Konzert für Viola und Klavier am 02. September 2023 um 19:00 Uhr im Treckerschuppen – Kulturhaus Steinfurth
„ich nutze die Gelegenheit, um zu betonen, dass ich existiere… und dass die Violasonate mein eigenes Werk ist! ( Rebecca Clarke)
Dichte Harmonien, emotionaler Ausdruck und rhythmische Komplexität zeichnen die Werke von Rebecca Clarke aus, aber diese kompositorische Reife haben ihr nur die wenigsten Zeitgenossen zugestanden. Ihre anonym eingereichte Viola Sonate hielten einige Jurymitglieder für ein Werk von Maurice Ravel. Auch die Medien trauten einer Frau eine solche Leistung nicht zu. Der „Daily Mirror“ meldete, dass es eine Person mit Namen Rebecca Clarke nicht gäbe, sondern dass der Name ein Pseudonym für Ernest Bloch sei.
Wie schaffen es die Frauen Clara Schumann, Fanny Hensel und Rebecca Clarke die Zwänge ihrer Zeit zu überwinden, um kreativ zu sein und zu komponieren?
Das Duo Frauke Huhs (Viola) und Cornelia Maaz (Klavier) geht dieser Frage nach und lädt Sie mit den warmen Klängen der Bratsche und des Klavieres ein zu einer Reise in die Welten von drei Komponistinnen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Frauke Huhs und Cornelia Maaz spielen seit 2012 nicht nur zusammen als Duo, sondern widmen sich auch gemeinsam der frühen kammermusikalischen Ausbildung von Schüler*innen in Berlin.
Frauke Huhs war in der Schulzeit Mitglied im Landes- und Bundesjugendorchester. Sie studierte Bratsche an der Musikhochschule Lübeck bei Prof. Winfried Rademacher und besuchte Meisterkurse beim Alban Berg Quartett, bei Kim Kashkashian und bei Wolfram Christ. Während der Studienzeit war sie Praktikantin beim Philharmonischen Orchester Lübeck und seit 1992 Mitglied in der Staatskapelle Halle. Seit 2011 unterrichtet sie an der Instrumentalunterricht und Kammermusik e.V. in Berlin. Sie ist Gründungsmitglied der „Bürgersinfonie Berlin “.
Cornelia Maaz erhielt ihre erste pianistische Ausbildung in Jena bei Hans-Joachim Schmidt. Sie studierte an der Weimarer Musikhochschule im Hauptfach Klavier und war anschließend als Assistentin an dieser Hochschule tätig. 1985 nahm sie am Internationalen Robert-Schumann-Wettbewerb in Zwickau teil.
Seit 1990 lebt und arbeitet sie in Berlin, zunächst mit Lehrtätigkeiten an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Hochschule für Musik “Hans Eisler” und privatem Unterricht. 1998 war sie Mitbegründerin der freien Musikschule “Instrumentalunterricht und Kammermusik” in Berlin-Prenzlauer Berg, an der sie bis heute tätig ist. Sie trat in zahlreichen Konzerten in verschiedenen Besetzungen auf, in den vergangenen Jahren vor allem im Duo mit dem Cellisten Christian Raudszus, der Bratschistin Frauke Huhs und im Klaviertrio “trio felice”.
Vom 30. Juli bis zum 27. August jeweils Sonntags von 14-17 Uhr ist die Ausstellung mit Werken von Detlef Lieffertz im Steinfurther Treckerschuppen zu besichtigen. Über Ihren Besuch würden wir uns freuen.
useedomtv und greifswald-tv haben am 15.08. einen Beitrag gesendet:
Am 15. Juli 2023 fand im Steinfurther Treckerschuppen die Vernissage mit dem Leipziger Künstler Detlef Lieffertz statt.https://www.lieffertz.de/
Eröffnet wurde die Ausstellung mit einem Gespräch zwischen Detlef Lieffertz und Werner Stübing, die sich an die aufregende Leipziger Zeit in den 70er Jahren erinnerten, als Lieffertz die ersten Schritte ins Künstlerische wagte und Werner Stübing ihm als Buchhändler in der Leipziger Internationalen Buchhandlung Kunstbände aus westlichen Verlagen oder auch Exponate von der zweimal im Jahr stattfindenden Buchmesse verschaffte. Dabei blieb nicht aus, dass die Kunstszene und die daraus hervorgegangenen auch heute bekannten Maler in den Blick kamen. Die Zeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, die Lehrer Bernhard Heisig, Heinz Wagner und Hartwig Ebersbach, bei denen der Künstler studiert hat, geraten dabei genauso in den Fokus wie seine sehr unterschiedlichen Tätigkeitsfelder, die da unter anderem wären: Ausgestaltung des Akademixerkellers oder des Messehauses Speck’s Hof, Ausstellungen im Grassimuseum usw.
Er hat sich etwas eingetreten. 2022
Der Band WerkKunstWerk 16Gespräche • Ein Portrait des Künstlers Detlef Lieffertz von Michael Hametner gibt in besonderer Weise einen Überblick über das Schaffen des Künstlers.
Im Anschluss daran spielte das Logos Quartett “Komponistinnen im 19. und 20. Jahrhundert von Friedland bis nach Frankreich”, die den Abend in wunderbarer Weise ausklingen ließen.
Vier Musikerinnen aus verschiedenen europäischen Ländern finden eine gemeinsame Sprache in der Musik.
Am 29. Mai 2023 war in Fortsetzung der einmal im Jahr stattfindenden Veranstaltung zum Leben der Caroline von Bismarck-Bohlen eine Premiere der besonderen Art.
Am Pfingstmontag erwartete die Besucher ein außergewöhnlicher Abend voller Romantik und künstlerischer Vielfalt im Steinfurther Treckerschuppen. Für die Kirchenruine, die eigentlich die romantische Kulisse für die Lesung sein sollte, war es leider zu kalt.
Der Briefwechsel zwischen der 18-jährigen Caroline von Bohlen und dem 26-jährigen Theodor von Bismarck wurde einfühlsam präsentiert und entführte die Zuhörer in eine andere Zeit.
In der bewegenden Lesung standen die Irrungen und Wirrungen, die das Brautpaar bis zur Hochzeit durchstehen musste, im Mittelpunkt.
In Szenen rund um den Küchentisch im Karlsburger Schloss kommentieren Bedienstete das Tun ihrer Herrschaft und das historische Zeitgeschehen auf witzige Weise.
Vor allem das Zusammenspiel von Platt und Hochdeutsch war erfrischend.
Der musikalische Höhepunkt des Abends waren romantische Liebeslieder von Brahms und Mendelssohn. Es sang der Chor Wolgaster Vokalisten unter der Leitung von Fred Winter. Diese bezaubernden Melodien haben die Herzen der Zuhörer berührt und für eine unvergessliche Atmosphäre gesorgt.
Die Texte und Briefe wurden von Ursula von der Gönne recherchiert und zusammen getragen. Gemeinsam mit Mathias Bartoszewski hat sie ein Programm geschaffen, das die Zuschauer auf eine fesselnde Reise ins 19. Jahrhundert mitnimmt.
Mitwirkende: Caroline: Maria Reise Theodor: Christof Rau Amme: Jette Lewke Köchin: Monika Barnikow Knecht: Jörg Stolzenburg Kutscher: Klaus Stattaus Der Chor Wolgaster Vokalisten unter der Leitung von Fred Winter Die Bläser der Kirchengemeinde Zarnekow/Züssow unter Leitung von Gerhild Heller
Texte und Regie: Mathias Bartoszewski und Ursula von der Gönne-Stübing Plattdeutsch: Margit Wenzlaff
Am 17. Juni nun gab es die zweite Aufführung in der Steinfurther Carolinenkapelle, die durch die historische Umgebung sowie die von Jörg Rasche am Harmonium gespielten romantischen Stücke eine ganz andere Stimmung erzeugte.
Der Theodor wurde dieses Mal von Jonas Grasemann gelesen
Es war auch da deutlich zu spüren, mit welcher Freude und Lust am Spiel die Darstellerinnen und Darsteller ihre Rollen verinnerlicht hatten.
Zwei romantische Abende – am 29. Mai im Steinfurther Treckerschuppen sowie am 17. Juni 2023 in der Steinfurther Carolinenkapelle – beinhalten gleich mehrere künstlerische Genres : zunächst die Lesung aus dem Briefwechsel zwischen der 18jährigen Caroline von Bohlen und dem 26jährigen Theodor von Bismarck, die Irrungen und Wirrungen, die das Brautpaar bis zur Hochzeit durchstehen muss; dann Szenen rund um den Küchentisch im Karlsburger Schloss – auf platt und hochdeutsch.
Am 29. Mai wurde das romantische Geschehen von den Wolgaster Vokalisten unter der Leitung von Fred Winter mit Stücken u. a. von Mendelssohn untermalt. Am 17. Juni wurde der musikalische Teil von Jörg Rasche am historischen Harmonium gestaltet.
Mitwirkende: Caroline – Maria Reise Theodor – Christoph Rau Amme – Jette Lewke Köchin – Monika Barnekow Knecht – Jörg Stolzenburg Kutscher – Klaus Stattaus
Texte und Regie: Mathias Bartoszewski und Ursula von der Gönne-Stübing
Im 19. Jahrhundert gingen fortschrittliche schulische Veränderungen vor allem von Preußen aus. Da verwundert es nicht, dass auch die Bismarck-Bohlen, eng verbunden mit dem preußischen Königshaus und seiner Politik, den Schulbesuch der Dorfkinder förderten. Während einer verstärkten Bautätigkeit Anfang der 1830er Jahre in Carlsburg wurde 1832 auch ein Schulhaus – später alte Schule genannt – gebaut.
Der erste Schulmeister, der Erwähnung findet, ist ein gewisser Wotke. Für die Küsterschule in Zarnekow wird ein Meister Jakob Christoph Meyer erwähnt, der gleichzeitig Schuhmacher und Schulmeister war.
Hier ein Schreiben über die Anzahl der Familien in Karlsburg und Steinfurth um 1820:
Beantwortung Den von Ew. Hochgeborn vorgelegten Fragen in Bezug auf die Anzahl der sich in den Gütern Carlsburg & Steinfurt incl. Mühle befindenden Familien, so wie auch, wie viele Kinder im vorigen und in diesem Winter die Schule besuchten, nebst Bemerkung des Schulgeldbetrages pro Woche für Ertheilung des Unterrichts im Lesen, Schreiben und Rechnen. – Was die in Carlsburg wohnenden betrifft, so beläuft sich die Anzahl auf 34, die in Steinfurt auf 19, die der Mühle auf 2 Familien. Die Schule wurde im vorigen Winter von 40 Kindern besucht; gegenwärtig indeß beläuft sich die Zahl nur auf 31, jedoch steht zu Folge der Aussage des Lehrers zu erwarten, daß nach Anfang des neuen Jahres sie sich wieder bis auf 40 erhoehen werde. – Für den Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen werden für das Kind auf die Woche 16 g gezahlt; für das Lehren des Lesens allein 8 Pfennige. – Hennig
Aber auch vor dieser Zeit waren in Karlsburg und Zarnekow Lehrer tätig. In der von Egon Brauns zum 700. Jahrestag der ersten urkundliche Erwähnung des Ortes Gnatzkow/Karlsburg erschienenen Broschüre: “KARLSBURG von der Vergangenheit eines Dorfes” beschreibt der Autor die Entwicklung des Schulwesens in der Gemeinde, welches an dieser Stelle zitiert werden soll.
Die allgemeine Schulpflicht, 1825 im Regierungsbezirk Stralsund erneut verordnet, konnte selbst in der Stadt Wolgast erst 1828 mit einer Reorganisation der Schulen durchgesetzt werden. …
Wo die erste Schule gestanden hat, ist nicht bekannt. Das “neue Schulhaus, in welchem auch der Schafmeister wohnt,” wird 1832 erbaut und 1845 durch einen Umbau vergrößert.
Nun zahlen die Eltern an Schulgeld für Lesen, Schreiben und Rechnen wöchentlich einen Silbergroschen und 4 Pfennige, für Lesen allein nur 8 Pfennig. Aus einer Aufrechnung ergibt sich, daß zwei Drittel der Kinder nur das Lesen erlernen. Ab 1834 erfolgt dann eine Regelung, die alle Familien ohne Berücksichtigung der Kinderzahl zur Zahlung eines jährlichen Schulgeldes von einem Taler verpflichtet. Dafür ist der Schullehrer “verbunden, sämmtliche Kinder ohne weitere Vergütung Lesen, Rechnen und Schreiben und Beten zu lehren und kann jedes Kind vom zurückgelegten 5ten Jahre an die Schule besuchen “. Aber: “während der Korn- und Kartoffel Erndte hört die Schule für 6 bis 7 Wochen auf.”
Um die Jahrhundertmitte war das Weberhandwerk in der Gegend sehr verbreitet, und in fast jedem Dorf beschäftigte ein Meister mehrere Gesellen.
Schon vor 1760 war der Damastweber Johann Worpitzky in Carlsburg tätig. Während Sohn und Enkel mit Hilfe von Gesellen das Handwerk bis Mitte des 19. Jahrhunderts weiterführen, kommt mit der Einstellung seines Enkelsohns Johann Samuel, geboren 1804, als Lehrer an der neuen Dorfschule Licht in die örtlichen Schulverhältnisse.
Nachdem zunächst auch dieser Spross der kinderreichen Familie wegen der kärglichen Verhältnisse in der väterlichen Weberei gearbeitet hat, “reist er als Webergesell”, berührt dabei auch “die Mecklenburgischen Staaten” und bleibt für einige Zeit in Parchim, wo sein Bruder als “Lehrer in Gymnasio” tätig ist. Diese Schule besuchte zur gleichen Zeit auch Fritz Reuter. Der “Rechen- und Schreiblehrer” Worpitzky ohne akademische Bildung unterrichtete jedoch nur die unteren Klassen. Vor allem besteht hier eine Sonntagsschule die nun Johann Samuel nach dem Vorbild seines Bruders mit Eifer nutzt, um sich “in allerhand Wissenschaften” fortzubilden, was er in seinem Lebenslauf als Lieblings-Neigung bezeichnet. Dennoch kehrt er nach 2 1/2 Jahren ins Heimatdorf und an den Webstuhl zurück. Als er erneut sein Glück in Parchim versuchen will, gelangt er in Stralsund (sicher nicht rein zufällig) in das Haus des Carlsburger Gutsherrn, des Grafen von Bismarck-Bohlen. Der möchte die Lehrerstelle in dem “zweckmäßige Schulgelände, das er gerade in Carlsburg errichten läßt, mit “einem andern fähigeren Subjekte” besetzen, “da der bisherige Schulmeister… in keiner Art seinen Beruf ordentlich zu erfüllen imstande war”. Mit dem Wunsch diese Stelle einzunehmen, wendet sich Worpitzky Anfang September 1832 an die Königliche Preußische Regierung in Stralsund, und diese ersucht bereits sechs Wochen danach den Grafen, “nachdem der Schulamtskandidat Worpitzky geprüft ist … die Vacantien zu unsrer Bestätigung gefälligst einzusenden”, worauf sie die Einführung durch Pastor Schulz zu Zarnekow veranlassen werde. Das alles geschieht binnen kurzer Zeit, und der Graf fertigt die “Vocation zum Schulmeister” aus für die von ihm dotierte Nebenschule zu Carlsburg und Steinfurth, nicht ohne diesen darin erneut zu verpflichten, “die seinem Unterrichte anvertrauten Kinder zur Ehrfurcht gegen Gott, zur Liebe und Anhänglichkeit zu seiner Majestät unserem Allergnädigsten König und unserem theuren Vaterlande, zur Achtung gegen die Gesetze, Gehorsam gegen die Ältern, dieObrigkeit und die Brodt Herrschaft” zu erziehen und ihn selbst zu ermahnen, er möge “nicht allein mit einem moralischen und guten Wandel als Beyspiel voranleuchten, sondern auch in der Verträglichkeit mit den übrigen Bewohnern des Dorfes als Vorbild dienen”. Es scheint so, als hätte man gerade all diese Dinge bei dem Vorgänger besonders vermißt.
Der Graf beschränkte in ausführlichen Anweisungen nachdrücklich den Inhalt des Unterrichtes, weil er der Meinung war, “daß ein über ihren Stand hinausgehender Unterricht für die Kinder der unteren Volksklassen, welche darauf angewiesen, sich durch Dienen ihr Brodt zu erwerben, fast ebenso nachtheilig ist als völlige Unwissenheit…”. Er schließt mit der Bemerkung: “Wer mehr lernen will und wem also der Unterricht in unserer Schule nicht ausreichend ist, kann die Kirchspiel Schule zu Zarnekow besuchen, wenn dort mehr gelehrt wird.”
Diese Äußerung des Grafen ist wohlbegründet, denn an der dortigen Küsterschule herrschen über längere Zeit recht trostlose Zustände. Auch das erklärt die hohe Aufmerksamkeit, die der Graf als Schulpatron walten läßt.
Obwohl es sich an der Carlsburger Dorfschule um einen ausgesprochenen Neubeginn handelt, verrät auch das Inventarverzeichnis des Schulmeisters, daß es bereits an anderer Stelle ein wenigstens bescheidenes Schullokal gegeben haben muß, denn es wurde ganz offensichtlich neues Inventar mit altem vereinigt, das schon anderswo gedient hatte. Die Inneneinrichtung bestand nämlich aus “5 neuen und 4 kleinen alten Bänken, 2 großen neuen und einem alten kleinen Tisch” und einer Wandtafel. An Lehrmitteln gab es 7 alte Landkarten, und der Buchbestand umfaßt 5 Bände mit biblischen Geschichten verschiedener Autoren, 12 Lesebücher, 2 Rechenbücher sowie 17 alte und 70[!] neue Vorschriften.
Aufschlußreich, aber dennoch mit Vorsicht zu behandeln sind die zahlreichen Visitationsberichte der vorgesetzten Schulbehörden.
Am 9. Februar 1837 erscheint in Zarnekow der Schulrat und Superintendent Wiesener aus Wolgast und fällt in seinem Bericht ein außerordentlich scharfes, aber, wie es scheinen will, ebenso ungerechtes Urteil über den Küster Johann Jacob Wegener.
“… Da er, obgleich ihm die Katechisation schon einige Tage vorher aufgegeben war, kaum Sätze bilden, geschweige denn irgendeine zusammenhängende Unterredung mit den Kindern zu führen vermochte, so setzte ich die Katechisation, so gut es mit den der hochdeutschen Sprache kaum mächtigen Kindern gehen wollte, fort.”
Nach einem Lob für die guten Leistungen der Kinder im Lesen, Kopfrechnen und Singen und für die Sauberkeit in den Heften schreibt er weiter: “Der Küster ist ein ganz unwissender und linkischer Mann, jedoch wird ihm vom Pfarrer Schultz das Zeugnis gegeben, daß er ordentlich, fleißig und treu seyn Amt verwaltet…”
Man erfährt in diesem Zusammenhang auch etwas über die äußeren Zustände an der Schule. Von 77 schulpflichtigen Kindern aus Zarnekow, Moekow und Wrangelsburg waren an diesem Tage 34 anwesend. “Der Lehrer klagte über den schlechten Schulbesuch während des Winters; im Sommer steht die Schule gewöhnlich leer. … Das Küster- und Schulhaus ist zwar neu, aber sehr ordinär gebaut, [Baujahr 1831, d.V.] die Schulstube ist klein und vermag kaum 50 Kinder zu fassen.” Der Schulrat wundert sich, “daß sich weder Tische noch Bänke in der Schule befinden, außer denen, die der Küster selbst notdürftig herbeischafft”, und faßt zusammen: “Die Schule in Zarnekow befindet sich also in einem traurigen Zustand. …”
Noch am gleichen Tage besuchte der Schulrat auch Carlsburg, wo er offenbar zufriedener sein konnte.
“Es wurde mit einem vom Lehrer Worpitzky auf der Violine begleiteten Gesange angefangen. … Die Katechisation war nur unbeholfen und lahm, wie ich befürchtet hatte, eine ganz verkehrte Richtung. Besser ging es, als ich dem Lehrer auf den rechten Weg half …”
Über die äußeren Bedingungen erfährt man, daß auch hier der Schulbesuch besonders im Winter noch sehr unregelmäßig sei, “welches nach Aussagen des Lehrers in der Armut der mehrsten Eltern, welche Tagelöhner sind und im Winter ihren Kindern nicht die gehörige Kleidung verschaffen können, im Sommer aber in Dienst geben, sein Grund sein soll”.
In Carolines Briefen finden sich ebenfalls Passagen über die schulischen Belange.
In einem Brief an ihren Sohn Fritz ist zu lesen: Wir hatten Schulexamen, 3 Stunden lang, bei dem Dein lieber Vater vortrefflich ist, u gar nicht merkte[,] daß es schon so lange gedauert. Dies kann ich nicht von mir rühmen, aber es war immer recht befriedigend u ließ ich allen noch 3 Aepfel geben, was die Kinder 67 von der Zahl, sehr zu erfreuen schien.
Im November 1851 berichtete Caroline an Theodor: Gestern gingen meine drei Fräulein u ich in die Schule, gleich nach dem Frühstück, u wohnten dem Unterricht bis zum Schluß bei. Da ungefähr nur 40 Kinder von 60 da waren, so kündigte ich ihnen an, daß ich das Weihnachtsfest mit ihnen feiern würde, aber nur diejenigen würden eingeladen werden zu kommen[,] die die Schule fleißig besuchen würden.
Und ein paar Tage darauf: Morgen werden wir Wind u Wetter dreuend wol nach Wolgast fahren, Besuch u Einkäufe für Weihnachten zu vereinigen, es macht mir Vergnügen, u freue ich mich auf alle die frohen Gesichter. Die Schule ist schon zahlreicher besucht seit meiner Erklärung.
Am 1. Januar 1857 wurden die Kinder des Gutes (87 an der Zahl) wie jedes Jahr nach Weihnachten in die weiße Galerie eingeladen und mit Pfefferkuchen, Nüssen, Äpfeln und kleineren nützlichen Gaben wie Wolle, Taschentücher o. ä. beschenkt. Süßigkeiten gab es, wie Caroline ausdrücklich betont, jedoch keine.
Ihre eigenen Kinder hatten allerdings Hauslehrer und Gouvernanten – wie sie selbst auch. Die Söhne wurden mit 14 Jahren in ein Berliner Kadettencorps bzw. auf ein Berliner Gymnasium gegeben.
Die Schule wurde von der gräflichen Familie auch instand gehalten. So ist für 1878 im Hausbuch vermerkt: neue Fenster in der Schule. Auch auf die Auswahl der Lehrer nahmen sie Einfluss, ebenso auf die schulischen Inhalte. Dieses Gebäude wurde 1986 abgerissen.
1911 entstand dann an der Greifswalder Chaussee ein neues Schulhaus nach genauen Angaben des letzten Grafen Fritz-Ulrich von Bismarck-Bohlen. Die Kosten des Neubaus beliefen sich auf 19000, -. Im Hausbuch wird erwähnt, dass die nunmehr verlassene alte Schule … als Diakonissenhaus eingerichtet [wird] u. enthält als solches außer Stall, Küche u. Bodenräume: 2 Zimmer f. die Diakonissin, 1 Krankenstube, 1 Mädchenzimmer, 1 klein Kinderschulstube. Das sich an die Wohnung unmittelbar anschließende alte Schulzimmer soll als Gemeindesaal Verwendung finden.
Nach dem Bau der neuen Schule im Dorf, wurde dieses Gebäude noch für den Sportunterricht genutzt wie auch der Schulgarten nebenan für den Unterricht, der zwischen der Lindenallee Richtung Zarnekow und der B109 gelegen war.
Die Schulklassen durften einmal im Monat den Schlosspark besuchen, erzählte August Müller, mussten sich aber auf den da noch gut gepflegten Wegen bewegen, herumtollen auf der Wiese war strengstens untersagt und wurde vom Lehrer entsprechend geahndet. Der Lehrer Krull, der alle Klassen unterrichtete, erklärte ihnen alles, was es im Park zu sehen gab. Interessant waren vor allem die ausländischen Bäume, die die gräfliche Familie von ihren Auslandsreisen mitbrachte.
Die faschistische Ideologie war den Kindern so eingetrichtert worden, dass sie bei Kriegsende gar nicht wussten, was falsch an dem war, was sie bisher gelernt hatten, so geschildert von August Müller. Denn einmal in der Woche wurde in der Schule ein Bildwerfer aufgebaut, um die deutsche Wochenschau zu zeigen. Da hatte sich der letzte Graf – Fritz-Ulrich von Bismarck-Bohlen – weitestgehend aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen.
Darstellung der Schulverhältnisse in der Landgemeinde Karlsburg nach 1945 (Aus Einteilungsregister)
I. Der Schulverband wird gebildet aus den Ortsteilen Karlsburg, Steinfurth, Zarnekow und Moekow.
Der Schulverband hat 2 ständige verheiratete Lehrer.
Es sind 2 Schulgebäude vorhanden, Karlsburg und Zarnekow.
II. Das Schulgebäude in Karlsburg ist erbaut im Jahre 1911, das in Zarnekow ist im Jahre 1930 erbaut.
Es besteht aus einer Wohnung für den verheirateten Lehrer, Schulküche mit Werkraum und Lehrmittelraum. 1 Klassenzimmer, in welchem insgesamt 60 Kinder und 1 Klassenzimmer, in welchem 54 Kinder unterrichtet werden können. Der Schulräume sind je 54 qm groß.
Schulbänke sind für 60 sowie 46 Kinder vorhanden.
An sonstigen Räumen bzw. Gebäuden sind vorhanden: 1 Stallgebäude mit eingebauten Aborten.
Der Bauzustand der Gebäude ist gut.
III. Das Schulgrundstück in Karlsburg ist Eigentum des Grafen von Bismarck-Bohlen (siehe Auseinandersetzungsvertrag)
Das Schulgrundstück in Zarnekow gehört der Landgemeinde Karlsburg und ist 0,4402 ha groß.
Annerose K. kam mit Mann und zwei Kindern 1960 nach Karlsburg. Der erste Eindruck von ihrem neuen Zuhause war denkbar schlecht, nur Schlamm, Gänse und Kühe auf der Straße, vor denen die Mädchen Angst hatten, wenn sie aus der Schule kamen. Vor dem Schloss lief die Jauche aus dem Kuhstall auf den Weg. Die Kinder waren furchtbar enttäuscht, dass ihr Vater, der als Buchhalter im Institut Arbeit angenommen, sie in eine so verlassene Gegend geschleppt hatte, und ihre Mutter ebenfalls. Viel geweint haben sie damals.
Annerose K. war leidenschaftliche Volkskorrespondentin und hat regelmäßig für verschiedene Zeitungen geschrieben. Über ihre Anfänge als Lehrerin berichtet sie in folgendem Beitrag:
Zu der Zeit waren die Schulräume auf vier Standorte verteilt: in Karlsburg einer,
am Bahnhof zwei, in Zarnekow drei und in Steinfurth ebenfalls einer.
Frau K. unterrichtete zunächst in den ersten drei Klassen der Unterstufe. Anfangs waren sogar noch zwei Altersstufen in einer Klasse. Außer in Steinfurth musste sie überall und alles außer Sport unterrichten. Also fuhr sie mit dem Fahrrad zwischen den Dörfern hin und her. Und die Schüler und Schülerinnen wanderten mit. Sport war z. B. an der einen Stelle und Biologie in einem mindestens einen Kilometer entfernten Raum. Anfang der 60er Jahre kamen auch mehrere Junglehrerinnen hinzu. Das brachte frischen Wind in den Schulalltag, erinnert sie sich.
Nach einem Fernstudium, welches sie von 1952 bis 1958 absolvierte, konnte Annerose K. als Lehrerin bis zur 4. Klasse Unterricht geben. Von 1962 bis 1966 schloss sie dann noch ein Fernstudium in Güstrow ab, was sie berechtigte, bis zur 10. Klasse zu unterrichten. Deutsch war ihre große Leidenschaft, sie schrieb gern, ihr Berufswunsch von Kindheit an war jedoch Schauspielerin zu werden. So sprach sie mit 14 am Theater vor, wurde aber als zu jung befunden, um ihr Talent abschließend beurteilen zu können. Dann kam der Krieg dazwischen, der solche Wünsche unmöglich machte. Und Geduld, sagt sie, war nie ihre Stärke.
Im August 1969 wurde dann in Karlsburg der Grundstein für die sogenannte Polytechnische Oberschule gelegt, die für Schülerinnen und Lehrer den Alltag sehr erleichterte.
Zunächst wohnte die Familie in einem größeren Haus östlich der B109. Nach der Scheidung 1968 hätte sie das Haus allein mit drei Kindern nicht halten können. Der Institutsdirektor, Prof. Bibergeil, wollte unbedingt dieses Haus kaufen. Unter der Bedingung, dass sie ein Haus bauen darf, willigte sie in den Verkauf ein. Mit einer Mietwohnung, mit der man sie zunächst abspeisen wollte, gab sie sich nicht zufrieden. Um 1970 begann sie mit dem Bau und zwei Jahre später konnte sie ihre “Villa” beziehen.
Man stelle sich das Bauen in der DDR nicht so einfach vor; und noch dazu auf sich allein gestellt. An allen Ecken und Enden fehlte es an Material und Arbeitskräften. Die Ziegel z. B. erhielt sie aus dem Abriss von zwei Bahnwärterhäuschen aus der Umgebung. Ihr Anteil daran und der der älteren Töchter war das Abklopfen der Ziegelsteine, an denen noch der Mörtel klebte, und das Aufräumen des Geländes danach. Denn nur unter der Bedingung, dass sie die Abrissstelle der Bahnwärterhäuschen frei von Schutt und aufgeräumt hinterließ, hatte sie die Erlaubnis bekommen, die Steine abzuholen. Den Transport nach Karlsburg und Materialien, die zu einem Hausbau so nötig sind, wie Dachziegel oder eine Kellertreppe, bekam sie über Beziehungen. Davon hatte sie als Lehrerin reichlich. Holz für die Dachsparren u.ä. überließ ihr der Förster kostenlos. Einiges gab es natürlich auch regulär im Baustoffhandel zu kaufen, wie Fenster oder Türen, wenn auch nicht jederzeit. Das ganze Haus hat damals rund 50 000 Mark gekostet. Allerdings waren die Gehälter auch entsprechend niedrig.
Nachdem sie schon längere Zeit an der Karlsburger Schule gearbeitet hatte, inzwischen auch bis zur 10. Klasse unterrichtete, sollte sie zur Oberlehrerin befördert werden. Durch den Einspruch der damaligen Parteisekretärin wurde daraus jedoch nichts: Frau K. war einige Zeit zuvor für drei Tage in der BRD gewesen, um ihre kranke Mutter zu besuchen. Annerose K. war genauso wie so viele, die zu DDR-Zeiten sogenannte Westverwandte besuchten durften, von dem übergroßen Angebot in den Geschäften erschlagen. Auch wie kritisch sich die Leute z. B. auf der Straße über die Verhältnisse äußerten, fand sie erstaunlich. Von diesen Eindrücken muss sie wohl auch im Kollegium erzählt haben. Jedenfalls war die Parteisekretärin der Meinung, wer so über seine Eindrücke vom Klassenfenfeind erzählt, kann nicht Oberlehrerin werden. Erst zu ihrem 60. Geburtstag, mit ihrer Verabschiedung und dem Eintritt in die Rente, wurde ihr vom Kreisschulrat noch der Titel der Oberlehrerin verliehen.
Der Schuldirektor Gätke wurde in den 70er Jahren nach Züssow versetzt. Danach sollte Herr Brauns, der Karlsburger Chronist, Direktor werden, der aber nur unter der Bedingung seine Zustimmung gab, dass Frau K. zu seiner Stellvertreterin ernannt werde. Neben dem Direktor gab es zwei Stellvertreterinnen, eine für außerschulische Arbeit, die Frau K. übernahm, und einen zweiten, der für die Organisation der Lehre zuständig war. Ehrenamtlich war sie Pionierleiterin, Vorsitzende des DFD (Demokratischer Frauenbund Deutschlands) und in der Volkssolidarität, einer nach dem Krieg gegründeten Hilfsorganisation, aktiv. Sie gründete in der Schule Arbeitsgemeinschaften (AG), z. B. eine Theater AG, in der die Schülerinnen und Schüler Märchenstücke einstudierten und diese dann auch z. B. im Steinfurther Kulturhaus aufführten. Da sie gern schrieb, betätigte sie sich auch noch Volkskorrespondentin bei der NDBZ (Neue Deutsche Bauernzeitung), bei der Ostseezeitung u. a. Gazetten. 1986 wurde sie als Siegerin im Wettbewerb der Volkskorrespondenten der Lokalredaktion der Ostseezeitung ausgezeichnet. Sie war Mitglied im Zirkel Schreibender beim Kreiskabinett für Kulturarbeit, dem sie lange angehörte. Mehrere Jahre arbeitete sie auch in der Schiedskommission mit. Man kann sagen, sie hat überall mitgemischt.
Auch nach 1990 brachte sie sich in das Gemeindeleben ein. Sie war in der Gemeindevertretung aktiv, da vor allem im Sozialausschuss. Und auch als Zeitungsleserin meldete sie sich zu den verschiedensten Themen zu Wort. Ob schulisches Geschehen, eine Zeitreise durch die Karlsburger Geschichte, Konzerte im Barocksaal des Karlsburger Schlosses, Ereignisse in der Karlsburger Gemeinde wie das Dorffest, Kunst und Natur, Aktivitäten der Volkssolidarität, Deutschunterricht für Aussiedler: kein Ereignis in der Gemeinde blieb unkommentiert.
Auch Artikel über sie wurden veröffentlicht. So titelte die Ostseezeitung: “Freundlichkeit kostet kein Geld”. Annerose Könning ist zufrieden mit ihrem Leben, doch ein Wunsch bleibt unerfüllt” oder “‘Unkraut’ im Garten und Regenwasser für das Klo. Sie mag Salat aus Löwenzahn und ißt Hagebutten pur – Umweltengel Annerose Könning in Karlsburg”.
Nach dem Gemeindeleben in der DDR befragt, fiel Annerose K. zunächst wenig ein. Aber dann zählte sie doch auf: Tanzveranstaltungen in der Karlsburger Gaststätte oder auch im Steinfurther Kulturhaus, der Landfilm kam hin und wieder, auch an Lesungen erinnert sie sich.
Nach 1990 wurde das Gebäude der Polytechnischen Oberschule abgerissen. Die Grundschule befindet sich seither in Züssow, die Realschule sowie das Gymnasium in Gützkow. Einzig eine Kindertagesstätte wurde in Karlsburg neu errichtet. Der alte Kindergarten aus DDR-Zeiten ist heute Gemeindehaus und beherbergt neben Räumlichkeiten der Gemeindevertretung die Bibliothek, ein Fitnessstudio, eine Musikschule, Räume für die Volkssolidarität und für Vereine wie den Zeichen- und Keramikzirkel.
Im März 1891 offeriert Friedrich Carl Alexander Theodor Paul Graf von Bismarck-Bohlen seinem Sohn Friedrich Carl eine Auflistung der in der Zukunft zu erledigenden Um- und Neubauten am und im Karlsburger Schloss, welche dann Helene geb. Tiele-Winckler, die Frau von Friedrich Carl, in die Tat umsetzte. Dazu beschreibt er in einem Brief das Interieur, ermahnt seine Nachkommen die Ausstattung in Ehren zu erhalten wie es die Vorfahren schon getan hätten. Er beschreibt ausführlich die am Schloss notwendigen Reparaturen. Durch den Brief bekommt man einen Ahnung von der Einrichtung des Schlosses, wie sie einmal war. Nachfolgend ist der Originaltext eingestellt.
Zweck der baulichen Veränderungen im Carlsburger Schloß
Sicherung der Gallerie (Bibliothek) u. des Eßzimmers durch Erneuerung der Balken, die sämtlich schadhaft.
Verbindung des Flügels mit dem alten Hause, oben.
Erleichterung des Schlosses durch Fortnahme der geschleiften Schornsteine, u. dadurch verringerte Feuergefahr. –
Herstellung eines größeren Fluhrs (Halle) unten über dem Perron.
Schaffung ordentlicher hinreichender Räume für das dienende Personal u. die Hauswirthschaft.
Eine angenehme Vorfahrt zum Ein: und Aussteigen
Gemeinsames Schlafzimmer für den Hausherrn u. Hausfrau.
Herstellung der nöthigen Kinder:Zimmer u. nöthigen Bequemlichkeiten für ihre Umgebung.
Daß das Schloß für die kalten Jahreszeiten wärmer wird.
Anlage 2er Wasserheizungen (Öfen werden beibehalten) für das alte Haus, vor dem Weinkeller; für den Flügel unter der Halle oder im Holzkeller nebst Nebenkeller.
Erhöhung der ganzen oberen Etage im Flügel u. alten Hause die nur 11 Fuß haben auf 14 Fuß. Das Material liefern die Schornsteine voraussichtlich.
Schönes Thurmzimmer über dem Perron mit Aussicht über den ganzen Hof; Friedr. Carls Sammlungen v. Geweihen u. Rauchzimmer geeignet.
Ausführung
Die Balken in der Gallerie u. Eßzimmer werden fortgenommen u. durch neue ersetzt
Die Verbindung zwischen Flügel u. altem Hause, oben, wird hergestellt (der Flhr nach Norden hin)
Zimmer auf der Südseite. No: 2 u. No 3 befinden sich also über der Gallerie (Bibliothek)
Abtragen der geschleiften Schornsteine im alten Hause u. Flügel.
Halle über dem Perron herstellen. Zumauern der 3 Fenster des jetzigen Eßzimmers …
Die jetzige Hausthür und das Fenster an der Schenke werden durch 2 Bogen ersetzt die in der Mitte an einen Pfeiler sich stützen; (bleibt zwischen Hausthür u. Fenster stehn)
Wagenschutz nach dem Hof zum Aus: u. Einsteigen in die Wagen
Aufzug für Speisen nach der Küche.
Verlegen der Küchentreppe, so daß man aus der Halle direkt in diese kann.
Fortnahme der alten Treppe nach oben u. in den Keller
Einrichtung der gemeinsamen Schlafstube für den Hausherrn u. Gemalin – rep. Wochenzimmer. Der ganze Raum der jetzt von der Schlafstube u. Garderobe eingenommen wir, ist nöthig. Entfernung der Mauer am jetzigen Bett u. Ersatz durch einen Bogen; wie denn überhaupt die ganze Schlafstube leicht eingewölbt werden muß um bei Feuergefahr das Wohnzimmer gesichert zu haben. Zumauern des Fensters über dem Tresor. Ausgang vom Schlafzimmer nach der Jungfernstube vor den Betten, nach dem Ofen zu um dort Nahrung für Baby u. Wöchnerin bereiten zu können Bett in der Jungfernstube.
Da die jetzige obere Etage nur c. 11 Fuß (?) hoch ist, so empfiehlt es sich alle Etagen im Flügel u. altem Hause aus Gesundheitsrücksichten auf 14 Fuß zu erhöhen.
Eindecken des Neubaus mit Schiefer
Der Neubau wird nicht viele Kosten machen.
Carlsburg 9ter März 1891
Mein lieber Friedrich Carl!
Der Wunsch Dich über unser altes liebes Haus und seine Einrichtung zu orientieren u. auch unsere Nachkommen dermaleinst Gelegenheit zu geben Pietät walten zu lassen in alten Sachen, die oft Generationen gedient haben u. dann auf Kutscher u. Bedientenstuben ruinirt werden, was vermieden werden kann, wenn man weiß wem sie früher gedient u. endlich der Umstand, daß ich der Einzige bin nebst meiner lieben Schwester der noch mit meinen lieben Großeltern Bohlen Carlsburg u. seine damalige Bewohnung gekannt hat, veranlaßt mich zu diesen Aufzeichnungen, die ich besonders für Dich bestimme. Fern liegt mir der Gedanke Dich dadurch beeinflußen zu wollen, über die Einrichtung Eures künftigen Heimes, da ich wohl weiß, daß jede Generation ihre Ansichten u. ihre Bedürfnisse hat, u. mich u. die geliebte Mutter – die wir so ziemlich alles gelassen haben u. so bewohnten, wie es von meinen Eltern auf uns gekommen – als Vorbild für Euch hinstellen zu wollen, nicht verleugnen der darin sich ausdrückt, daß ich eine Genugthuung darin finde, zu wohnen wie meine Vorfahren „war ihnen gut genug, soll es auch für mich sein“. Ohne diesen Zug würde man ja überhaupt alte Hauseinrichtungen nicht finden u. das was ich hier erlebt u. mit eigenen Augen gesehn stärkte mich noch in meinem Gefühl. Die Bettstelle in der meine liebe Mutter u. Großmutter auch meine geliebte Frau gelegen u. in der ich u. meine liebe Schwester u. unser Bruder Carl geboren, fand ich auf dem Diener:Zimmer u ließ sie wieder an ihren Platz bringen unten in meiner Frau Schlafstube.
Carlsburg ist wie des Näheren aus dem Hausbuch ersichtlich, von dem kg. Schwedischen Regierungsrat Carl Heinrich Berndt von Bohlen, der 1745 in den Reichsgrafenstand erhoben ward – erbaut, nachdem der ganze Hof 1732 abgebrandt war; es ließ damals Gnatzkow (wohl mit dem slavischen Wort Gnas – Nacht zusammen hängend – Nachtdorf – Nachtort; worauf mein verehrter Herr u. König Fried. Wilhelm IV mich noch hingewiesen, bei einem Besuch hier) daß übrigens eine Veränderung der ganzen Hoflage u namentlich des Herrnhauses beabsichtigt war, schon vor dem Brande, darf man aus dem alten Bauplan annehmen, der schon von 1731 datirt, wenn ich mich richtig erinnere, auch königl. Schwedischer Regierungsrat – sein großes Bild in der drap d’or Weste hängt in der weißen Gallerie dessen Mutter u Großmutter Fräulein v. Normanns waren – hat Gnatzkow zuerst besessen u. wahrscheinlich wohnte schon sein Vater Olof von Bohlen daselbst, der erste Bohlen der von Wittow, wo die Familie herstammt, nach Pommern resp. Gnatzkow seiner Frau Marie Lucretia v. Normann folgend. Als dieser Zweig der Normanns in männlicher Linie erloschen belehnte Carl XI seinen Kanzler Freiherrn v. Lagerström 1798 mit Gnatzkow, der aber schon im folgenden Jahre von dem daselbst wohnenden Christoph v. B. gegen eine Kaufsumme erworben wurde. (rid. Hausbuch u. den sehr interessanten dort einliegenden eigenhändigen Brf des Herrn v. Bohlen des Historographen seiner Familie) Jasedow ward 1702 – der adlige Antheil von Zarnekow schon früher erworben.
Der Erbauer Carl Heinrich Berndt v. B. lebte zum Theil in Stralsund, wo ihm das schöne Haus, was jetzt dem Landkasten zu eigen, gehörte – in der Bader Straße gerade gegenüber der Regierung – dieß mochte wohl mit die Veranlassung sein, daß der Bau mehr für sommerliche u. gesellschaftliche Verhältnisse als für winterliche Häuslichkeit berechnet worden ist. Im corps de logis wohnte die Frau im schwedischen Kabinet, der Mann im jetzigen Königszimmer mit Ausgang in die große Gallerie – Bibliothek – durch das brasilianische Kabinet u. eine 2te Tür die übertapezirt in einen Bücherschrank der Bibliothek erkennbar ist. Schlafzimmer war die Alkovenstube, Eßzimmer die alte Eßstube. Die alte Küche – jetzt Waschraum befand sich unter dem brasilianischen Kabinet u. die schönen Kellerräume gewährten für alle wirtschaftlichen Bedürfnisse überreichlichen Raum. Die obere Etage des alten Hauses, die für die Familie u. den Besuch bestimmt war zeigt in ihrer Eintheilung, daß meist 1 zweifenstriges Wohnzimmer mit einem 1fenstrigen Schlafzimmer od. Kabinet in Verbindung stand. Das sogenannte alte Schulzimmer ward vom „Herrn Magister“ eingenommen dem Hauslehrer der jungen Herrn, wo noch mein lieber Großvater mit seinen zahlreichen Brüdern manchen Seufzer ausgestoßen haben mag. – Der Flügel ist wohl vom Erbauer nicht eingerichtet gewesen. Die großen Ausgaben für den Haus: Hofaufbau hatten sein ansehnliches Vermögen doch so angegriffen, daß er, als 1757 der siebenjährige Krieg für Preußen ausbrach an den Schweden sich als Gegner beteiligte, seinen Gläubigern nicht gerecht werden konnte. Ein plötzlicher Tod befreite ihn von dem Zusammenbruch der dann erfolgte, womit sein ältester Sohn der spätere Generallieutnant u. Generaladjutant Graf Carl v. Bohlen die Güter aus dem Concurs kaufte. – Von ihm, der auch einige Zeit in preuß. Dienst u. zwar als Adjutant Friedrich II gewesen u. nachher Schwedischer Gesandter in Berlin war, ist die Einrichtung des Flügels ausgegangen wie auch die des Alkoven:Zimmers der … Kabinette. Die weiße Gallerie u. die große Gallerie mit seiner Bibliothek, waren nur dürftig eingerichtet, wie ich mir aus frühester Kindheit erinnere; letztere war im klassischen Styl gedacht, da die Wände zwischen den Fenstern die broncirten Gipsköpfe der römischen Kaiser zeigten, vor deren dunkeln u. mageren Gesichtern ich mich als Knabe offen gesagt, oft fürchtete. Das Eßzimmer hatte seine schönen Kupferstiche u. werthvollen Stiche in schwarzer Kunst noch wie heute. Die Decke war Kassettenartig gemalt mit einer Lichtöffnung u. Gallerie im Centrum, auf der zwei bunte Vögel saßen die jedesmal wenn wir als Kinder – meine liebe Schwester u. ich – mit den Eltern aus Stralsund kamen, unsere ununterbrochene Aufmerksamkeit erregten, so daß wir ermahnt wurden: nicht immer nach oben zu gucken.
Das jetzige grüne Zimmer mit der seidenen Tapete u. unsern Bildern, war Wohnzimmer der Herrin, mit alten haute de lisse Tapeten u. dem jetzigen in die Wand eingelassenen Spiegel versehn. Die Tapeten waren düstere große Landschaften in gestickter Wolle u. Seide darstellend, in der 2 Flamingos sich kenntlich machten; ein großer u. ein kleiner. Meine theure Großmutter Bohlen, die Freude am Leben u. geistig hochbegabt war nun seit 1809 von dem glänzenden aber kleinen Hof zu Cassel (der alte Fürst Wittgenstein, Minister des Hauses unter Friedrich Wilhelm III. hat mir als junger Officier in seinem hessischen Dialekt öfter gesagt: lieber Kraf ihre Frau Großmutter war die einzigste anständige Dame (Tame) in Cassel am Hof! Mein Großvater Hofmarschall bei dem Kurfürsten blieb auf dessen bestimmten Wunsch auch unter d. Bonaparte damit nicht alles drüber u. drunter gehe. Lange konnte es doch nicht dauern) unter dem berüchtigten Jerome Bonaparte in die Carlsburger Einsamkeit mit ihren beiden Töchtern versetzt war – hatte beiden Kindern in den Flamingos ihre Zukunft vorausgesagt – wie sie in der Einsamkeit hier sitzen bleiben würden; der kleine meine selige Mutter, der große die liebe Tante Henckel die mehr als Frauengröße erreichte. Es ist ja aber alles anders gekommen, durch Gottes Gnade. – das Folgende Zimmer jetzige Bilderstube – hatte die schöne alte Seidentapete mit den Hirschen u. ein entsprechendes Ameublement mit demselben Stoff. Bei der Eltermutter Bohlen soll es Schlafzimmer gewesen sein, mit einem großen Himmelbett für das Ehepaar; das Kabinet das Schreibzimmer der Frau, das jetzige Schlafzimmer das Toilettenzimmer u. Garderobe u. Jungfernzimmer daran stoßend. Meine liebe Großmutter u. Mutter durch die Noth der Zeit in einfacherer Art wohnend, hatten dieß aufgegeben das dort befindliche kleine Bureau stammt von meiner lieben Mutter; u. war ein Geschenk ihrer Großmutter Normann meiner Eltermutter aus ihrer Mädchenzeit stammt. Ende der dreißiger Jahre so daß meine liebe Schwester u. ich c. 18 Jahr mit Ihr erlebt haben. Sie bewohnten das Kabinet, in dem wo jetzt der Schreibtisch steht, ein die Nische ausfüllendes bequemes einfaches Sopha mit vielen Rückenkissen stand; sie saßen im Fenster vor sich ihren kleinen Arbeitstisch u. in der Rundung stand ein Lehnstuhl für Großvater u. Vater, das Ameublement bestand aus schönen geschnitzten Stühlen a l’empire mit Bocksfüßen, die noch oben auf d. alten Schulstube stehn u. wohl besser in das Alkovenzimmer passen würden. Oben bewohnte der Eltervater Bohlen die ganze Etage; Schlafzimmer war Louisens Zimmer; links eine Thür in mein Schlafzimmer was durchgetheilt war, für Garderobe u. Kammerdiener; mein lieber Vater hat erst die Wand entfernen lassen, um ein größeres Schlafzimmer zu bekommen, da mein sel. Großvater in dem kleinen Kammerdienerzimmer schlief u. mein u. meines lieben Vaters Wohnzimmer auch das seinige war. Die schönen alten Mahagoni Meubel aus Vollholz, nebst Schreibtisch, stammen noch vom Eltervater Bohlen, der dieß Zimmer als Rauchzimmer benutzte, wärend das jetzige grüne Zimmer nach dem Garten herraus, Billardzimmer u. das anstoßende mit den beiden Betten sein Wohnzimmer mit Schreibkabinet daneben eine höchst bequeme Quartier ausmachten. Von ihm stammen auch noch die Bilder über den Thüren: Seidlitz u. Zietens Grabmal u. Schwerins Tod bei Prag die als Zeichen der Zeit erhalten werden mußten. Die Kupferstiche stammen von meiner lieben Großmutter ebenso der schöne „Kannitz“ ein alter Mahagoni Schreibtisch von ihrem Vater Walsleben im Styl meiner Meubel; augenblicklich im grünen Zimmer stehend. Die Ories of London u. die in rother Farbe, Werthers Leiden u. Sienen aus dem Shakespeare darstellend wie sie denn überhaupt diese Zimmer bei meinen lieben Eltern bewohnte, wärend die Eltern in großelterlicher Zeit auch dort wohnten: meine liebe Schwester u. ich sind auch dort oben geboren u. standen das Bett meiner lieben Frau u. das in dem ich schlafe dort: diese Bettstellen dienten 3 Generationen: den Großeltern den Eltern u. uns (vid. … Bogen 1). Auch für die Bedienung war früher besser gesorgt. Der Durchbau über Garderobe u. Mädchenzimmer ist erst von meinem Vater angelegt. Unter den Großeltern war das Mädchenzimmer u. Bedientenzimmer hoch u. durchgehend u. richtig an der Thür u. Treppe gelegen. Über dem 1fenstrigen Jungfernzimmer war ein Durchbau: das Mädchenchor mit einer Treppe in die Jungfernstube. Beide hatten aber nur kürzeste Verbindung durch die Bedientenstube, was freilich nicht ganz sachgemäßig erscheint. Die Leute speisten in der sogenannten Kammerstube, unten links im Keller, dann Plettstube u. nun wiederum der Speiseraum bei zahlreicherer Dienerschaft. Die Garderobe war auch hoch u. nicht durchgebaut wie jetzt. Sehr schön u. werthvoll sind dann noch die Mahagoni Meubel in der Eßstube die alle über 100 Jahr alt der 4ten Generation dienen; Tische u. Stühle sind aus Mahagoni Vollholz; nur der Eßtisch ist von mir angeschafft von Mackenthun in Stralsund; ebenso der große in der Bibliothek – ein abgeänderter Billard – zu 40 Personen. Die Bibliothek od. große Gallerie ist von meinen lieben Eltern als Erinnerung an die große Zeit die sie erlebten, eingerichtet worden u. empfehle ich ihre Erhaltung der Pietät meiner Nachkommen. Die schönen Büsten der Feldherrn u. Könige u. ihrer Staatsmänner, bringen die Freiheitskriege u. die Erhebung Preußens zu Erinnerung u. die gegenüber stehenden Gruppen sind die sehr werthvollen u. seltenen Abgüße der in Marmor von dem Bildhauer Schadow in Berlin angefertigten Meisterwerke, die von König Friedrich Wilhelm IV als Kronprinz bestellt, im Zimmer der Königin Elisabeth sich befanden u. wohl auch noch dort sich befinden werden. Sie zeigen die Erneuerung der Sculptur u. der Kunst im allgemeinen, die im Anschluß an die Antike bei uns nach unserer politischen Erhebung durch Rauch u. Schadow, diese großen Meister ins Leben gerufen wurden. Die Büsten von Göthe, Schiller, Alexander von Humboldt u. Rauch über den Thüren, u. die von Blücher, Scharnhorst, Hardenberg u. Wilhelm v. Humboldt sowie die Friedr. Wilhelm III u. Fried. W. IV als Krönprinz (besonders schön) sind von Rauch. Von unserem Kaiser Wilhelm muß noch eine Büste aus d. Zeit der Freiheitskriege gesucht werden. Die Bücherwände sind zu hoch, so daß hier an eine Änderung gedacht werden muß, wobei dann auch die große Menge noch unaufgestellter Bücher, die sich noch in Kisten z. Theil befindet, zu berücksichtigen sein werden.
Als besonders wertvoll erwähne ich auch noch die schönen Kupferstiche auf der Berliner Stube, die von meinem Großvater Bohlen stammen u. sich früher in schönen Vollmahagoni Rahmen mit einem Perlrand befanden, die noch zum Theil auf dem Boden liegen. Der Geschmack der Zeit konnte soweit gehen sie mit den jetzigen Goldkästen zu vertauschen! –
Zweier großer Oelbilder muß ich noch erwähnen: einmal, den Feldmarschall Schwerin – Originalbild – durch meinen Eltervater Bohlen auf der Auction in Schwerinsburg erstanden, in dem dort nach seinem glorreichen Tod vor Prag der Concurs über das Vermögen seines Schwagers, des Feldmarschalls ausbrach. Beide hatten … Krassow aus dem Pansewitzer Hause zu trauen; sie waren Schwestern. Schwein war ein Lebemann der eine eigene Schauspieler Truppe z. Zeiten hatte u. viel mehr ausgab als er hatte. Als Zeichen vormaliger Zeiten mögte ich hier erwähnen, was ich aus Herrn von Bohlens dem Historiografen eigenem Munde öfter erzählen gehört – daß, Schwerin, der in Anklam sein Regiment hatte als sein Schwiegervater in Pansewitz gestorben u. man ihm die Einsicht in sein Testament verweigerte, er mit einem Commando Unterofficiere sich über die Gränze machte um aus Pansewitz mit Gewalt das betreffende Aktenstück fort zu nehmen; er kam auch bis Stralsund, von wo aber der Besitzer v. Pansewitz benachrichtigt wurde u. nun vom dortigen Kommandanten eine Kavallerie Abteilung requirirte die den Überfall verhinderte. – Mit ihm dem alten Haudegen soll auch eine Beziehung zu dem 2ten großen Bilde bestanden haben: die sogenannte Äbtissin von Wackenitz, was sich noch im alten Haus befindet; sie war Äbtissin des Fräulein Klosters in Barth u. da damals Kenz ein beliebter Brunnenkurort war, so mögen ihre braunen u. Ihr kokettes Gebahren, das auch im Bilde augenscheinlich ist, dem alten Herrn es angethan haben. Das 3te große u. schönste Bild im schwedischen Kabinet – Ulricke Eleonore Königin von Schweden. Schwester Friedrich des Großen ist so viel ich gehört, ein Geschenk von ihr an den Eltervater, dem Generaladjutanten, gewesen. Das Original hängt in Berlin im Schloß in der sogenannten Rothen Gallerie hinter den braunschweigischen Kammern, wo ich es selber gesehn. –
Von den Glas u. Porzellansachen sind einige Stücke bemerkenswerth; alles ist altes Familieneigenthum. Das Service in Sevee mit Kornblumen, was überaus vollständig u. bei großen Diners gebraucht wird, stammt von meinem lieben Schwiegervater Below, der als Inspekteur der Bundesfestung es zollfrei aus Frankreich sich kommen ließ. Das chinesische Theesevice – Meißner – stammt vom Eltervater Bohlen; ebenso das mit runden Tassen – Berliner Fabrikat – ist ein Geschenk Friedrich II an ihn. Sehr werthvoll u. selten – nach Graf Behr Semlow – sollen die Vasen von Fayence weiß mit blauen Zeichnungen sein – die aus der Hyddenseer Fabrik bei Stralsund stammen, die im Besitz des Herrn von Giese – demselben dem Niederhof gehörte – in der Mitte des vorigen Jahrhunderts war. Von den Erben kaufte meine Eltermutter Niederhof Ende des vorigen Jahrhunderts. Auch die sind von Eltervater, ebenso wie die große AUSNEHMEND SCHÖNE Tischplatte in Emaille, die als Curiosium in der weißen Gallerie sich befindet. Das brasilianische Kabinet u. die Steinsammlung erwähne ich nicht weiter: erstere erhielt ich als Knabe vom Onkel Weitz=Eschen in Cassel u. letzteres war von meinem theuren Vater eingerichtet, aus dem was ich von der brasilianischen Reise mit dem Prinzen Adalbert v. Preußen heimbrachte, vermehrt noch durch Einiges was unser lieber Fried. Carl aus Egypten heimbrachte. Die Boa erlegte ich mit meinem Freund u.! Reisegefährten dem Grafen Oriolla, was sich ausführlich in meinen Reiseerinnerungen befindet. Wir verehrten die Haut dem Prinzen Adalbert dessen Gemahlin sie mir nach dem Tode des Prinzen schenkte. Die Tafel erwähnt die Sache. –
Das schöne große Ölbild v. Kaiser Wilhelm I das jetzt im Eßzimmer hängt, paßt ganz genau in die Nische im Königszimmer über dem Sopha; dort ist eigentlich wohl der richtige Platz; ich nahm es in das Eßzimmer wo ich mich täglich über das ähnliche Bild meines theuren alten Herrn u. Kaiser freute. In dem Königszimmer befinden sich noch 2 Schränke übereinander; der eine ist für die Ordens u. Ehrenzeichen gedacht die unsere u. auch fremde Potentaten den Gliedern unseres Geschlechtes verliehen haben. –
Nachdem ich nun Bericht über den Status quo unseres alten Familienhauses gegeben, mögte noch für die Zukunft einige Bemerkungen anschließen, über seinen baulichen Zustand u. über die wohl wünschenswerthen Veränderungen zu denen ich mich wegen der Kosten u. wegen meines Alters nicht entschließen konnte. –
Zuerst bemerke ich im Allgemeinen, daß die schweren geschleppten Schornsteine – die jetzt gar nicht mehr angelegt werden dürfen – sowohl den Flügel wie das alte Haus schwer belasten u. deren Entfernung eine wesentliche Verbesserung sein würden; nicht allein durch Entlastung des Gebäudes sondern auch bezüglich des Raumes der dadurch gewonnen würde für wirthschaftliche Bedürfnisse u. Wohnungsräume für die Dienerschaft. Trockenböden, Garderoben, Raum für Kleiderschränke u. Diener: resp. Mädchenzimmer würden sich dann nach Belieben herstellen lassen, was wegen der Entfernung zwischen Flügel u. Corps de logis an beiden Stellen wohl nöthig wird, um die Schleppereien z.B. auch der Meubel zu verringern. Das Erforderniß eines Trockenbodens sowohl im Flügel wie im alten Hause, eines erschließbaren Raumes für die unreine Wäsche, eines Gardmeubels auch im Flügel hat sich oft fühlbar gemacht. Nimmt man die Schornsteine fort u ersetzt sie durch russische Rohre, so ist eine Veränderung des Daches geboten. Die alten glasirten Pfannen des Flügels müßten durch ein Schieferdach ersetzt werden, weil sie meist schafhaft sind u. den … nicht mehr halten; nach jedem Sturm ist eigentlich Reparatur erforderlich; im alten Haus ist die ganze Eisenbekleidung unter dem Schieferdach verbraucht; auch diese müßte durch Schiefer ersetzt werden, was freilich auch wohl eine Änderung in der Holzconstruction erfordern würde, weil eine Biegung mit Schiefer wohl schwer herzustellen, wenigstens nie so haltbar sein wird, wie ein gerades Schieferdach. Wenn denn doch an eine so weitgehende bauliche Veränderung gegangen – wahrscheinlich werden sich auch schadhafte Balken ergeben, wie dieß z. B. in der Gallerie vielfach der Fall ist, so tritt die Frage ev. Heran, ob man nicht überhaupt sich zu einer weitgehenden baulichen Änderung entschließen will, die schon meinen lieben Vater u. auch mich beschäftigt hat, so daß schon Entwürfe u. Zeichnungen gemacht wurden u. ich einen Architekten auch aus Berlin vor Jahren kommen ließ dessen Vorschläge ich erwähnen werde. –
Es handelte sich um die sehr wichtige Schaffung einer direkten Verbindung zwischen Corps de logis u. Flügel, über der Gallerie fort, sodaß die Treppen erspart werden. Da, wie schon erwähnt, fast alle Balken in der Gallerie schadhaft sind auch der Windelboden, der eigentlich gar kein Windelboden ist – höchst leichtfertig ausgeführt worden, so daß auch schon mehrere Mal ganze Stücken des Deckenputzes herunter gefallen sind, mithin diese bedeutende Reparatur in kurzer Zeit nothwendig wird, so würde damit ein Neubau über der Gallerie sich verbinden lassen, indem man ein Mansarden=Stock aufsetzt, der nach Norden zu einen Corridor u. Verbindungsgang hat u. nach Süden eine beliebige Anzahl Stuben gestatten würde, wodurch dem Flügel der ihm so fehlende Raum für die Waschschränke u. ein gutes Mädchenzimmer geschaffen werden würde, u. dem alten Hause auch einige Fremdenzimmer zuwachsen könnten, die eigentlich recht nöthig sind, um eine große Familie wie die unsere, doch mit Kind u. Kegel zur Sommerzeit zusammen beherbergen zu können. Man würde aus dem Flügel, in der oberen Etage, das 3te Fenster der Westseite – jetzt zum Theil durch das Galleriedach verdeckt – Zum Ausgangspunkt des Corridors wählen u. damit in das gegenüberliegende Ostfenster des alten Hauses hineingehen, wo man in die kleine Vorratskammer u. dann direkt auf den Corridor gelangt. Über dem jetzigen Eßzimmer wäre für Mädchenstube u. Waschraum wohl der richtige Fleck u. zwar erstere unter Benutzung des Schornsteins für den Ofen, wärend die anderen Zimmer wohl durch Wasser u. Luftheizung erwärmt werden müßten – bis auf das was den Schornstein des alten Hauses benutzen könnte, für einen heimischen Kachelofen. Da die Zwischenwände möglichst leicht sein müßten, um die Galleriebalken nicht sehr zu belasten – ein Hängemaß für die Balken empfiehlt sich überhaupt – u. aus demselben Grunde die Aufführung russ. Rohre sich nicht empfehlen würde, so bin ich entschieden für Wasserheizung deren Anlage im Keller unter der Gallerie sich empfiehlt, wodurch auch diesen schwer heizbaren Räumen Abhilfe geschaffen werden könnte. Auch würde eine solche Einrichtung sich im alten Hause empfehlen wo die Kellerräume z. B. vor dem Weinkeller geeignet sein würden. Auch bei Feuergefahr u. gegen dieselbe ist Wasserheizung empfehlenswerth. Der Mansardenstock über der Gallerie würde sich im Styl an die Dächer des alten Hauses u. des Flügels harmonisch anschließen. –
Was nun den erwähnten Umbau anbelangt, so hatte ich mit dem Berliner Architekten nachstehendes beredet u. er mir einen Treppenthurm vorgeschlagen der an Stelle des Perons sich erheben sollte u. … würde:
Bedecktes Einsteigen in den Wagen – vielleicht durch einen kurzen Glasschutz.
Vergrößerung des Flurs, in dem die jetzige Hausthür u. das daneben befindliche Fenster zum Eingang vertieft, zwei Eingänge in den Treppenraum sowohl nach außen wie nach innen ergeben würde; ersterer würde da neu geschaffen werden durch den Neubau
Erweiterung der zu engen Thür in das Eßzimmer durch Wegnahme von Mauerwerk.
Herrschaftliches Zimmer über dem Treppenraum des Neubaus zum Rauchzimmer resp. Geweihsammlung u. Gewehrzimmer für den Herrn, mit Ausgang auf den Flur gegenüber meinem Zimmer.
Es würde sich alsdann von selbst ergeben:
Verlegung des Bedientenzimmers in d. jetzige Mädchenstube u. Fortnahme des Durchbaues vielleicht mit einer eisernen Treppe nach der letzigen Thür um schneller nach oben zu kommen.
Ausgang aus dem Jungfernzimmer nach der sogenannten Kammer u. Einrichtung eines weißen Corridors für die Jungfer.
Verlegung der Treppe aus der jetzigen Mädchenstube in d. Jungfernstube, wie sie schon früher war u. ev. Entfernung der Durchbauten über dem Jungfernzimmer u. der Garderobe.
Zur Erwägung stelle ich schließlich: ob wenn so große bauliche Änderungen beschlossen werden nicht die Erhöhung von Flügel u. d. alten Hause um einige Fuß Mauerwerk sich empfehlen würden? Dann würden die Stuben der unteren Etagen ungemein gewinnen; Das Mauerwerk ist stark genug u. wenn die Dachconstruction u. Balkenlage erneuert werden müssen, resp zu verändern sind, so würde doch so ziemlich alles über dem Mauerwerk heruntergenommen werden müssen. Außerdem sind sämtliche Fenster der oberen des alten Hauses u. auch theils im Flügel, erneuerungsbedürftig nachdem sie über 1 1/2 Jahrhundert gedient haben; da würde eine Erhöhung der Fensterlöcher sich empfehlen wenn doch neue Fenster gemacht werden müssen.
Was nun die früheren Pläne bezüglich Umbaus u. wohnlicheren Veränderungen anbelangt, so will ich noch folgendes erwähnen. Mein Großvater Bohlen soll die Absicht gehabt haben, die Ausrundung im alten Hause nach dem Hof auszubauen, wofür ein im Archiv befindlicher Plan zu einem Balkon zu sprechen scheint. –
Mein lieber Vater hatte die Idee eine Verbindung zwischen Flügel u. Corps de logis durch eine eiserne Gallerie herzustellen, die auf der Nordseite der Bibliothek, in Fensterhöhe entlang gehend, vom Peron aus bis an das alte Haus u. dann mit einer Wendeltreppe nach oben gehend, gedacht war. Ein unfertiger Plan mit Zimmereintheilung über der Gallerie befindet sich auch noch im Archiv.
Wenn ein Umbau stattfinden soll, so bemerke ich noch schließlich, daß ich als dann die Benutzung des Regenwassers von den Dächern empfehlen mögte, zur Anlegung von Reservoiren; wenigsten auf den Böden des alten Hauses u. des Flügels, von wo aus man durch einfache Anlage eines Feuerhahns oben u. durch eine Rohrleitung in die Etagen wenigstens zu Zeiten Wasser sich verschaffen kann; endlich würde das Werk eines Neubaues gekrönt werden müssen durch Telegrafen, Telephone u. Beleuchtung neuester Systeme oder Heizungen. Zu alle dem wünsche ich meinen lieben Nachkommen Einsicht Weisheit u. vornämlich einen vollen Beutel, zu alle dem aber Gottes Segen u. daß sie das biblische Wort bedenken mögen „den Thurm nicht anzufangen ohne Überlegung der Kosten“.
Kulturhaus Steinfurth Treckerschuppen BALANCE 22. und 23. Oktober jeweils um 19 Uhr Kartenreservierung unter: karten@kulturhaus-steinfurth.de
BALANCE. Echtzeitkomposition und Tanzperformance Mathias Bartoszewski – künstlerische Leitung und visuelles Konzept Choreografie – Barbara Buck Tanz – Sophie Hauenherm Elisa Bartoszewski – Echtzeitkomposition Orgel und Klavier Komposition und Musikproduktion – Fabian Suske Die mitwirkenden Künstler haben verschiedene Hintergründe, persönlich wie professionell. Der Musikproduzent und Komponist Fabian Suske ist in der Pop Musik verwurzelt, Elisa Bartoszewski hingegen im Barock. Jeweils dort finden sie Inspiration. Mathias Bartoszewski arbeitet intuitiv mit inneren Bildern, Sophie Hauenherm und Barbara Buck nach strukturierter Choreografie und inspiriert von Musik.
Außerhalb ihrer künstlerischen Komfortzone machen sie sich auf neue Wege in Kommunikation und Zusammenarbeit. Sie müssen auf eine intuitive Kommunikation und Improvisation zurückzugreifen. Sichtbar wird das in der Bühneninstallation, instabil und beweglich. Die Bühnenfläche kann aus der Horizontale zu einer Wand aufgeklappt werden. Die Tänzerin Sophie hat einen wichtigen Teil ihrer erlernten und trainierten tänzerischen Ausdrucksmöglichkeiten durch eine Querschnittslähmung verloren. Sie sucht nach neuen Ausdrucksformen und Körpersprache außerhalb der tänzerischen Traditionen, der eigenen Prägung und persönlichen Erfahrung. Hängend, kletternd, wippend und tanzend nähert sie sich einer tänzerischen Balance. Interaktive Projektionen mit animierten Grafiken geben innere und äußere Realität wieder. Loslassen auf einer wackligen Bühnen, hin und hergerissen von Musik und Bildern findet und verliert die Tänzerin ihre Balance und findet sie wieder. Es ist ein nicht endender individueller und gesellschaftlicher Prozess.
24. September, 19 Uhr: “No war” Klavierkonzert mit Eva Maria Schachtschneider: 24 Pieces for Children op. 25 von Viktor Kosenko, 2. Klaviersonate von Sergej Rachmaninow und 4. Klaviersonate von Sergej Prokofjew “No war!” ein hochvirtuoses Programm mit Werken zweier russischer und eines ukrainischen Komponisten. Viele russische Staatsangehörige haben Verwandte in der Ukraine und umgekehrt. Beide Länder haben grossartige Künstlerinnen und Musiker hervorgebracht, die grosse Mehrheit der in der Kulturszene aktiven gebürtigen Russen und Russinen weltweit verurteilt Putins Angriffskrieg und ist zutiefst erschüttert über die Ereignisse. Lasst uns auf keinen Fall aufkeimende feindliche Tendenzen oder verallgemeinernden Rassismus gegen “die Russen” dulden und lasst uns Frieden, Liebe und Verbindung zwischen russischen und ukrainischen Menschen fördern. Lisa Maria Schachtschneider selbst wurde in ihrer Studienzeit wesentlich durch den Einfluss verschiedener grossartiger russischer Professoren und Lehrerinnen der sogenannten “Russischen Klavierschule” geprägt. Sergei Prokofjew: Piano Sonata No. 4 in C minor, Op. 29, composed in 1917 (1891-1953) Viktor Kosenko: 24 Pieces for Children op.25, composed in 1936 (1896-1938) Sergei Rachmaninow: Piano Sonata No. 2 in B flat minor, Op. 36, version 1931 (1873-1943)
Am 6. und 7. August gab es zwei Konzerte “Von der Heilkraft der Musik” mit Installationen von Mathias Bartoszewski, die genial mit den Kompositionen von Elisa Bartoszewski harmonierten, ebenso die Instrumente: Elisa Bartoszewski Piano/Orgel; Lilly Paddags Saxophon; Maria Matilla Cello; Fabian Suske Gitarre/Orgel. Die Spiel- und Improvisationslust wurden vom Publikum mit viel Beifall aufgenommen.
Am 13. August begeisterte Doris Hädrich, am Piano begleitet von Kerstin Simon, unter dem Motto “Sehnsucht nach Italien” das Publikum und nahm es auf eine musikalische Reise mit. Wunderbare Lieder und Arien, die meisten davon mehr oder weniger bekannt, hatte Frau Hädrich für diesen Abend ausgesucht und führte in witziger Weise durch das Programm.
Am 20. August gab Janita-Madeleine Wiesbacher ein Klavierkonzert mit Stücken von Johann Sebastian Bach, Clara Schumann, Claude Debussy und George Gershwin, die sie mit großer Virtuosität interpretierte. Sie teilte mit dem Publikum ihre Gedanken und Gefühle, die sie beim Spiel dieser Musik bewegen. Ein wunderbarer Abend!
Weitere Veranstaltungen:
27. August, 19 Uhr: Songs und Geschichten mit Erika Spencer Klavier und Gesang: alternativer Pop mit Einflüssen aus Jazz und Chanson
3. September, 19 Uhr: Maja Taube Harfe Solo: vom rauschenden Harfenklang bis hin zur fremdartigen Schönheit eines mit Filz, Kork und Nylonstrümpfen präparierten Instruments
4., 10. und 11. September, 19 Uhr: Von der Heilkraft der Musik
16., 17. und 18. September, 19 Uhr: Balance: Improvisationskonzert und Tanzperformace Barbara Buck – Choreographie; Mathias Bartoszewski – Installation und visuelles Konzept; Sophie Hauenherm – Tanz; Elisa Bartoszewski – Orgel/Klavier; Lilly Paddags – Saxophon
25. September, 19 Uhr: “Von der Heilkraft der Musik” einfällt.
Am 24. Juli 2022 findet um 17 Uhr zum dritten Mal anlässlich des Geburtstages der Caroline von Bismarck-Bohlen in der Steinfurther Begräbniskapelle eine Veranstaltung statt – in diesem Jahr über die Entstehungsgeschichte der Kapelle und des dahinter befindlichen Friedhofs, über Tod und Trauer. Mit Selina Böhm und Ursula von der Gönne-Stübing Romantische Vokalmusik von Felix Mendelssohn Bartholdy
1934 hatte sich Fritz Ulrich von Bismarck-Bohlen ob seiner angespannten wirtschaftlichen Lage entschlossen, seine Groß Jasedower und Steinfurther Ländereien an die Pommersche Siedlungsgesellschaft Stettin zu verkaufen und damit das Fideicomiss, welches seine Urgroßeltern begründet hatten, aufzulösen. Das bedeutete eine enorme Veränderung für das Steinfurther Rittergut.
Bestand das Dorf bis zur Aufsiedlung 1935 neben dem den Ort bestimmendem Ensemble von Kirchenruine und Grabkapelle,
aus wenigen strohgedeckten Katen,
dem Gutshaus, der linke Teil zerfällt leider zunehmend,
einem Gemeindehaus mit vier Wohnungen für Landarbeiter
sowie dem Forsthaus,
so wurden nun von einer Wolgaster Baufirma neue Siedlerstellen, alle in gleicher Art und Güte mit geringen auflockernden Variationen, errichtet.
Im Pommerschen Landesarchiv kann man Unterlagen über die Landvergabe unter dem Stichwort “Kulturamt Greifswald” einsehen, z. B. solche, die die Aufsiedlung Steinfurths und vieler anderer Ortschaften in der Umgebung dokumentieren.
Es findet sich neben der Baubeschreibung einer Siedlungsstelle auch Schilderungen der örtlichen Verhältnisse des Dorfes in Vorbereitung auf die geplante Besiedlung unter dem Titel “Kurze Beschreibung der örtlichen Verhältnisse zum Dorfbebauungsplan von Steinfurth, Kreis Greifswald”, verantwortet vom damaligen Kulturamt Greifswald. Einmal wird der Istzustand beschrieben, zum anderen werden detailliert die Pläne für die vorgesehenen Siedlerstellen und die weitere Entwicklung des Dorfes dargelegt. [LAG Rep 81a 329 Steinfurth]
Zunächst werden die im Dorf lebenden Bewohner genannt, welche im Einteilungsregister vom 5.11.1934 aufgelistet sind.
Vor der Besiedlung gab es in Steinfurth 8 Wohnhäuser mit 15 Wohnungen u. 16 Haushaltungen. 21 Häuser wurden neu gebaut.
1 Gutshaus mit 1 Wohnung mit 2 Haushaltungen
1 Arbeiterhaus mit 1 Wohnung mit 1 Haushaltung
1 Arbeiterhaus mit 2 Wohnungen mit 1 Haushaltung
1 Arbeiterhaus mit 2 Wohnungen mit 2 Haushaltungen
1 Arbeiterhaus mit 2 Wohnungen mit 2 Haushaltungen
1 Arbeiterhaus mit 2 Wohnungen mit 1 Haushaltung
1 Försterhaus mit 1 Wohnung Reichsforstverw. mit 1 Wohnung
1 Arbeiterhaus mit 4 Wohnungen die Landgem. mit 4 Wohnungen
In Steinfurth wohnhafte Familien:
Fischer, Hans 3 Pers. Statthalter zieht voraussichtlich zum 1.7.35 fort
Meyer, Ernst 2 Pers. Deputant, kommt als Siedler nicht in Frage
Pieritz, Karl 3 Pers. dsgl.
Hannemann, Karl 3 Pers. beabsichtigt zu siedeln
Oestreich, Friedrich 2 Pers. kommt ins Gemeindehaus
Fürst, Wilhelm 2 Pers. dsgl.
Buggenhagen, Friedrich 1 Pers. bewohnen zus. 1 Wohnung
Schreiber, Franz 5 Pers. Freiarbeiter zieht voraussichtlich fort
Ladwig, Hermann 2 Pers. zieht zum 1.5.35 fort
Albustin, Erwin 8 Pers. zieht voraussichtlich fort
Schmidt, Ernst 4 Pers. dsgl.
Riek, Ernst 5 Pers. zieht voraussichtlich zum 1.4.35 fort
Rüberg, Friedrich 2 Pers. Rentner Ortsarmer
Grösch, Johann 2 Pers.
Podeswa, Paul 6 Pers. Vorschnitter wird wahrscheinlich Siedler
Albustin, Erich 1 Pers. lediger Knecht 15 Jahre alt
Verwalterhaus (früher Försterei)
Das Siedlungsgebiet liegt im östlichen Teil des Kreises Greifswald, ca. 2 km Landweg östlich der Hauptchaussee Anklam – Greifswald.
Die Verkehrs- und Absatzlage ist mittelgut. Die nächste Stadt Anklam ist 14 km, die Kreisstadt Greifswald 23 km, wovon 2 km auf einen Landweg entfallen, vom Objekt entfernt. Der Bahnhof Karlsburg an der Strecke Züssow – Wolgast liegt 3 km vom Objekt entfernt.
Die Schule für das Siedlungsgebiet befindet sich in Karlsburg. Sie ist einklassig, fasst etwa 60 Kinder und wird zurzeit von 32 Kindern besucht.
Die Kirche und Pfarre befinden sich in Zarnekow. Zum Kirchspiel gehören die Kirchengemeinden Karlsburg, Lühmannsdorf und Wrangelsburg.
An öffentlichen Wegen sind vorhanden:
Die Dorfstrasse
Der Landweg zum Bahnhof Karlsburg,
Der Landweg durch die Karlsburg’er Forst zur Hauptchaussee Anklam – Greifswald
Der Landweg nach Wahlendow,
Der Landweg nach Buddenhagen,
Der Landweg nach Giesekenhagen,
Der Landweg von der Hauptchaussee Anklam – Greifswald abzweigend nach Giesekenhagen.
Bodenverhältnisse: Das Ackerland ist meist eben und gehört der IV. bis VII. Bodenklasse an.
Die Wiesen und Weiden sind nur mittelmässig, jedoch verbesserungsfähig. Das Verhältnis Grünland : Ackerland ist etwa 1:10.
Vorhandene Gebäude: Die Gebäude sind meist sehr alt und befinden sich mit wenigen Ausnahmen in einem sehr mässigen Bauzustande.
Baugrund: Der Baugrund für die Neubaustellen ist gut.
Wasserverhältnisse: Die Wasserverhältnisse sind günstig. Trinkwasser ist in etwa 10 bis 20 m Tiefe aufzufinden.
Aufteilung: Im Hinblick darauf, dass der Gutshof in der Südostecke des Siedlungsgebiets liegt, weiter im Norden und Süden hart an das alte Dorf ein umfangreiches Niederungsmoor grenzt, war eine unmittelbare Dorferweiterung nur nach Osten und Westen hin möglich. Unter den vorliegenden Verhältnissen musste somit für einen Teil der neu zu begründeten Bauernstellen ein neuer Ortsteil gebildet werden.
Mit Rücksicht auf die Verkehrslage, die Lage der Schule und die Geländeverhältnisse kam hierfür nur der Landweg zum Bahnhof Karlsburg als zweckentsprechende Aufbaustrasse in Frage.
Der neue Ortsteil beginnt etwa 200 m westlich des alten Dorfes. Er ist rund 550 m lang und liegt zu den bisher sehr entfernten Aussenschägen äusserst vorteilhaft. Hierbei konnte auch der Wirtschaftlichkeit der neuen Bauernhöfe in erhöhtem Masse Rechnung getragen werden. Ausserdem werden günstige Bauernhofstellen geschaffen, die trotz der weiträumigen Anlage in einem Jahrzehnt sicher den Eindruck eines geschlossenen Ortsteiles geben werden.
In Aussicht genommen ist die Begründung von 29 Stellen und zwar:
1 Grossbauerstelle 1 Bauernstelle 25 Bauernstellen 2 Handwerkerstellen Ausserdem ist am künftigen Gemeindehaus die Anlage eines Dorfplatzes geplant.
Von den Stellen werden 8 unter Verwendung der vorhandenen Gebäude hergestellt und für 21 Stellen werden sämtliche Gebäude neu errichtet.
Grösse des Siedlungsgebietes: Das Siedlungsgebiet setzt sich aus Teilen der Güter Steinfurth und Karlsburg zusammen und ist 659,9325 ha gross.
An Kulturarten sind vorhanden
Acker 554,92 ha,
Wiese 46,63 ” ,
Koppel 10,78 ” ,
Holzung 8,65 ” ,
Ödland 13,94 ” ,
Wasserstücke 0,82 ” ,
Bruch 2,02 ” ,
Hofraum und Garten 5,66 ” ,
Wege 16,5125 ha
zusammen: 659,9325 ha.
Art der Aufteilung des Siedlungsgebietes:
Die grundlegenden Gesichtspunkte der Plangestaltung sind entsprechend den mit Herrn Kreisobmann Mau – Dambeck getroffenen Vereinbarungen auf Grund des Planprüfungstermines vom 12. März 1935 wie folgt festgelegt worden:
Stelle VII erhält ein Leutehaus als Wohnhaus,
Stelle VIII wird Stellmacherei und erhält ein Leutehaus als Wohnhaus und Werkstatt,
Stelle IX erhält ein Leutehaus als Wohnhaus,
Stelle XV erhält 2/5 eines Viehstalles als Wirtschaftsgebäude,
Stelle XVI erhält 3/5 des Gutshauses als Wohnhaus, 1/2 des Wirtschaftshauses als Leutehaus sowie Futterküche und einen Pferdestall mit Kornboden als Wirtschaftsgebäude, (Gutshaushälfte und Stall Ruine)
Stelle XVII erhält ½ des Wirtschaftsgebäudes als Wohnhaus und 3/5 einer Scheune als Wirtschaftsgebäude,
Stelle XVIII erhält 2/5 des Gutshauses als Wohnhaus und die Wagenremise als Stall,
Stelle XIX und erhält 2/5 eines Viehstalles als Wirtschaftsgebäude,
Die Landgemeinde Karlsburg erhält ein gutes Vierfamilienhaus sowie 3 Stallgebäude.
Zur Unterbringung der Gutsarbeiter, die nicht angesiedelt werden können, stehen 2 alte Leutehäuser zur Verfügung. Es werden somit sämtliche vorhandenen Gebäude bei der Besiedlung verwendet.
Für 21 Stellen sind neue Gebäude zu errichten.
Wohnhaus und Stall werden unter einem Dach errichtet. Die Ausführung wird massiv und Zementfalzziegeldach. In der Bauart herrscht Abwechslung in den einzelnen Typen.
Der Wohnungsteil hat folgende Räume: 1 Flur mit Treppe, 1 Küche, 2 Stuben, 1 Futterküche, 1 Giebelstube, ausserdem ausreichenden Keller Schüttboden und Räucherkammer.
Im Stallteil ist Raum vorhanden für: 2 Pferde, 6 Stück Großvieh, 3 Schweinebuchten, Futterplatz, Hühnerstall und Abort.
Im Dachgeschoss Futterboden. Die Stalleinrichtung wird ausgeführt, eine Jauchegrube wird angelegt.
Scheune. Diese wird aus Holzfachwerk mit Bretterverkleidung hergestellt. Das Dach wird mit Zementfalzziegel eingedeckt.
Trinkwasserversorgung: Die Stellen sollen eigene Brunnen erhalten. Trinkwasser wird in etwa 10 bis 20 m Tiefe aufzufinden sein.
Elektronetz: Es ist beabsichtigt, die Siedlung an das Elektronetz anzuschliessen.
Finanzierungsplan und Rentenbemessung: Beim Ankauf des Gutes Steinfurth ist die Rente für eine 15 ha grosse Stelle unter Zugrundelegung eines Zins- und Tilgungssatzes von 4,5 v. H. auf 12,00 RM je ¼ ha landwirtschaftlicher Nutzfläche festgesetzt worden.
Nach den Absichten der Pommerschen Landgesellschaft sollen zur Sicherstellung der Siedler verschiedene Maßnahmen getroffen werden, die beim Ankauf des Gutes nicht berücksichtigt sind. Es handelt sich um folgende Mehraufwendungen, die gegen den vorläufigen Finanzierungsplan zur Durchführung kommen sollen:
Die Vorflutregelung innerhalb der Pläne Nr. 215 bis 217 mit einem Kostenaufwande von 2000,– RM,
Der Umbruch und die Neuansaat der Dorfkoppel in eine Größe von rd. 10 ha, mit einem Kostenaufwande von 2500,– RM,
Die Vorratsdüngung der stark verhungerten Wiesenflächen in eine Grösse von rd. 43 ha mit einem Kostenaufwande von 1870,– RM,
Der Ausbau und die Pflasterung der Aufbaustrasse sowie des Zufahrtweges zum Bahnhof Karlsburg in einer Länge von rd. 3,0 km, mit einem Kostenaufwande von 45000,– RM,
Die Herstellung eines Wildgatters in einer Länge von 1,5 km, mit einem Kostenaufwande von 2000,– RM,
Bodenverbesserungen: Von den im Gebiet der Wassergenossenschaft Karlsburg liegenden Grünländereinen soll eine Fläche, die unter Nässe leidet, durch Ergänzung der Vorflut verbessert werden.
Die gleichfalls im Genossenschaftsgebiet liegende Dorfkoppel befindet sich in einem sehr mangelhaften Kulturzustand. Sie soll deshalb umgebrochen und neu angesät werden. Es handelt sich um eine Fläche von rund 10 ha. Weiter sollen sämtliche Wiesenflächen, die stark verhungert sind, eine Vorratsdüngung erhalten.
Die versumpften Feldwiesen innerhalb der Pläne Nr. 215 bis 217 werden durch Regulierung der Vorflut verbessert.
Der sogenannte „Sack“, ein Ackerstück an der Westgrenze der Steinfurther Forst, – Pläne Nr. 114 bis 161 – leidet sehr stark unter Rot- und Schwarzwildschaden. Um diesen Übelstand, der für die Siedler eine dauernde wirtschaftliche Schädigung bedeutet und zu grossen Unzuträglichkeiten führen kann, zu mildern, war es dringend erforderlich, die daselbst vorspringende Waldnase von der Forst abzutrennen und dem Siedlungsgebiet zuzuschlagen. Der erforderliche Tausch mit dem Deutschen Reich, vertreten durch den Herrn stellvertretenden Kommissar für die Osthilfe – Landstelle Stettin -, ist bereits durchgeführt.
Zur Verminderung des Wildschadens ist ferner der Abtrieb der eingetauschten Holzflächen erforderlich. Diese sind nur schwach mit Buchen bestanden. Es handelt sich um einen lehmigen Sandboden, der sich als Ackerland eignet.
Weiter ist die Errichtung eines Wildgatters vorlängs des in Frage kommenden Ackerstückes vorgesehen. Es kommt die Strecke von rund 1500 m in Frage.
Wegeverbesserungen: Der Landweg vom Bahnhof Karlsburg über Steinfurth nach Wahlendow befindet sich in einem sehr mässigen Zustande. Die Befestigung dieses Weges wird allseitig für erforderlich gehalten, da er die Lebensader für das neue Bauerndorf ist. Auf ausdrücklichen Wunsch der Kreisbauernschaft soll dieser Weg im Anschluss an den bahneigenen Schlackenweg am Bahnhof Karlsburg bis zum Hof der Stelle XII, also in einer Länge von rund 3,0 bis 3,5 , breit gepflastert werden. Nach erfolgtem Ausbau soll der Weg im Einvernehmen mit dem Herrn Landrat als Straße II. Ordnung vom Kreis unterhalten werden.
Gemeinwirtschaftliche Anlagen: a) Ausstattung sind für die Gemeinde Karlsburg vorgesehen:
Der Ackerplan Nr. 139 in einer ungefähren Größe von 1,50 ha,
Der Ackerplan Nr. 199 in einer ungefähren Größe von 0,75 ha,
Der Ackerplan Nr. 200 in einer ungefähren Größe von 2,50 ha,
Holzungsplan Nr. 226 in einer ungefähren Größe von 0,75 ha,
Der Ackerplan Nr. 263 als Nutzungsland für die Bewohner des Gemeindehauses in einer ungefähren Größe von 0,60 ha,
Der Plan Nr. 265 einschließlich des aufstehenden sogenannten Klosters, das als Gemeindehaus verwendet werden soll in einer ungefähren Größe von 0.39 ha,
Der Ackerplan Nr. 273 in einer ungefähren Größe von 1,00 h zusammen: 11,59 ha.
b) An gemeinwirtschaftlichen Anlagen sind vorgesehen:
1.) der Plan Nr. 87 als Bullenhaltung, 2.) der Plan Nr. 140 als Sportplatz, 3.) der Plan Nr. 159 als Eberhaltung, 4.) der Plan Nr. 160 als Lehmgrube, 5.) der Plan Nr. 164 als Bullenhaltung, 6.) der Plan Nr. 198 als Sandgrube, 7.) der Plan Nr. 208 als Standplatz für das Transformatorenhaus, 8.) der Plan Nr. 264 als Dorfplatz, 9.) der Plan Nr. 266 als Dorfteich.
Als Ausstattung für die evangelische Kirchengemeinde Zarnekow ist der Plan Nr. 165 in einer ungefähren Größe von 0,50 ha als Begräbnisplatz vorgesehen. Ausserdem soll sie den Plan Nr. 66 in einer ungefähren Grösse von 4,25 ha als Hufenerleichterungsfonds erhalten.
Dieser Plan, eine weitere Begräbnisstätte zu einzurichten, wurde erst nach 1945 umgesetzt, da der Friedhof um die Kirchenruine herum voll belegt war.
Unten ist die Baubeschreibung der 1935 erbauten Siedlerhäuser mit Scheune eingestellt.
Der Kaufpreis für die Gebäude betrug ca. 10100 RM. Die Nutzflächen, die den einzelnen Höfen zugeordnet waren, bewegten sich zwischen 6 und 23 Hektar. Am wenigsten Land hatten die Handwerkerstellen, die größte Nutzfläche der Großbauer. Die meisten der Siedler besaßen zwischen 13 – 16 ha Land. Der Landpreis lag zwischen 10000 und 20000 RM.
3/5 des alten Gutshauses bekam der Besitzer des Resthofes. Als Resthof wurde die nach der Aufteilung übrig gebliebene landwirtschaftliche Fläche bezeichnet, die sich nicht nochmals teilen ließ oder wo die notwendigen Gebäude sich nicht ohne weiteres einfügen ließen. Er war in der Regel größer als die anderen Höfe. In Steinfurth gehörte dieser dem Großbauern Willi Fink, die andere Seite einem Mann namens Schulz, einem ehemaligen Gutsarbeiter des gräflichen Gutes, der später eine Tochter aus der Siedlerfamilie Schulz heiratete. Auch das Wirtschaftsgebäude daneben wurde geteilt: die vordere Hälfte gehörte Fink, die hintere Hälfte Beckmann. Auch Hahn und Möller waren ehemalige Gutsangestellte, die schon vorher in Steinfurth gewohnt hatten.
August Müller und seine Familie kam Ende des Jahres 1935 mit drei Söhnen aus der Gegend um Wolfsburg und Braunschweig nach Steinfurth. Der Großvater väterlicherseits besaß dort eine Tischlerei mit 16 Morgen, die er dem Ältesten, August Müller, vererbte. Da sie mehrere Geschwister waren, beschlossen sie, den Besitz zu verkaufen und das Geld untereinander aufzuteilen.
Es wurde damals im hannoverschen Raum Reklame dafür gemacht, dass man in Pommern ohne Startkapital siedeln könne. Später dann, das weisen die Unterlagen über die Steinfurther Siedlungsangelegenheiten aus, musste für die jeweiligen Hofstellen sowie für das Land ein Kredit aufgenommen werden. Da der Anteil des Erbes bescheiden war, auch einiges für den Umzug draufging, standen ihnen am Ende noch 500 Mark zur Verfügung.
So kamen die Interessenten mit einem Bus, der von den Behörden zur Verfügung gestellt worden war, nach Pommern. Sie wurden durch die Ortschaften gefahren, bis sich alle einen Hof ausgesucht hatten. Auch Kredite wurden bewilligt, damit die Landwirte die Wirtschaft in Betrieb nehmen konnten. Die in Steinfurth errichteten Häuser warteten darauf, in Besitz genommen zu werden. Sobald sich ein Siedler für einen Hof entschieden hatte und der Einzugstermin feststand, wurde in die Scheune eine Ladung mit Stroh und eine mit Heu vom Karlsburger Gut angefahren.
Der Vaddermann, wie August Müller seinen Vater liebevoll nennt, bestellte einen Umzugswagen mit Anhänger, auf dem neben dem Hausrat auch die landwirtschaftlichen Geräte Platz fanden, die zur Bearbeitung des großväterlichen Besitzes schon vorhanden waren. So musste man in Steinfurth nicht ganz von vorn anfangen.
Im Dezember machte die Familie sich morgens zeitig auf den Weg. Sie wollten bei Tageslicht ihr neues Zuhause in Besitz nehmen. Aber aufkommender Schneefall verhinderte, dass sie die Brücke über der Elbe zügig passieren konnten. Erst nach einigen Stunden, nachdem Sand gestreut worden war, konnten sie ihre Fahrt fortsetzen. Als sie fast ihr Ziel erreicht hatten, stellte sich heraus, dass der Lastwagen nicht nach Steinfurth durchfahren konnte, da ein solch schweres Gefährt auf dem unbefestigten Weg Richtung Dorf nicht – ohne Schaden zu nehmen – durchgekommen wäre. Von der damaligen F109 kommend Richtung Steinfurth, passiert man zwischen Kurve und Ortseingang linkerhand ein Wäldchen, dass bei den alten Dorfbewohnern als Küsters Kuhle bekannt war.
Der Name kam vom Besitzer der Felder dort – auch ein Siedler – namens Küster. Der Knüppeldamm von Steinfurth her war damals erst bis zu dieser Stelle mit Feldsteinen ausgebaut und zwar von der gleichen Firma verlegt, die auch die Siedlerhäuser gebaut hatte. Der Umzugswagen musste also am Karlsburger Bahnhof auf die Entladung warten. Die F109, eine Heeresstraße, war mit Granitsteinen gepflastert. An der Grenze zu Anklam war eine Jahreszahl aus Basaltsteinen eingelassen. Obwohl er tausende Mal darüber gefahren ist, kann August Müller sich nicht genau erinnern. 1929 meint er gelesen zu haben.
Der Hof der Müllers war der letzte linkerhand auf der Steinfurther Dorfstraße Richtung Pamitz, gegenüber dem Gehöft von Otto Pahlmann, der 14 Tage vorher mit seiner Familie eingezogen war. Schon erstaunlich, dass die Häuser innerhalb eines halben Jahres hochgezogen worden waren.
Mitten in einer Dezembernacht in Pommern angekommen, musste der Vater zu Fuß in den Ort laufen, um den Milchkutscher Hannemann, der links neben der Kapelle in einem der alten Strohkaten wohnte, aus dem Schlaf zu holen. Dieser würde, so war ihm gesagt worden, mit seinem Milchwagen Kinder, Frau und die nötigsten Utensilien, die für die erste Nacht in der neuen Heimat benötigt wurden, ins Dorf transportieren. Der Nachbar Pahlmann hatte schon Ofen und Küchenherd eingeheizt, sodass die Familie, durch die Reise und das lange Warten durchgefroren, ganz erfreut ihr neues warmes Zuhause in Besitz nehmen konnte.
Am Nachmittag des nächsten Tages hat der Milchkutscher nach seiner eigentlichen Arbeit dann die restlichen Möbel und Gerätschaften geholt.
Im Laufe der Jahre kamen vier weitere Kinder dazu. August war der jüngste der drei Söhne. Er musste für die nachkommenden Geschwister das Kindermädchen spielen, erzählt er augenzwinkernd. Das Steinfurther Wohnhaus war bald zu klein für eine so große Familie. Die Mutter wollte Steinfurth nicht schon wieder verlassen, auch wenn sie nur ins nächste Dorf umziehen sollten: Zieh du alleine, ich bleibe in Steinfurth. Sie hatte zu den Nachbarn, Seffers und Pahlmanns, guten Kontakt und wollte ihn nicht so schnell wieder aufgeben. Der Vater zunächst auch nicht. Aber als er anbauen wollte, wurde sein Antrag abgelehnt mit der Begründung, dass in Kriegszeiten Privatleute keine Baumaterialien bekommen könnten. Kein Mauerstein dürfe privat vermauert werden, bekam er von der Kreisverwaltung Bescheid. Wenn er mehr Wohnraum brauche, müsse er eine Wirtschaft mit einem größeren Wohnhaus übernehmen. Bedingung war, dass alles, d.h. Vieh, Arbeitsgeräte und was sonst auf einen Bauernhof gehörte, zurückgelassen werden musste; “schlicht auf schlicht” wie August Müller das nennt. Nur die persönliche Habe – wie die Möbel – durfte mitgenommen werden. Das war 1941. Die alte Wirtschaft wurde wieder von einem Schulz aus Krebsow besetzt, der ebenfalls kein Geld hatte.
Aus dem Hannoverschen hatte Familie Müller einen Hund mitgebracht, der, da zu Anfang um die Hofstellen keine Zäune gezogen waren, immer in den Wald ausbüchste und wilderte. Als der Förster ihn darauf ansprach und drohte den Hund zu erschießen, meinte der Vater nur: mein Hund macht so etwas nicht. Wenn du meinst, dass das mein Hund ist, musst du ihn erschießen. Kurz darauf teilte ihm Gaider mit, dass der Hund erschossen im Wald liege. Zunächst war danach, wie man sich denken kann, das Verhältnis der beiden Männer ziemlich angespannt, später dann wurden sie beste Freunde. So half August Müller dem Förster, der nach dem Verkauf der gräflichen Steinfurther Ländereien mit dem Steinfurther Wald auf sich allein gestellt war, das geschossene Wild zum Karlsburger Bahnhof zu transportieren, damit es im Wolgaster Schlachthaus weiterverarbeitet werden konnte. Er bekam dafür ab und an Wildfleisch und Holz z.B. für den Bau eines Zaunes. Nach dem Krieg wurde der Förster von den Russen nach Neubrandenburg in ein Lager gebracht. Ihm wurde Wilderei vorgeworfen. Dieses Schicksal hatte er nicht verdient. Er war ein guter Mensch, sagt August Müller.
Ein Jahr später zog Familie Müller mit ihren 7 Kindern nach Pamitz. Von der Kreisbauernschaft in Greifswald waren ihnen dort drei Höfe zur Auswahl angeboten worden: zwei mit 100 Morgen, der Resthof mit 200 Morgen. Der Vater entschied sich für den Resthof, weil mehr Land dazugehörte sowie eine große Feldsteinscheune. Der Umzug lief folgendermaßen ab: es waren auf dem Kleinbünzower Bahnhof Container abgestellt worden. Am Umzugstag musste der Vater die Möbel des Pamitzer Bauern, dessen Hof er übernehmen sollte, zum Bahnhof bringen. Dieser Bauer, der immer in brauner Uniform großkotzig auf dem Motorrad durch die Gegend fuhr, sollte in Polen eine Wirtschaft mit 600 Morgen übernehmen, von dem zuvor die dort ansässigen Polen vertrieben worden waren. Die Schulden, die auf dem Pamitzer Hof lasteten, wurden ihm von den Nationalsozialisten erlassen. Auf dem Pamitzer Hof mussten bei dem Vorbesitzer zwei polnische Arbeitskräfte und zwei französische bzw. belgische Gefangene arbeiten. Die hatte die Familie Müller zu übernehmen.
Die Geschichte der Kriegsgefangenen, die auf den Höfen arbeiten mussten, ist auch ein schlimmes Kapitel deutscher Geschichte. Zum Beispiel war es verboten, dass sie sich während des Essens im gleichen Raum aufhielten wie die Familie oder mit Schuhen bzw. Kleidungsstücken ausgestattet wurden. Die Mutter hat die Gefangenen dennoch in der großen Küche essen lassen. Morgens um sieben Uhr kamen diese aus Pamitz, wo sie in einem Wirtschaftsgebäude, eng zusammengepfercht, schlafen mussten. Um 20 Uhr abends hatten sie spätestens wieder in der Unterkunft zu sein. Gefangene lebten dort nur so viele, wie auf den Bauernhöfen der Umgebung an Arbeitskräften zugeteilt wurden. In der Regel waren dort, wo Polen oder Gefangene arbeiteten, die Bauern in die Armee eingezogen worden.
Während die Gefangenen sogenannte Liebesgaben – Kleidung oder Nahrungsmittel – aus ihren Heimatländern erhielten, bekamen die Polen nichts dergleichen. Sie mussten in Holzkloben laufen. Die Eltern haben für ihre zwei polnischen Arbeiter Stiefel bei einem Greifswalder Schuster machen lassen, weil die schwere Arbeit, die sie auf Feld und Hof leisten mussten, in solch einer Fußbekleidung fast unmöglich war. Dafür wäre der Vater beinahe abgeholt worden, als der Kreisbauernführer die nagelneuen Schuhe bemerkte. Er redete sich damit heraus, dass die Schuhe, für ein Familienmitglied angeschafft, leider nicht passten.
Dann wurde August Müller eingezogen und die Mutter war mit sieben Kindern, vier Ausländern – zwei Franzosen bzw. Belgiern, zwei Polen – und einem Dienstmädchen aus dem Pamitzer Landjahrlager allein auf dem Hof. Allerdings hatte er auch Glück im Unglück. Die Ausbildung als Soldat erhielten er und Hermann Mindermann – ebenfalls ein Steinfurther Siedler – in Kiel. Sie sollten an Flakgeschützen die amerikanische Armee daran hindern, weiter vorzurücken. August Müller war dieser Situation nicht gewachsen. Immer, wenn es ins Gefecht ging, wurde er ohnmächtig und fiel um. Nach einem halben Jahr wurde er ausgemustert und nach Hause geschickt, was für die Familie ein großes Glück war.
Im Mai 1945 kam der fünfzehnjährige Otto von Odessa am Schwarzen Meer aus einer deutschen Kolonie in ein Landjahrlager, wo 50-60 Jungen für die Front ausgebildet wurden. Im April/Mai 1945 sollten sie an die Front nach Norwegen gebracht werden. Sechs der Jungs hatten von dem Pamitzer Landjahrlager für Mädchen gehört und sprangen bei Ankam aus dem Zug. Einer davon war Otto, der bei der Müllerschen Familie Unterschlupf fand und für viele Jahre mit dieser zusammen lebte.
Ende des Krieges hatten sich die Russen in Pamitz im Gutshaus und auch im Karlsburger Schloss einquartiert. Sie zogen über die Dörfer und holten von den Bauern, was sie kriegen konnten. Die Soldaten hatten Hunger. Einmal saß die Familie abends zusammen. Da hörten sie, dass draußen Leute waren. Die Jungs wollten gleich nachsehen. Aber der Vater verbot es ihnen: lasst die Russen die Schweine erschießen. Wenn ihr rausgeht, erschießen sie euch. Die waren immer mit einem Ponywagen unterwegs. Das Vieh wurde dann auf den Wagen gezogen und weg waren sie. In der Zeit wurde auch viel gewildert, obwohl ja alle die Waffen abgeben mussten. Es gab aber immer noch welche, die ihre Schrotflinten versteckt hatten. Eines Tages wurde ein russischer Soldat im Wald gefunden, ein Wilderer hatte ihn wahrscheinlich erschossen.
Die Gefangenen, die auf den Bauernhöfen arbeiten mussten, waren mit Ende des Krieges verschwunden. Die polnischen Zwangsarbeiter organisierten von den Bauern Pferde und Wagen und kehrten damit nach Hause zurück. Allerdings nicht, ohne die Bauern, die sie übel behandelt hatten, vorher zu verprügeln. Dem Züssower Ortsbauernführer, der die Polen besonders drangsaliert und schlecht behandelt hatte – sie mussten immer für ihn Jauche fahren – zahlten sie es heim, indem sie ihm einen Strick um den Bauch banden und ihn immer wieder in die Jauchengrube tauchten, bis er tot war.
Die Schmiede in Steinfurth – für alle Bauern ein wichtiger Anlaufpunkt – wurde von einem älteren Mann namens Spandau betrieben, der bis zur Aufsiedlung noch für das Gut gearbeitet hatte.
Der Bruder von Augusts Mutter war ebenfalls Schmied. Als er eingezogen wurde, kam er nach Peenemünde und war dort als Schmiermaxe eingesetzt. Des öfteren, wenn er Kurzurlaub hatte, kam er zu seiner Schwester nach Steinfurth, weil die Zeit für eine Fahrt nach Hannover zu kurz war. Der Vater nutzte den Schwager gleich aus: Wenn du einmal hier bist, kannst du doch gleich die Pferde beschlagen, die Jungs können den Blasebalg ziehen. Er hat dann die Tochter des Schmieds geheiratet. Die Kinder freuten sich immer, wenn Onkel Walter kam. Er war kräftig, konnte gut anpacken, so dass die Kinder in der Zeit spielen durften. Als der Krieg zu Ende war, saß Onkel Walter eines Tages morgens um 5 Uhr vor der Pamitzer Haustür. Er kam aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft, war zunächst zu seinem Steinfurther Haus gegangen und hatte seine Frau rausgeklingelt. Er merkte aber schnell, dass da ein anderer Mann war und die Frau schwanger. So lief er weiter nach Pamitz zu seiner Schwester. Die Scheidung wurde eingereicht. Die Frau heiratete den Vater des Kindes namens Schulz und der Onkel ging nach Hannover zurück. Hier sei eingefügt, dass die Familien namens Schulz nicht miteinander verwandt waren.
August Müller hatte vier Pferde, die regelmäßig zum Schmied gebracht werden mussten. Damit es schneller ging, musste immer einer der Jungs mitfahren, um den Blasebalg zu bedienen. Bei einem dieser Besuche – das war schon in Pamitz – wollte der dortige Schmied den Vater überreden, doch nachts einmal mitzukommen. Da würden sie mit dem Lastwagen über Land ziehen und die Juden aus den Häusern holen. Der Lastwagen hatte eine Plane, da standen die SA-Leute drauf und drangen in die Wohnungen der Juden ein, prügelten sie auf den Lastwagen und ließen das eine oder andere mitgehen. Die Jungen verstanden nicht, was der Schmied da erzählte und wohin die Menschen gebracht wurden. Mit dem Vater durften sie darüber nicht reden. Der wies den Schmied nur ab mit den Worten: da will ich nix mit zu tun haben, da hab ich keine Zeit für. Die Mutter, als die Kinder ihr das erzählten, warnte sie: darüber dürft ihr nicht reden. Das ist etwas ganz Schlimmes.
Die Kinder mussten viel in der Wirtschaft mithelfen. Der Pamitzer Acker von August Müller grenzte an den Besitz des Großbauern Fink.
Der hat ganz oft mit seinem Nachbarn erzählt und die Jungs mussten derweil die Arbeiten erledigen: Der Alte steht dahinten und quasselt und wir müssen hier arbeiten. Das fanden sie ungerecht.
Die gängigste Art den Acker zu bearbeiten oder Erntegut, Mist usw. zu transportieren, wurde in der Landwirtschaft zur damaligen Zeit immer noch mit Pferdestärken bewerkstelligt. Auf dem Karlsburger Gutshof standen u. a. vier Hengste, die bei Bedarf auch den Bauern als Samenspender für ihre Stuten zur Verfügung standen. Müllers hatten zwei Stuten und so konnten sie auf diese Weise zu dem erwünschten Nachwuchs gelangen.
August Müller berichtete nicht nur über das Leben seiner Familie in Steinfurth, Pamitz und Moeckow, er erinnerte sich auch daran, dass, bevor in den 30er Jahren des 20ten Jahrhunderts in Karlsburg eine Feldbahn angeschafft wurde, auf dem Gut ein großer Dampfpflug existierte. Am Steinfurther Damm und in Karlsburg stand jeweils ein Dampfkessel, der mit Briketts und Holz beheizt wurde. Mit Hilfe von zwei Lokomotiven, Seilwinden und viel Personal wurden Pflug oder Egge über den Acker gezogen.
Die Feldbahn reichte vom Karlsburger Gut bis zum Karolinenhof, war neben dem Schlackedamm verlegt, und auch zur alten Gärtnerei führte ein Schienenstrang. Vom Wirtschaftsgebäude an Schloss und Schafstall vorbei gingen die Schienen entlang der Lindenallee Richtung Zarnekow bis an den Bahnhof heran, sodass die Loren direkt an die dort stehenden Waggons herangefahren und der jeweilige Inhalt verladen werden konnte. Vor dem Bahnübergang querten die Schienen die Straße, waren aber so gut in das Kopfsteinpflaster eingefügt, dass man sie beim Überfahren gar nicht bemerkte. Eine Lok holte die Waggons ab. Die Güterzüge wurden dann in Züssow zusammengestellt. Am Karlsburger Bahnhof war eine Drehscheibe eingelassen, von der aus die Schienen, wie sie gerade gebraucht wurden, verlegt werden konnten. Für das Aufsetzen der Loren waren mehrere Arbeiter angestellt. Es wurde ein Schienenstrang an der Seite des Ackers verlegt, Pferdewagen brachten die Ernte zu den Loren, die ebenfalls von Pferden gezogen wurden, oder auch Dung auf die Felder. Oder, wenn der Schienenstrang an einer Stelle nicht mehr gebraucht wurde, kamen speziell dafür eingestellte Arbeiter und bauten die Schienen ab und an einer anderen Stelle wieder auf.
Die Kinder setzten sich manchmal morgens in die leeren Loren und ließen sich mit Schwung in Richtung Schule rollen, trotzdem es jedes Mal Ärger gab. Denn die Loren wurden ja für die Feldarbeit benötigt.
Die Lindenallee Richtung Steinfurth von der heutigen B109 war ein gut ausgebauter Schlackenweg, der bis zum Karolinenhof führte, wo sich die Schweinezucht des Karlsburger Gutes seit den 30er Jahren mit zwei großen Ställen, einem Wirtschaftsgebäude sowie einem Wohnhaus befand. Die vorherige Schweinezuchtanlage bei der ehemaligen Mühle lag möglicherweise zu abseits.
Diese Straße durften die Steinfurther nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad benutzen, nicht aber mit Pferd und Wagen. Ihnen stand nur der Huckelweg zum Bahnhof zur Verfügung.
Die Felder, die zwischen den Bahnschienen Richtung Lühmannsdorf, Brüssow und Steinfurth lagen, wurden unter den Steinfurther Siedlern aufgeteilt. Nur der Schweinehof blieb beim Karlsburger Gut. Jeder der Siedler hatte ungefähr 2 ha Acker dort, weil die Entfernung zum Dorf so groß war. Der Müllersche Acker befand sich in der Nähe der Schweineställe, dadurch bekamen sie mit, was so auf dem Carolinenhof passierte.
Die Feldbahn wurde nach 1945 nicht mehr benutzt, überwucherte und wurde später abgebaut.
Der Bruder des Moeckower Gutsbesitzers Lagemann war als Inspektor auf dem Karlsburger Gut angestellt. Über diese Verbindung erhielt auch Moeckow eine Feldbahn. Die Schienen kann man heute noch in den Moeckower Häusern als Deckenträger im Keller finden, die nach 1945 im Rahmen der Bodenreform dort gebaut wurden. Die Schienen wurden so verlegt, dass jeweils ein Mauerstein dazwischenpasste. So sollen alle Kellerdecken in Moeckow gearbeitet worden sein – wie auch bei August Müller – die in dieser Zeit entstanden.
1956 baute August Müller mit seiner jungen Familie in Moeckow ein Haus und bekam im Rahmen der Bodenreform Land zugewiesen. Das Moeckower Gutshaus ist nach 1945 abgebrannt. Flüchtlinge haben darin gewohnt. Danach hat der Besitzer des Gutshauses sein Haus dort gebaut. Es war das erste, was nach dem Krieg entstand. In Moeckow wohnten in den 20er Jahren des 20ten Jahrhunderts nur einige Gutsarbeiter in alten Strohkaten, die später abgerissen wurden.
In der Moeckower großen Scheune wurden damals die Loren und die vier Meter langen Schienen über den Winter eingelagert und zu den Arbeiten auf den Feldern, wie man es brauchte, verlegt.
Zu der gräflichen Familie befragt, erzählte August Müller, dass der Graf und seine Familie viel auf Reisen gewesen seien. Der Park hätte deshalb so viele exotische Bäume in seinem Bestand gehabt, weil sie diese von ihren Reisen mitgebracht hätten. Einmal im Monat wanderten die Schulkinder mit Erlaubnis des Grafen unter Aufsicht des Lehrers, der gute Kontakte zum Inspektor hatte, durch den gepflegten Karlsburger Schlosspark, die Wege durften sie aber nicht verlassen. Viele der teils wertvollen Bäume existieren heute leider nicht mehr.
Bei einer gemeinsamen Fahrt durch Steinfurth rekapituliert August Müller nochmals die damals vorhandenen Häuser mit ihren Bewohnerinnen und Bewohnern. Dabei habe ich über mein Dorf noch so einiges erfahren:
Zum Beispiel teilten sich die Siedler in 3 Gruppen: die Gutsarbeiter, die schon in Steinfurth in den alten Strohkaten oder im Gemeindehaus gewohnt hatten. Der alte Möller, der alte Hahn, der alte Schulz, der wiederum eine Schulz geheiratet hat. Die vom Gut hatten einen gewissen Vorrang vor den anderen Interessenten. Dann die Zwölfender: das waren die Siedler, die 12 Jahre in Hitlers Armee gedient und soviel auf der hohen Kante hatten, dass sie ohne Kredite auskamen. Und nicht zuletzt die Siedler, die Kredite aufnehmen mussten, um siedeln zu können.
Hinter dem Hof von Lange war ein Obstgarten für die Steinfurther, von dem heute nichts mehr zu sehen ist. Die Wirtschaft der Müllers ging bis zu dem Weg, der in den Steinfurther Wald und nach Buddenhagen führt. Riesige Grundstücke waren das. Vor der Stellmacherei wurde gern gefeiert, Kinder- und Erntefeste. Der Mann betrieb die Stellmacherei und die Frau die Gastwirtschaft. Es gab des öfteren Freudenfeuer auf der Straße, über die, wenn sie bis auf die Glut abgebrannt waren, die Jugendlichen gesprungen sind. Für die Kinder gab es Lakritz und andere Bonbons in der Gastwirtschaft, die Türen standen immer offen. Man saß im Garten und trank etwas oder spielte Karten.
Geht man am Ende des Dorfes den Weg in Richtung Gutshaus sieht man linkerhand noch Reste der Gutsmauer.
Dahinter steht der ehemalige Kuhstall des Gutes (der vordere Teil wurde LPG-Zeiten angebaut), der zum Besitz des Großbauern Fink gehörte. Der hahnsche Besitz zeigt noch Reste des Schafstalles, der nach dem Krieg abgebrannt ist, auch die Toreinfahrten des Steinfurther Gutes sind noch zu besichtigen. Wo heute das blaue Haus steht, befand sich der Garten für die Bewohner des Gemeindehauses.
Für weitere Informationen und Hinweise, die Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, bei der Lektüre dieses Beitrags in den Sinn kommen, wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Mein Dank gilt August Müller und seiner Tochter Nicole für die wunderbaren Erinnerungen und für die Zeit, die sie sich für das Interview genommen haben.