Die Nachtigall

Man stelle sich vor: es ist ein schöner und milder Frühlings- oder Sommerabend, ein laues Lüftchen weht. Noch ist es nicht dunkel. An einem weit geöffneten Fenster im Karlsburger Schloss sitzt eine Frau, die einen Brief schreibt oder in einem Buch liest. Nun kommt die Nachtigall respektive der Sprosser (siehe Youtube) ins Spiel. (Augenscheinlich unterschied man im 19. Jahrhundert landläufig nicht zwischen Nachtigall und Sprosser)

Immer wieder beschreibt Caroline die wunderbare Stimmung, in die der Gesang sie versetzt. In ihrer Lebensbeschreibung schildert sie ihren Kindern die Einrichtung des Schlosses, als sie mit Eltern und Schwester in Karlsburg ankam. Das Cabinet war mit dunkelgrünem Damast tapeziert u hatte ein Sopha u 2 Stühle mit demselben Stoff überzogen, ein émail Tisch stand davor. Das Bild der Königin v. Schweden hing darin u waren in den Ecken étagèren mit dem Kaffee u Thee service, was jetzt in der weißen Galerie. Nachtigallen wurden darin gehalten. In der damaligen Zeit war es Mode, Nachtigallen in Käfigen zu halten. Das ging teilweise so weit, dass ganze Populationen ausgerottet wurden. In Carolines Briefen ist davon aber nicht mehr die Rede. An dieser Stelle soll Caroline selbst zu Wort kommen und ihre Liebe zum Gesang der Nachtigallen.

04.06.1817 Carlsburg an ihren Verlobten Theodor von Bismarck: Der Abend ist wunderschön ich höre die Nachtigall schlagen, mit welchem Vergnügen würde ich spazieren gehen, wären Sie da! Wie ein einziger Mensch mehr oder weniger alles verändern kann, verherrlichen oder verzaubern, freylich kömmt es ganz und gar auf seine Individualität dabey an, denn hunderte und tausende könnten mir den Einzigen nicht ersetzen[,] an den ich jezt schreibe. Heute vor 8 Tagen war der lezte[,] den Sie hier zubrachten, wie froh bin daß sie vergangen sind! Übermorgen entferne ich mich auch von Ihnen, es scheint[,] als wenn wir noch nicht weit genug von einander wären, das Meer soll wenigstens nicht zwischen uns treten – die Nachtigall schlägt hier unter dem Fenster im Cyrenengebüsch, o könnten wir Sie doch zusammen hören! –

Am 26.04.1818 schreibt Caroline, die sich von Breslau kommend auf dem Weg nach Karlsburg mit Zwischenstopp in Frankfurt/Oder befindet, an Theodor: Bei Neustädtel hörte ich die erste Nachtigall, sonst ist der Unterschied groß[;] wie viel grüner es um Breslau ist wie hier, bey dem herrlichen Wetter ist es dort gewiß schon alles grün, ich konnte gar kein besseres wünschen, wir leiden nur von der Hitze.

In Karlsburg angekommen, heißt es in einem Brief an Theodor: Gestern Nachmittag war der Pastor mit seiner Frau hier, leztere hatte ich schon vor der Kirche begrüßt[;] sie nennt mich noch immer Carolinchen so wie der Carl [ein langjähriger Angestellter im Schloss] auch den ersten Tag, was mich sehr amüsiert; sonst könnte ich es nach gerade übel nehmen wenn man mir den Frauen Titel versagt, der alte Pastor freute sich sehr mich wiederzusehen, u nachdem sie weg waren[,] spazierten wir noch im blühenden grünenden Garten, der mich so an unsern Brautstand erinnert, jetzt ist oder wird es aber doch noch besser seyn, die Nachtigall hat sich nicht wieder eingefunden, heute weht es wieder so sehr, so daß wir erst gegen Abend gehen werden.

Und wenig später geht ein weiterer Brief an Theodor ab: Nach Niederhof reisen nur die Mutter ich, Jüngel [der Neffe] mit seiner Amme u Christine [eine langjährige Angestellte], im August denke ich[,] bleibt es bey unserer Rügenschen Reise, die wir schon sehr lieblich entworfen! Mit der Gr[oß]mutter bin ich jetzt auf dem besten Fuß[,] auf den wir seyn können; wie schön es hier wieder ist[,] kannst Du Dir von vorig Jahr her erinnern, alles blüht, der Flieder, die Apfelbäume, aber die Nachtigall schweigt.

Am 26. Mai 1818 meldet sie aus Niederhof an Theodor: Jetzt wohne ich mit der lieben Mutter zusammen, so wie Du hier einst warst, ich habe die Nacht sehr gut geschlafen, u bin nicht im geringsten angegriffen, sondern befinde mich vortrefflich, heute Morgen saßen wir im Park, denn es ist herrliches Wetter[,] hörten die Nachtigall, u haben die Leonie de Montbreuse [von der französischen Romanschriftstellerin Sophie Gay] angefangen.

Weiter unten fährt sie fort: Die Gr[äfin] Putbus fuhr nach dem Thee wieder weg, u die Mutter[,] Fikesche u ich gingen den schönen Abend noch spazieren u hörten die Nachtigallen schlagen, welche mich an Dich so lebhaft erinnerte[,] die ich zulezt mit Dir hatte schlagen hören.

Ein Jahr später wieder im Mai weilte Caroline kurz vor ihrer Entbindung von ihrer Tochter abermals bei den Eltern in Karlsburg und schwärmt ihrem Mann vom wunderbaren Gesang der Nachtigall vor. Guten Tag mein theurer geliebter Theodor, denke[,] wie angenehm wir heute durch eine Nachtigall[,] die sich gerade unsern Fenstern gegenüber etablirt hat[,] überrascht worden sind, sie schlägt herrlich. Und weiter unten: Alle finden mich so sehr viel kräftiger u beweglicher wie das vorige Jahr, ich selbst finde den Unterschied aber auch sehr groß, u ganz zum Vortheil des jetzigen, wie schön schlägt die Nachtigall! Ich höre sie immer an meinem Schreibtisch. Dieser Platz soll noch zu morgen früh bleiben, jetzt küsse ich Dich vielmal mein Geliebter u verlasse Dich ungern einen anderen Br[ief] zu schließen.

Immer mal wieder streute sie in ihren Briefen auch das Fehlen des Nachtigallengesangs ein: Die Nachtigall hören wir gar nicht.

Nicht nur in der ersten Zeit ihrer Ehe erinnert Caroline ihren Mann an das Schlagen der Nachtigall, welches ähnlich wie das Veilchen Sinnbild ihrer Verbundenheit und Liebe war. Aus Berlin berichtet sie im Jahre 1850: Da bin ich aus der Kirche, wo ich eine ziemlich nüchterne Predigt gehört, der Rückweg durch den grünenden Thiergarten, durch die Blumenpartieen … Die schlagenden Nachtigallen darin, das war das Erhebenste. Ich ging mit dem guten Below [der Schwiegervater von Fritz] allein, seine Damen warteten im Zuge vor der Kirche auf die Münster [eine Gräfin], das konnte er u ich nicht gut vertragen, darum alliirten wir uns.

Am 09. Juni 1854 berichtete sie Theodor aus Karlsburg: Heut Morgen hatten wir einen schönen Regen, nur zu wenig, danach schlugen die Nachtigallen wieder so schön!

An Fritz schreibt sie im Mai 1855, auf der Durchreise von Uenglingen aus: Die Nachtigall schlägt auch hier dicht unter meinem Fenster zu meinem großen Vergnügen;

Und in Hannover bei ihrer Tochter angekommen beginnt sie einen Brief Pauline so: Bei dem Schlag der Nachtigallen unter meinen Fenstern ergreife ich die Feder, meine geliebte Pauline! nur werden die lieblichen Sänger eben durch eine Marktharfe von der andren Seite übertönt.

In einem anderen Brief an Pauline vergleicht sie die Stimme ihrer Schwiegertochter mit der der Nachtigall: Deine Heiserkeit bedauere ich ungemein, u doppelt für Deine süße Nachtigallenkehle, …

In einem Brief vom 29.04.1857 verheißt sie Theodor nach einem schlechten Tag das Glück, möglicherweise eine Nachtigall zu hören: Den lieben Kindern schickte ich einen Schinken, der hoffentlich glücklich angekommen, u drückte ich da schon mein Bedauern aus über den unglaublichen Unstern der Dich d. 23ten verfolgt, an dem Tag würde ich keine Reise mehr unternehmen, schon das Wetter war ganz umgewandelt. Dagegen wirst Du es heut in Uengl.(ingen) gewiß schon recht hübsch haben, u vielleicht sogar die Nachtigall hören.

Der letzte Brief vom Mai 1858, aus dem hier zitiert werden soll, ist von Theodor an Fritz gerichtet. Drei Monate zuvor war Caroline in Venedig gestorben: Seit einigen Tagen haben wir nach recht vielen Regen, sehr schönes warmes Wetter und alles fängt an prächtig zu grünen. Mehrere Nachtigallen schlagen im Garten und ich schreibe bei offenem Fenster. Über die Nachtigallen freute sich die theure Mutter immer so und pflegte auch Abends am offenen Fenster sie zu belauschen und jetzt – Ach mich erfreut doch nichts mehr ohne sie?

Die Carlsburger Güter – drei Wanderungen: 1. Durch den Karlsburger Schlosspark und den sich anschließenden Wald

Die Wanderung beginnt an der B 109 schräg gegenüber der alten Gärtnerei, nach dem Schloss das älteste Gebäude von Karlsburg.

Die alte Gärtnerei an der B109

Nach wenigen Metern eröffnet sich eine herrliche Ansicht – wie es sich für einen Park in englischer Manier gehört.

Flora mit dem Karlsburger Schloss von der Parkseite aus gesehen

Kurze Zeit später gelangt man an einen Graben, der den Park umfließt, sofern der Wasserstand und die Verkrautung es zulassen,

Herrschaftlicher Graben am Rande des Parks

sowie an ein historisches Wehr.

Ein altes zum Graben gehöriges Wehr

Geht man am Wehr vorbei Richtung Schloss, sieht man rechterhand – nicht weit von der Bundesstraße – einen Menhir,

Menhir mit Blick auf das Schloss

der wahrscheinlich bei der Umgestaltung des Schlossparks Mitte des 19. Jahrhunderts aufgestellt und ins rechte Licht gerückt worden ist. Gefunden wurde er eher um Steinfurth herum. Hält man sich links, überquert man einen weiteren Graben, und befindet sich im inneren Teil des Parks.

Blick vom Schloss aus
Blick Richtung Flora
Ein Lieblingsort: Am Fuße der Flora hielt sich Caroline mit ihrer Familie gern auf

Geht man am Schloss vorbei und folgt dem Weg in den Park kommt man zunächst am Eiskeller vorbei

der Eiskeller, wahrscheinlich eine Fledermausherberge

wenige Meter entfernt gelangt man an ein romantisches Gewässer mit einer Insel – der sogenannten Liebesinsel – die vor einigen Jahrzehnten noch über eine weiße geschwungene Holzbrücke erreichbar war.

Der Schwanenteich im zeitigen Frühjahr…
… und im Sommer
Die Liebesinsel

Nach diesem Abstecher – wiederum mit einer schönen Aussicht auf das Schloss – geht man weiter durch das Lustholz – den Teil des Karlsburger Waldes, der sich hinter dem Schlosspark erstreckt und sowohl die damaligen Bewohner und Bewohnerinnen des Schlosses als auch ihre Gäste bei schönem Wetter zum Lustwandeln einlud. Auf der rechten Seite befinden sich der Carolinen-Horst, benannt nach Caroline erste Gräfin von Bismarck-Bohlen, und linkerhand die Friedrich Carls Höhe,

Friedrich Carls Höhe

leicht zu erkennen an dem riesigen polierten Granitstein mit goldener Inschrift. Im Hausbuch der Bismarck-Bohlen heißt es dazu: Zur Erinnerung an das kurze aber sehr segensreiche Wirken des Grafen Friedrich Carl und der Gräfin Helene B.B. wird 1902 von dem Nachfolger [Fritz Ulrich] im Besitze auf der Friedrich Carls Höhe ein großer roter polirter Granitblock mit dieser Aufschrift errichtet. Der Stein war ganz in der Nähe – bei Theodors Lust – gefunden worden. Die Bearbeitung erfolgte zu Wolgast durch die Deutsch-Schwedischen Granitwerke.

Nicht-Sicht Richtung Schloss

Steht man mit dem Rücken zum Stein, könnte man vielleicht das Schloss sehen, wäre die Sicht nicht zugewachsen. Als der Gedenkstein Anfang des 20. Jahrhunderts aufgestellt wurde, regte die vorhandene Sichtachse zum Schloss Fritz Ulrich von Bismarck-Bohlen sicher dazu an, ihn genau an dieser Stelle zu platzieren oder es war gar ein Lieblingsort des Onkels.

Geht man weiter Richtung Bollbrücke, die über die Mehlbeck oder niederdeutsch Mehlbeke führt,

Die Boll-Brücke wird schon von Theodor von Bismarck-Bohlen erwähnt.

kommt man an Theodors Lust vorbei, benannt nach Theodor erster Graf von Bismarck-Bohlen. Er und seine Frau haben nach Übernahme der Güter viel zur Gestaltung des Parks oder auch der ländlichen Umgebung getan, seien es die Pflanzungen von Lindenalleen oder die kilometerweiten Steinmauern, die noch heute die Landschaft um Karlsburg und Steinfurth prägen.

Blick von der Bollbrücke auf die „alte Wiese“

Der alten Wiese schließt sich der Helenen-Horst an, benannt nach der Frau von Friedrich Carl, die sich sehr um die Modernisierung des Schlosses verdient gemacht hat. Auch das schmiedeeiserne Rosentor verdanken wir ihr. Sie – eine geborene von Tiele-Winckler -aus wohlhabendem Hause kommend, fertigte den Entwurf dafür und schenkte es ihrem Mann zum Geburtstag. Friedrich-Carl hätte dafür wohl kein Geld ausgegeben.

Waldweg zur Spinne

Man verlässt die Bollbrücke Richtung Spinne – Spinne deshalb, weil von dieser Stelle 5 Wege abgehen. Hier einige Ansichten.

Ein unter Naturschutz stehender ziemlich alter Lebensbaum
unweit der Spinne befindet sich ein Kesselmoor
Der Rastplatz

nicht weit von der Spinne stößt man auf einen sogenannten Duellstein. Hinter F. v. H. könnte sich der Name Friedrich von Homeyer (1824-1898) verbergen, was aber nicht gewiss ist.

Inschrift: F. v. H. 4.8.1848

Über den Jasedower Privatweg oder auch am Helenen-Horst vorbei den Waldweg entlang erreicht man das Schloss wieder.

Weitere Impressionen aus dem Karlsburger Lustholz.

Wegweiser
Kunst aus Natur
Pretzkow/Pretschkow – wüster Ort und Berg: dieser Ort lag, wenn man auf der B109 Richtung Anklam fährt, auf der rechten Seite
Urwüchsig
An der Boll-Brücke

Gemälde aus dem Karlsburger Schloss

In diesem Beitrag werden die Gemälde aus dem Karlsburger Barocksaal eingestellt, die teilweise in keinem besonders guten Zustand sind.

Ernst Friedrich von Bismarck
auf Schönhausen
als Cornet
1728 – 1775

Carl Heinrich Behrend Graf von Bohlen
Kgl. Schw. Kammerherr u. Schlosshauptm. 1705 – 1757
Curt Christoph Graf von Schwerin Feldmarschall
1684 – 1757 (wahrscheinlich von Antoine Pesne)

Graf von Schwerin war in erster Ehe mit Ulrike Eleonore von Krassow verheiratet. Die Großmutter von Friedrich Ludwig von Bohlen war eine geborene Krassow.

Friedrich I
König von Schweden
1676 – 1751

Ulrike Louise Königin Schweden Prinzessin von Preussen 1720-1782 (wahrscheinlich eine Kopie nach Antoine Pesne)
Detlof Philipp von Walsleben (1744 – 1790)
Caroline Elisabeth von Bohlen geb. von Walsleben 1781-1857

Friedrich Ludwig Graf von Bohlen
Chur-Hess. Hofmarschall
1760 – 1828
Caroline Gräfin von Bismarck-Bohlen 1798-1858

Auf der Rückseite hat Theodor Graf von Bismarck-Bohlen vermerkt: „Ich halte es für meine Pflicht, meinen lieben Nachkommen ausdrücklich zu bemerken, daß meine Frau, die liebevollste und teuerste ihres Geschlechtes, mit welcher ich nun über 38 Jahre in der glücklichsten und zufriedensten Ehe lebe, auch keinen Augenblick so diesen überhaupt nur so ausgesehen, als der Mahler sie auf diesem Bilde leider dargestellt hat. – Carlsburg im Oktober 1855 – Gf. Bismarck-Bohlen.“

H. F. Schönfeldt
Hartz Ernst von Schönfeld auf Werben um 1740
Agnes Christiane von Bohlen, geb. von Stranz 1747 – 1807
Sie war die zweite Frau von Carl Julius Bernhard von Bohlen (1738-1813)
Das Porträt befindet sich in der Kustodie der Universität Greifswald
Philipp Friedrich Ernst Freiherr von Dörnberg 1818 – 1858
Er war der Großvater der Auguste-Viktoria von Bismarck-Bohlen, geb. von Falkenhayn
Das Gemälde von Franz Krüger befindet sich in der Kustodie der Universität Greifswald
Fritz Ulrich von Bismarck-Bohlen
1884 -1945
Das Gemälde befindet sich in der Kustodie der Universität Greifswald
Carl Julius Bernhard von Bohlen (Gemälde von Johan Henrik Scheffel um 1770) Ihm ist zu verdanken, dass aus Gnatzkow Carlsburg wurde. Das Bild habe ich bei geni gefunden.

Du bist der Gott der Wunder thut: die Wernereiche im Steinfurther Forst

Eine Bastelei: so oder ähnlich könnte der Gedenkstein von der gräflichen Familie im Steinfurther Wald aufgestellt worden sein.

Vor vielen Jahren wurde im Steinfurther Forst ein in drei Teile zerborstener Gedenkstein gefunden mit der Inschrift:

5. April 1872

Du bist der Gott

der Wunder thut

Ps. 77.15

Lange haben wir im Freundeskreis gerätselt, was wohl der Anlass dafür gewesen sein könnte, solch einen Stein mitten im Wald in unwegsamem Gebiet aufzustellen. Dass es die gräfliche Familie veranlasst hatte, war ziemlich schnell ersichtlich. Nur warum? Was war passiert? War es vielleicht doch ein Todesfall, da das Denkmal wie ein Grabstein aussieht? Jedoch das Tagesdatum und der Spruch, der auf ein Wunder hinweist, sprechen wiederum dagegen.
Vor einiger Zeit nun, nachdem ich über zwei Jahre in den Archivalien des Pommerschen Landesarchivs u. a. auch nach dem Geheimnis des 5. April 1872 geforscht hatte, fand ich im Hausbuch der Grafen Bismarck Bohlen einen Eintrag von Theodor:

1872. 5ten Apr. des Herrn schützende Hand hat am heutigen Tage namenloses Unglück von uns abgewendet. Ihm sey Lob und Dank! Mein ältester lieber Sohn, war mit Werner Arnim auf dem Rundgang und sank auf dem Steinfurther Revier, mit dem einen Fuß in eine tiefe alte Torf= oder Fenngrube bis fast an die Hüfte ein, so daß er nicht allein herauskommen konnte, das gespannte Gewehr in der Hand haltend. Werner ihm zu Hülfe kommend, faßte dasselbe vorn an und brachte, indem er auch tief einsank, die Mündung des Gewehres, sich auf den Leib und in demselben Augenblick wendete sich dasselbe und der ganze Schuß Hagel ging ihm in die Seite unter dem Arm durch, die Joppe zerfetzend, so daß alles verbrannt war und viele Hagelkörner in der Joppe steckten und nur 1 Korn ihn leicht streifte! Es ist kein Zweifel, daß wenn nicht durch Gottes Gnade, das Gewehr gerade diese glückliche Richtung gehabt hätte, der Schuß in dieser Nähe ihn unfehlbar getödtet hätte. Zum dauernden Andenken an diese Abwendung unsäglichen Unglücks, ist nahe der Stelle, eine Eiche gepflanzt und am 21ten Mai ein Denkstein gesetzt worden.

Auf einer Kuppe steht im Verein mit alten Buchen die Wernereiche – ein magischer Ort!
Mitten im Steinfurther Wald ein Kreis aus Feldsteinen in der Nähe der Fundstelle des Gedenksteins, vermutlich der Standort

Friedrich schilderte dieses Ereignis in seinen Aufzeichnungen „Aus unserem Leben für unsere lieben Kinder“, welche er im März 1890 niederschrieb, folgendermaßen: hier mögte ich aber doch kurz das Kreuz u. die Freuden erwähnen[,] die uns immer fester den Blick nach Oben richten ließen u. die mein Herz noch heut in liebstem Dank bewegen wenn ich an all‘ die Gnadenwunder denke[,] die der Herr über uns hat kommen lassen.

Zuerst, noch wärend mein lieber Vater lebte, erwähne ich des erschütternden Vorfalls[,] der mir mit unserem geliebten Schwiegersohn Werner am 5ten April 1872 zustieß, wo ich auf der Schnepfenjagd im Steinfurter Holz in ein Fenn [ndt.; morastig-sumpfiger Bereich] versinkend, an dem Gewehr von ihm herausgezogen ward u. dies ihm auf die Brust losging, so daß Rock u. Weste in Flammen standen! Einige 30 Schrotkörner wurden in seinen Kleidern gefunden[.] „Du bist der Gott der Wunder thut“ ließ mein theurer Vater dort an die Stelle in einen Stein hauen vor der dort gepflanzten Werner Eiche! – Kind u. Kindeskind sollten des stets eingedenk bleiben. –

Seit der Zeit hing ich meine Flinte an den Nagel, denn jede Jagdfreude war mir vergellt. Wenn ich auch als Wirth bei größeren Jagden manchmal mit ausrückte so habe ich doch von dem Tage ab die Jagd aufgegeben u. meinen Söhnen überlassen

Wie froh ich war, dieses Geheimnis endlich gelüftet zu haben, kann man sich sicher vorstellen. Die beiden Männer waren Friedrich von Bismarck Bohlen – der älteste Sohn von Caroline und Theodor – und sein Schwiegersohn Werner von Arnim, der mit Friedrichs Tochter Caroline verheiratet war.

Und auch ein weiteres Rätsel löst sich nun ebenfalls. Auf einer Karte, die den Karlsburger Besitz zeigt, ist im Steinfurther Wald eine Wernereiche eingetragen.

Die Wernereiche

Ganz sicher handelt es sich um eben diese Eiche, die aus Dankbarkeit ob des glimpflichen Ausgangs in der Nähe des Unglücksortes gepflanzt wurde.

Der Standort des Gedenksteins mit der Werner-Eiche. Eine Vermutung
Wernereiche

Nun noch einige Bilder von der näheren Umgebung des Feldsteinkreises und der Werner-Eiche, um die Wildnis, die das Denkmal umgeben, zu verdeutlichen:

Eine Eiche, zwar entwurzelt, aber trotzdem am Leben
monumentale Wurzeln
Der Brebowbach

Die Angst vor Corona heute war im 19. Jahrhundert die vor der Cholera

Der Ausnahmezustand, in dem wir uns seit über einem Jahr befinden, ängstigt sicher nicht nur mich deshalb so stark, weil immer mehr Mutanten auftreten und die Impfung nur schleppend vorangeht. So ähnlich müssen sich die Menschen im 19. Jahrhundert bei vielen ansteckenden Krankheiten – sei es Tuberkulose oder Cholera – gefühlt haben, deren Lebensverhältnisse sowie das medizinische Wissen und natürlich auch die medizinische Versorgung unvergleichlich schlechter waren als heute.

In Carolines Briefen an ihren Sohn Fritz nehmen Krankheiten aller Art einen großen Raum ein, die eigenen und mit großer Anteilnahme die in ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis. Von Seuchen wie der Cholera, die die Menschen ebenfalls außerordentlich ängstigten und die sowohl in Anklam oder Stralsund aber auch in ganz Preußen bzw. in ganz Deutschland grassierten, ist des öfteren die Rede.

14.11.1848: Hier ist unterdessen, die Cholera u zwar ziemlich ernst aufgetreten: Sonnabend starb der Kuhhirt in Steinfurt daran, u den Sonntag die beiden jüngsten rüstigsten Tagelöhner – natürlich alle mit Hinterlassung von Wittwen u Kindern. Hier erkrankten 3 Frauen daran, die ich mit Erfolg behandelt habe, nach Angabe des Arztes der zum Glück kam, heut ist noch eine krank u einige auf dem Hof was aber wol nicht viel seyn wird, mit Ausnahme einer wo wir das Nervenfieber fürchten. Es ist nur ein gastrisches Fieber. Vater fuhr Sonntag Vormittag sogleich nach Greifswald u brachte einen jungen Arzt mit, den ihm Berndt empfohlen u den er auf einen Monat engagirt hat. Er gefällt mir recht gut, u ich glaube nicht daß er den liquor austrinken wird, wie der vor 17 Jahren es that mit H. Lauter in Compagnie. … Hier ist im Hause alles wohl, drüben liegen 3 Mädchen u 2 Jungen, die Stube der Wirthschaftslehrlinge u die Fremdenstube sind als Lazareth eingerichtet, im Dorf liegen 4 Frauen aber alle in der Besserung. In Steinfurt ebenso. –

10.08.1849: Eine schwere Sorge ist mir auf’s Herz gefallen mit Fritz [ihr erstgeborener Sohn], daß er die Cholera in seiner Schwadron hat! Gewiß geht er hin ihre Kranken zu sehen – mir schadet das nicht, aber für ihn bin ich besorgt u empfehle ihn dringender als je den Schutz des Himmels, das ist ja das Einzige was man in der Abwesenheit thun kann.

06.09.1849: Doch nun will ich Deine Geduld nicht länger auf die Probe setzen, sondern Dir sagen daß wir sehr glücklich hier eintrafen u Carl [ihr jüngster Sohn] hier vorfanden, da in Anklam Cholera u besonders ein sehr bösartiges Scharlachfieber herrschen, so daß Dr Buhtz ihm gerathen lieber hierher zu gehen. Auf wie lange ist noch unbestimmt. … Hier ist der Garten so frisch u hübsch u auch viel Obst darin, nur erlaubt die Nähe der Cholera nicht, daß man es roh genieße, bis jetzt ist aber noch alles gesund.

25.09.1849: In Stralsund haust die Cholera noch immer, u wenn auch nicht viele Opfer fordernd, so sucht sie sie recht empfindlich aus. Da sehe ich heut den Tod des Grafen Ranzow in der Zeitung ein Schwager von Haselbergs, der 1 Wittwe mit einem kleinen Kind hinterläßt, u der der ganzen Familie ein Stütze, der besten Bürger Einer der Stadt war. Da sind die Wege der Vorsehung sehr unerforschlich. – August Bluhm ist auch noch immer sehr krank seit 5 Wochen an einem nervösen Fieber, aber auf der Besserung dem Anschein nach. Die Cholera verbreitet sich auch wieder auf dem Lande, in Pamitz ist ein Mann daran erkrankt aber wieder geworden.

01.09.1850: Die Cholera ist schlimm in Stralsund u sterben viele daran, wir sprechen aber nicht davon in Juliens [Carolines Schwester] Gegenwart u werden auch nicht in die Stadt fahren, was mir sehr angenehm ist.

04.09.1850: Kein Besuch aus Stralsund stört unsere angenehme Vereinigung [in Niederhof] indem dort leider! die Cholera sehr herrscht, u meine Schwester sie etwas fürchtet.

17.10.1855: Wie dem auch sei so ist es hier auch gut wohnen, u wir sehen Euch um so lieber so gut im Winterquartier eingerichtet, als hier in der Nachbarschaft die Cholera spukt u ziemlich böse ist. In Züssow u Salchow. Gott bewahre uns in Gnaden davor! Dagegen ist in Stralsund seit d. 4ten keiner erkrankt, u freut es mich um so mehr, als die liebe Clementine in dieser Woche einziehen wollte u ich darauf hoffe, sie von Niederhof aus zu sehen … Die Majestäten [Königreich Hannover] sind aber so schwächlich gewesen, daß sie doch wol wenig Freude davon gehabt – an der Marschallstraße mit dem Gefolge zu essen – die Königin hat sich gleich nach der Tafel u der König bald nachher zurückgezogen, Alle haben an der Cholera gelitten!! Wenn sie sich nun doch etwas Ruhe gönnten!

Im Karlsburger Schlosspark entdeckt: Das Veilchen

Ende März denke ich beim Anblick der blühenden Veilchen immer daran, dass bei einem von Theodors ersten Karlsburger Besuchen im März 1817 die Entdeckung dieser Frühlingsboten ein besonders romantischer Augenblick war, an den beide sich gern erinnerten. Er und Caroline fanden bei ihren Spaziergängen im Park die Veilchen und sprachen in ihren Briefen davon. Auch in späteren Jahren erwähnte sie das Veilchen und erinnerte sich an diese Momente unbeschwerten Glücks mit etwas Wehmut zurück.

Am 01.03.1817 schreibt Caroline: Nach Veilchen habe ich auch noch nicht spähen können, Sie brauchen sie nicht zu erwarten, das wissen Sie ja!

Wilde Veilchen im Karlsburger Schlosspark: vielleicht dort, wo die Verlobten sie gefunden haben?

Theodor am 06.03.1817: Gestern und vorgestern war zur Veränderung einmahl gutes Wetter; schon glaubte ich, der Barens habe endlich ausgetobt, die Schläuche des Himmels sich geschlossen, und der liebe Frühling werde endlich mit gutem Wetter und Veilchen kommen, allein heut scheint das Versäumte wieder aufgeholt zu werden, denn alles was der Himmel herab auf armen Erdbewohnern auf die Köpfe fallen kann, Hagel, Regen, Schnee, ist bereits heut früh unter Begleitung eines Sturms gefallen.


Caroline am 17.03.1817: Das Wetter ist Ihnen wenigstens recht günstig: ich werde hernach im Garten gehen und mich nach dem Veilchen umsehen wo Sie ein Reis beysteckten,

Theodor am 18.03.1817: Mit den Veilchen wird es nun wohl bis zu meiner Ankunft währen. Sontag oder Montag über 8 Tage! Mein geliebtes Linchen wäre doch dieser Tag erst da!

Caroline am 23.03.1817: Unser Veilchen ist abgepflückt, ich habe mich danach umgesehen.

Theodor am 20.03.1817: Sie gehen gewiß heut ein wenig im Garten, mein geliebtes Linchen, vielleicht in diesem Augenblick, warum kann ich nicht an Ihrer Seite gehen? Warum nicht mit Ihnen die Veilchen knospen untersuchen, anstatt nun allein zu Malmens zu wandern?

Am 10.10.1820 schreibt sie an Theodor: So eben komme ich von einem großen Spaziergang mit Fikeschen zurück von dem ich Dir auch etwas mitbringe etwas altes u neues zugleich: ein Paar Veilchen
Und einige Zeilen später: Ich fliege ein wenig zu Dir herüber mein geliebter Theodor, u sage Dir zuerst daß Dein Liebling Fritz sanft eingeschlafen ist, nachdem ich ihm ein Veilchen gegeben.

Und in späterer Zeit am 16.04.1842: Zum Beweis daß wir nicht ganz verfrieren schicke ich Dir die beiden einzigen Veilchen die ich finden konnte heute, es ist trotz der Kälte grüner geworden.

Sowie am 31.03.1848: Hier geht alles gut, wir sind wohl u genießen das köstlichste Frühlingswetter, könnte man es nur mit leichtem frohen Herzen wie ehemals! Ich habe eben die ersten Veilchen aus dem Garten gebracht.