandter, der Baron Carl Waitz dort ein, der Tarnowitz der Bergwerke halber besuchte. Um 4 Uhr etwa zogen wir uns zurück Toilette zu machen. Mein Brautkleid war ein weißer Gaze damashie Kleid, über weißen Atlas, die Smaragden, das Geschenk meiner lieben Eltern mein Schmuck. Um 5 Uhr war Alles bereit. Zuerst kam die Taufe des kleinen Carl, Lazarus (Lazarus ist Henckelscher Familien Name) Gebhard. Diesen Namen hatte er nach dem Feldmarschall Blücher! Wir saßen Gevatter, eine Sitte die wir gar nicht kannten. Meine Mutter hielt das Kind, Bismarck vertrat die Stelle vom Vater. Nun kamen wir an die Reihe! Pastor Naglo hielt eine Thränenpressende Rede, die denn auch reichlich flossen, u vergesse ich nie wie Bismarck mich zum ersten Mal nach der Trauung Du nannte, wie gut das klang! Den Abend war Illumination u Feuerwerk; auf einmal stand Carlsburg, das Haus nämlich in allen seinen Umrissen mit Lampen erleuchtet da, unsere Namenszüge ebenfalls, u nahm es sich sehr hübsch aus Ein kaltes souper ward herumgegeben, u beschloß das Fest. –
Den 27ten verließen wir Neudeck mit unserer lieben Julie, die uns auf der Reise durch das schlesische Gebirg begleiten sollte. In dieser vorgerückten Jahreszeit, u so kurz aus den Wochen, in den damaligen schlechten Wegen ein sehr gewagtes Unternehmen, was ihr auch nicht gut bekam. Beiläufig muß ich bemerken, daß seit unserer Trauung ich im Kalender alles deutsch aufgeschrieben, bis dahin alles französisch, u scheint es beinahe als hätte mich Bismarck erst nicht allein zu einer Preußin, sondern auch zu einer Deutschen gemacht!
Von Neudeck aus blieben wir die erste Nacht in Oppeln; dann ging es bis Reichenbach wo Markt war, u wir sehr schlecht kampirten; dann über Fürstenstein nach Landshut, u den 30ten nach Warmbrunn, wo schon Schnee auf den Bergen lag. Den 1ten Oktober besuchten wir den Kienast u die hübschen Umgebungen u reisten den 2ten nach Liegnitz, wo wir einen Tag blieben, da es mein künftiger Wohnort seyn sollte u Bismarck auch eine recht hübsche Wohnung dort gemiethet hatte, die wir nun vollends noch möbliren sollten. Den 4ten war der Abschied von der geliebten Mutter, im Rautenkranz, dem ersten dortigen Hotel, was wir bewohnten, ein gar schwerer Tag. Julie u ich fuhren nach Breslau, wo damals schon Möbelmagazine waren u ich Stühle kaufen wollte. Meine Sachen die zu Wasser abgegangen, waren auch noch nicht angelangt, u Bismarck stand mit seinem Bataillon vorläufig in Schweidnitz. Die Veranlassung hierzu war, die sogenannte Kartoffel Revolution in Breslau, ein Aufstand der alten Weiber, weil die Kartoffeln zu theuer wären, der aber doch wol ernster war, weil man die Garnison verstärkte, auch mit dem Füsilierbataillon aus Liegnitz, was nachher auf einige Zeit nach Schweidnitz verlegt wurde. Daher kam es daß ich meine Flitterwochen dort verlebte. In Breslau hatte ich bei meiner lieben Schwester gewohnt, in unserm hübschen gelben Wagen, der mich sehr erfreute, war ich von Liegnitz aus hingefahren, die alte Christine als Jungfer, Carl Bluhm als Diener. Auf der chaussee von Schweiditz kam mir Bismarck entgegen geritten u brachte mich in unsere Wohnung am Ring. Ich glaube ich würde sie noch wieder finden! Nie ist aber wol der Einzug einer jungen Frau in ihre Wohnung, kläglicher gewesen wie der Meinige! Bismarck war bei sehr unfreundlichen Leuten einquartirt u hatte noch einige Zimmer dazu gemiethet. In einem finstern Hause ward ich eine dunkle Treppe heraufgeführt, nun war aber der Schlüssel zu den Zimmern nicht zu finden! Es waren oben Soldatenquartiere, die Bewohner kamen eben zu Hause, ich wollte nicht allein auf dem Gang bleiben, weil ich mich fürchtete, u der arme Carl bekam gleich zum Anfang eine gute Anzahl Schelte! Wie sich nun die Pforten öffneten, waren es zwei große oede Zimmer, in das Eine schien die Flamme vom Küchenherd, denn die Küche hatte nur Luft durch das im Zimmer angebrachte Fenster. Christine hatte 1 Treppe höher ein großes Zimmer, für diese drei, bestand das amenblement in 4 Stühlen, 1 Tisch von Brettern zusammengeschlagen, den ich durch eine Serviette verschönerte u ein altes schlechtes niedriges Sopha, mit abgeschabten schwarzen Leinen bezogen. Einige dieser Détails sind mir durch die Briefe an meine Mutter aus dieser Zeit wieder gegenwärtig geworden, die ich mit großem Vergnügen jetzt wieder gelesen, u der ich nur möglichst schonend schrieb. Später miethete Bismarck mehr Möbel, 1 Sopha, 1 Kommode u 1 runden Tisch, auch Stühle. Ein Kleiderschrank war ein Luxus Möbel. Den ersten Nachmittag mußte Alles eingekauft werden, was zu einem kleinen Haushalt nöthig ist, denn die Leute im Hause waren so ungefällig, daß sie nicht einmal ein Gefäß zum Wasser holen borgten. Das Schlimmste waren aber die ungewünschten Mitbewohner, Läufer/Wanzen/u Springer! Eine neue Bettstelle half einiger Maaßen für mich ab, mein Hauptwunsch war immer: nur eine reinliche Wohnung zu haben. Wir ließen uns Speisen u fand ich es so wolfeil, 4 Schüsseln Mittags 12 ggr., das Abendessen aus 2 Schüsseln, halb so viel. Indessen waren wir doch nicht recht damit zufrieden, u richteten in Liegnitz eine eigene Küche ein. – Blieb uns in dieser Hinsicht viel zu wünschen, so hatten wir desto angenehmern Umgang; zuerst zwei Regimentskameraden von Bismarck, die mich in militärische Gespräche einweihten. General v. Brandt nun, damals Capitain, u Capitain v. Schmeling den ich sehr gern hatte, der schon lange gestorben. Außerordentlich artig u zuvorkommend gegen uns war die Gräfin Wartensleben geb. von Lisfeld, deren Mann Commandant der Festung war, die uns auch in Teichenau bei der Familie von Zedlitz einführte, wo wir sehr angenehme Zeit zu brachten. Ein wunderschöner Herbst begünstigte sehr unsere Spazierfahrten, die wir in der schönen Umgebung, in unserer hübschen neuen Equipage machten, die zum selbstfahren eingerichtet war u Bismarck mich kutschierte. Das war unser größter Luxus, der mir aber auch viel Vergnügen gemacht. Damals war es, wo wir kein Wasser tranken aus Furcht daß unsere Gäste auch durstig würden, u wir nur 2 Wassergläser hatten. Auf Thee u Kaffee waren wir aber eingerichtet, u besonders oben genannte Herren kamen häufig dazu, u der klassische Boden von Schweidnitz u seiner Umgebung, gab vielen Stoff zur Unterhaltung. Noch jetzt hat mir Baron Barnekow von Ralswieck gesagt, der beim selben Regiment aber einem andern Bataillon stand, er war Adjutant des Major von Toll, er habe nie ein so glückliches Paar gesehen wie wir es waren, u von der Zeit an, sei es sein höchster Wusch gewesen, dasselbe Ziel zu erreichen, was ihm ja auch geworden. Brandt, der sich nach unserer Abreise von Schweidnitz dort verlobte, schrieb uns dasselbe, auch Schmeling verlobte sich noch denselben Winter. – Wir hatten ihnen ein gutes Beispiel gegeben, genügsam u zufrieden zu seyn. Den 31ten Oktober begingen wir sehr feierlich den Jahrestag des 300jährigen Anfgangs der Reformation, wir waren in der Kirche u hörten eine ganz vortreffliche Predigt. Ich betete damals zuerst für Fritz, von dem ich eine Ahnung hatte. – Auch noch eines geselligen Vergnügens muß ich erwähnen, was mir neu war. Alle Woche nämlich des Donnerstags, war Kränzel auf der reshouree, wo auch die Damen hinkamen, einmal wurde getanzt, das andre Mal gespielt, als Erfrischung ward Thee serviert, butterbrod mit Braten u!!weißer u rother liqueur in kleinen Gläsern! Mit dem drei junge Damen Schwesterschaft getrunken haben sollten! Zwei Mal war ich da. –
Nach einem Aufenthalt von 7 Wochen verließen wir Schweidnitz, da das Bataillon nach Liegnitz zurückkehrte, wo nun auch meine Sachen angelangt waren. Mein guter Mann hatte da wieder viele Sorge die Kisten zu finden, worin die Betten waren (es war die 2te) wie er sich erinnert, ich war unwohl u hatte ein großes Verlangen nach dem Bett. Denn 22ten November einen Sonnabend hielten wir dort unsern Einzug. Von nun an ward unser häusliches Leben viel comfortabler, wir hatten ein gutes Hausmädchen welche mit Hülfe u unter Leitung der Christine, welche in ihrer Jugend Küchermädchen beim englischen Gesandten in Cassel gewesen, die eigene Küche anfing. Meine Mutter die uns gerathen uns speisen zu lassen, bitte ich deshalb sehr um Verzeihung, ich hätte die Wirtshausküche gar nicht vertragen, u befand mich auch viel wohler bei der eigenen, freilich noch sehr mangelhaften Küche. Ich war kläglich unwissend in dieser edlen Kunst, u das Kochbuch was meiner Unerfahrenheit zu Hülfe kommen sollte u welches Bekannte mir aus Pommern mitbrachten, hatte das Schicksal in einem Koffer zu liegen, der den Eigenthümern abgeschnitten wurde u nebst drei Batist Taschentüchern deren Ecken Lina Thun für mich geschickt verloren zu gehen.
1817: Es war für mich schlimm, daß ich nach einen längern Aufenthalt bei Henckels, die damals einen sehr guten Koch hatten, verwöhnt, in die Wirthausküche kam, sie war aber doch ein guter Uebergang um die eigene um so schmackhafter zu finden. Bismarck verstand viel mehr von der Küche, schon vom Bivouak u ging eines Tages aus 1 Topf, eine Kasserolle, eine Bratpfanne von emaillirten Gußeisen zu kaufen. Später schaffte ich mir mit dem Beistand der lieben Mutter einen Satz kupferne Kaßerollen an, die ineinander zu setzen u die Stiele zum abnehmen waren, 1 Thee u Suppenkessel u besonders einen großen Kessel zur Wäsche an. Wie einfach man damals war, beweist u.a. daß in Henckels Küche kein Theekessel war, das Wasser zum Thee wurde in einem Topf zum Kochen gebracht, war auch sehr oft räucherig. Den 17ten Dezember überraschte Henckel uns in Liegnitz, er war natürlich unser Gast u sehr freundlich u nachsichtig. Ein Uengl. Hase bei dem mich mein Schwiegervater noch verwarnt hatte daß er 9 Häute habe, den sie gehörig abziehen zu lassen, ward von einem Koch gebraten u mit Eberspeck gespickt wurde (was ich damals kennen lernte) Rindfleisch, Hecht u Kartoffeln u eine Marzipantorte die mir die Großmutter geschickt, die wir hernach aber Julie mitbrachten, machte mein Mahl aus. Mein erstes souper war für die beiden Hauptleute von Mühlenfels u von Lilljeström u bestand aus Bouillon, Rebhühnerragout, Hecht u Kartoffeln, einen Fasan, den uns Ersterer geschenkt u Kuchen. Heut zu Tage würde es schmaler eingerichtet. Der gute alte Carl bekam manche Zurückweisung dabei. Bald führten wir auch dort ein recht geselliges Leben, ich war es so in der Stadt gewohnt. Wir machten viele Bekanntschaften, gingen auf das Casino was zweimal in der Woche war u auch abwechselnd getanzt u gespielt wurde. Der Umgang war viel zahlreicher, gefiel mir aber lange so gut nicht wie Gräfin Wartensleben u die Familie in Teichenau. Später wurden wir mit einem Forstmeister von Brederlow u seiner Frau, einer geborenen von Zedlitz aus Tiefhartmannsdorf sehr befreundet. Wenn wir allein waren, las mir mein lieber Mann den 30jährigen Krieg von Schiller, Goethe’s Carneval v. Rom vor. Auch die Wahlverwandtschaften die mich empörten u wiederholt versichere ich meiner Mutter, daß mir unsere einsamen Abende die liebsten sind.
Den 23ten November gingen wir nach Breslau, wo wir das Weihnachtsfest bei Henckels zubrachten, u im selben Hause noch eine Wohnung fanden. Der Weihnachts Abend wurde mit vielen schönen Geschenken gefeiert die Henckel an Julie machte, der kleine Carl war auch sehr niedlich wie er denn immer ein allerliebstes Kind war. Mein guter Mann gab mir eine gestickte Haube, Band, das Glas mit Bronce Henkel wie Julie auch eins bekam u bonbons. Henckel gab mir das Glas mit dem silbernen Deckel, den Apolloschlüsselhaken, der damals aufkam u Julie ein Arbeitskästchen. Schon damals war ich über alle den Glanz u die Herrlichkeit die meine liebe Schwester umgab sehr enttäuscht u hätte nicht um Alles meine einfache bescheidene Häuslichkeit mit der Ihrigen vertauschen mögen!